Kommt Ihnen das bekannt vor?: Wissenschaft in George Orwells 1984

von Dr. habil. Heike Diefenbach

  • Datenfälschung im Dienst der Erzählung vom menschgemachten Klimawandel (als „climate gate“ bekannt geworden),
  • Versuche der Verhaltenssteuerung durch „Nudging“, d.h. der Verhaltenssteuerung durch Manipulation der Anreizstruktur – „Putting fruit at eye level counts as a nudge. Banning junk food does not“, wie  Thaler und Sunstein (2008: 6) in ihrem programmatischen Buch “Nudge – Improving [aus Sicht der Autoren, versteht sich!] Decisions about Health, Wealth and Happiness“ sagen,

Haben Sie auch den Eindruck, dass Wissenschaft oder das, was als Wissenschaft präsentiert wird, nur noch als Dienstmagd der Ideologie fungiert (um in Anlehnung an Ralf Dahrendorf zu sprechen)?

Sollten Sie diesen Eindruck haben, so ist er einerseits falsch, denn es gibt durchaus noch Wissenschaft bzw. Wissenschaftler, die ihre Arbeit nicht (mehr oder weniger) bewußt in den Dienst von Ideologie und Politik stellen, wie die Beispiele der Wissenschaftler zeigen, die auf der Basis sauberer wissenschaftlicher Arbeit denjenigen ihrer Kollegen widersprechen, die dies getan haben. Und es gibt eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, die, so gut es geht, ihre Arbeit relativ unbehelligt weiterbetreiben können, dies allerdings um den Preis einer unauffälligen Konformität und insofern bestenfalls gesellschaftlicher Irrelevanz und schlimmstenfalls fügsamer Kooperation durch Verzicht auf jedweden Widerspruch.

Sollten Sie diesen Eindruck haben, so ist er andererseits zutreffend, und zwar insofern als Wissenschaft besonders während der letzten zwei Jahrzehnte immer mehr von Politik und Ideologen bzw. Lobbyisten und Aktivisten instrumentalisiert und pervertiert wurde. Vielleicht begann dieser Prozess mit der Installierung sogenannter Frauenbeauftragter an Hochschulen als Brückenköpfe für wissenschaftsfremde und in vielen Fällen geradezu wissenschaftsfeindliche Zwecke. Die verstärkte und gezielte Bereitstellung von Fördergeldern durch Bundesministerien, deren An-Institute und politische Stiftungen für ideologische Auftragsforschung wie z.B. für das Reverse-Projekt, das der Denunziation von Wissenschaftlern als „gender“-, „frauen“-, was auch immer-feindlich, letztlich als „Systemfeind“, diente, ist zweifellos ein Instrument beim Versuch, Wissenschaft als solche zu zerstören und ersatzweise eine pervertierte Wissenschaftsmimikry darzubieten, die ideologische begründete Maßnahmen legitimieren soll oder Ideologen dabei helfen soll, ihre Ziele durchzusetzen.

Dass Wissenschaftsmimikry als solche Letzteres nicht oder nur in Ansätzen leisten kann, eben weil es Wissenschaftsmimikry ist und keine Wissenschaft, sich also nicht auf die Fakten stützen kann, so, wie sie sind, sondern an ideologische Sichtweisen und Voraussetzungen gebunden ist, die die In-Rechnung-Stellung der Fakten, so, wie sie sind, teilweise geradezu verhindert, sollte eigentlich klar sein. Und man könnte es aus den gescheiterten historischen Versuchen, das Unvereinbare in Form von Wissenschaft und von Marxismus-Leninismus miteinandern irgendwie zu vereinbaren, gelernt haben.

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Aber seltsamerweise ist dem nicht so. Selbst diejenigen, die die Wissenschaftsmimikry betreiben, sind seltsamerweise im Stande, sich für etwas anderes zu halten, nämlich für Wissenschaftler; sie sind sozusagen Opfer ihrer eigenen Ideologie insofern sie die ersten und vielleicht nahezu einzigen sind, die tatsächlich glauben, es sei Wissenschaft, wenn man im Dienst der Ideologie Dinge tut, die irgendwie an Forschen und Texte-Schreiben erinnern, oder im Dienst der Ideologie als „Experte“ inszeniert wird und damit einfältigerweise den eigenen Kopf für die ideologischen Anliegen Anderer hinhält.

George Orwell hat in seinem im Jahr 1948 in englischer Sprache erschienen Roman „1984“ – und wir gehen hier davon aus, dass fast jeder diesen Roman entweder gelesen hat oder seinen Inhalt in etwa aus Verfilmung oder Mitteilung durch Andere kennt – die Rolle von „Wissenschaft“ im totalitären Staat bzw. die Unvereinbarkeit von Wissenschaft und Ideologie bzw. den unüberbrückbaren Graben zwischen Wissenschaft und Wissenschaftsmimikry eindringlich beschrieben.

Wir wollen Orwell im Folgenden unkommentiert aus „1984“ zitieren; was Orwell schreibt, spricht u.E. für sich. Wer den Roman auf Deutsch lesen möchte, kann die entsprechende pdf-Datei hier lesen oder herunterladen:

 

Die folgenden Passagen aus Orwells 1984 sind dieser Datei entnommen.

Orwell lässt seinen Protagonisten Winston in einem „… schwere[n] schwarze[n] Band, unfachmännisch gebunden, ohne Namen oder Titel auf dem Einband“, der … durch viele Hände gegangen“ (S. 296) zu sein schien, lesen:

„Anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts gehörte die Vision einer zukünftigen unglaublich reichen, über Muße verfügenden, geordneten und tüchtigen Gesellschaftsordnung – einer schimmernden antiseptischen Welt aus Glas, Stahl und schneeweißem Beton – zum Vorstellungsbild nahezu jedes gebildeten Menschen. Wissenschaft und Technik entwickelten sich mit wunderbarer Geschwindigkeit, und die Annahme schien natürlich, dass sie sich immer weiterentwickeln würden.

Das war jedoch nicht der Fall, teils infolge der durch eine lange Reihe von Kriegen und Revolutionen verursachten Verarmung, teils weil wissenschaftlicher und technischer Fortschritt von einem durch Erfahrung gestützten Denken abhingen. Die heute in Ozeanien herrschenden Kräfte haben allerdings an einer Kultur des Wissens keinerlei Interesse. Im Gegenteil: Sie haben die ehemals hoch entwickelten Nationen Europas durch jahrzehntelange, innere Zersetzung zerstört und anschließend durch ihre Revolution verwüstet und zertrümmert. Mit dem Niedergang und dem Zerfall der technisierten Nationen und Völker Europas und dem Untergang der früher europäisch geprägten Vereinigten Staaten kam auch der Zerfall der übrigen Welt, die in den Strudel des damit entstandenen Machtvakuums hineingesogen worden ist.

Im Ganzen genommen ist die Welt von heute demnach primitiver als sie es vor fünfzig Jahren war. Lediglich Verfahren, die mit Kriegsführung oder Polizeibespitzelung zusammenhängen, entwickelten sich im beschränkten Maß weiter, aber Experiment und Erfindung haben so gut wie aufgehört, und die Verheerungen der Revolution und des darauf folgenden Atomkrieges wurden nie wieder ganz wettgemacht“ (S. 305-306).

„In Ozeanien hat heutigen Tages die Wissenschaft im althergebrachten Sinne fast aufgehört zu existieren, denn die zu einer höheren Kultur, Technologie und Zivilisation fähigen Völker zerfallen in immer schnellerem Maße.

Im Neusprech [der von der Einheitspartei im totalitären Staat, in dem „1984“ spielt, speziell entworfenen politisch korrekten Sprache] gibt es kein Wort für ‚‘Wissenschaft‘! Die empirische Denkweise, auf der alle wissenschaftlichen Errungenschaften der Vergangenheit fußten, widerspricht den fundamentalsten Prinzipien von Engsoz [das ist in „1984“ die Bezeichnung für die im totalitären Ozeanien herrschende, d.h. von der Partei indoktrinierten oder erzwungenen offiziellen Weltanschauung]. Und sogar ein technologischer Fortschritt wird nur erzielt, wenn seine Erzeugnisse in irgendeiner Weise zur Beschränkung der menschlichen Freiheit benützt werden können.

In allen nutzbringenden Künsten steht die Welt entweder still oder macht sogar einen Rückschritt … Aber in lebenswichtigen Dingen – womit in Wirklichkeit Krieg und Polizeibespitzelung gemeint sind – wird die empirische Einstellung auch heute noch ermutigt oder wenigstens geduldet.

Die beiden Ziele der Partei und der sie leitenden Hintergrundmächte sind, die ganze Erdoberfläche zu erobern und ein für allemal die Möglichkeit unabhängigen Denkens auszutilgen. Infolgedessen gibt es zwei große Probleme, deren Lösung die Partei anstrebt. Das eine ist, die Gedanken eines anderen Menschen zu entdecken, ohne dass er sich dagegen wehren kann. Und das andere besteht in der Auffindung eines Verfahrens zur Tötung von mehreren hundert Millionen Menschen in ein paar Sekunden ohne vorhergehende Warnung. Soweit es noch wissenschaftliche Forschung gibt, ist dies ihr Hauptgegenstand.

Der heutige Wissenschaftler ist entweder eine Mischung aus Psychologe und Inquisitor, der mit ungewöhnlicher Sorgfältigkeit die Bedeutung von Gesichtsausdrücken, Gebärden und Stimmschwankungen studiert und die zu wahrheitsgemäßen Aussagen zwingenden Wirkungen von Drogen, Schock-Therapie, Hypnose oder körperlicher Folterung erprobt. Oder er ist ein Chemiker, Physiker oder Biologe, der sich nur mit solchen Fragen seines Spezialfaches beschäftigt, die auf die Vernichtung des Lebens Bezug haben“ (S. 314-315).

„Wie wir gesehen haben, werden für Kriegszwecke zwar noch Forschungen angestellt, die man als wissenschaftliche bezeichnen könnte, aber in der Hauptsache handelt es sich dabei um Phantasiegespinste, und die Tatsache, dass sie kein Resultat zeitigen, ist unwichtig. Leistungsfähigkeit, sogar militärische Leistungsfähigkeit, ist nicht mehr notwendig. Nichts in Ozeanien ist leistungsfähig außer der Gedankenpolizei“ (S. 323).

„Daher besteht von dem Gesichtspunkt unserer gegenwärtigen Machthaber aus die einzige wirkliche Gefahr in der Abspaltung einer neuen Gruppe von begabten, nicht genügend ausgefüllten, machthungrigen Menschen und dem Zunehmen von Freiheitsdrang und Skeptizismus in ihren eigenen Reihen. Das Problem ist daher sozusagen erzieherischer Natur. Es besteht darin, dauernd das Denken sowohl der leitenden Gruppe als auch der größeren, unmittelbar nach ihr folgenden ausführenden Gruppe zu formen. Das Denken der Massen braucht nur in negativer Weise beeinflusst zu werden“ (S. 341-342).

Und im Gespräch mit dem Protagonisten Winston, der sich Gedankenverbrechen schuldig macht, erläutert ihm O’Brien, der für Winstons Umerziehungsprozess zuständig ist:

„Die alten Kulturen erhoben Anspruch darauf, auf Liebe oder Gerechtigkeit gegründet zu sein. Die unsrige ist auf Hass gegründet. In unserer Welt wird es keine anderen Gefühle geben als Hass, Wut, Frohlocken und Selbstbeschämung.

Alles andere werden wir vernichten – und zwar alles. Wir merzen bereits die Denkweisen aus, die noch aus der Zeit vor der Revolution stammen. Wir haben die Bande zwischen Kind und Eltern, zwischen Mensch und Mitmensch und zwischen Mann und Frau durchschnitten. Niemand wagt es mehr, einer Gattin, einem Kind oder einem Freund zu trauen. Aber in Zukunft wird es keine Gattinnen und keine Freunde mehr geben … Es wird keine Treue mehr geben, außer der Treue gegenüber der Partei … Es wird kein Lachen geben, außer dem Lachen des Frohlockens über den besiegten Feind. Es wird keine Kunst geben, keine Literatur, keine Wissenschaft. Wenn wir allmächtig sind, werden wir die Wissenschaft nicht mehr brauchen. Es wird keinen Unterschied geben zwischen Schönheit und Hässlichkeit. Es wird keine Neugier, keine Lebenslust geben. Alle Freuden des Wettstreits werden ausgetilgt sein“ (S. 439).

Und zum Schluss noch ein bemerkenswert aktueller Satz, den der Umerzieher O’Brien an den Protagonisten Winston richtet, und der u.a. zusammenfasst, wozu „Wissenschaft“ im totalitären Staat dient:

„Uns interessieren nicht diese dummen Verbrechen, die Sie begangen haben. Die Partei kümmert sich nicht um die offene Tat: nur der Gedanke ist uns wichtig. Wir vernichten nicht nur unsere Feinde, sondern machen andere Menschen aus ihnen. Verstehen Sie, was ich damit meine?“ (S. 417).

Glücklicherweise sinkt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Verhinderung von Gedankenverbrechen durch wissenschaftliche Methoden erreicht wird, in dem Maß, in dem Wissenschaft pervertiert und durch bloße Wissenschaftsmimikry ersetzt wird. Wissenschaftsmimikry ist als solche leicht zu erweisen, aber es muss genug Menschen geben, die sie als solche erweisen wollen, können und den Mut dazu haben; es setzt Freiheitsdrang und Skeptizismus voraus.

Wie viel ist „genug“?
Weniger als man vielleicht meinen würde. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass selbst in der totalitären Welt, die Orwell in „1984“ entwirft, in der die Menschen indoktriniert, manipuliert, aufgehetzt und belogen werden, alle Umerziehung zum politisch korrekten Denken auf Folter, psychische, aber vor allem physische, Folter, u.a. mit Hilfe des Streckbetts und in Form von Stromschlägen, zurückgreift.



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