Black Lives Don’t Matter? Pfizers Kano-Experiment und die Opfer

Derzeit kann man sich gar nicht vor Philanthropen retten, vor Leuten, die von sich behaupten, sie hätten nur das Beste der Menschheit (kleiner haben es die entsprechenden Gutmenschen nicht) im Auge und im Sinn. Zu diesen Philanthropen zählen in der seltsamen Logik derjenigen, die derzeit Positionen in Regierungen begleiten, auch Konzerne, Pharma-Konzerne, PFIZER.

Pfizer ist eines jener Unternehmen, bei denen man sich die Augen reibt, es in der Reihe der “Guten” zu sehen, denn Pfizer hat nicht nur eine lange Geschichte der Verstöße gegen Regeln und Vorgaben und Gesetze:

Pfizer hat auch eine eher unappetitliche Geschichte der Menschenversuche, wie man pointiert sagen könnte. Aber, machen Sie sich ein eigenes Bild. Wir erzählen heute die Geschichte des Kano-Experiments aus zwei Perspektiven, der Perspektive von Betroffenen und Beobachtern und der Perspektive von Pfizer

Dürfen wir vorstellen: Kano.

Kano war 1996 Ground Zero einer Meningitis Epidemie, die Nigeria heimgesucht hat. Im Verlauf der Epidemie sind mehr als 100.000 Menschen an Meningitis, also an Gehirnhautentzündung erkrankt, und zwar an der bakteriellen Form der Erkrankung, die von Pneumokokken, Meningokokken etc. ausgelöst wird und eine extreme und gefährlichere Variante von Hirnhautentzündung darstellt, als von Viren ausgelöste Meningitis. 1996 ist ein Jahr, in dem in Nigeria eine Militärjunta regiert, die mit Menschenrechten nicht wirklich etwas anfangen kann. Zum Zeitpunkt, den wir betrachten, ist die Epidemie in Kano mit voller Wucht unterwegs, rund 120 Patienten werden täglich im Asibitin Zano, dem Infectious Disease Hospital von Kano vorstellig.

Das hier ist das Infectious Disease Hospital (IDH) von Kano:

Médecins Sans Frontières waren die ersten vor Ort, die sicherstellen wollten, dass die Gesundheits-Versorgung der an Meningitis erkrankten vor allem Kinder nicht zusammenbricht, in einer Stadt, die zu den bekannten Armutszentren in Nigeria gehörte und gehört, einem “Hospital” dessen Hygiene mit nur einem Wort beschrieben werden kann: entsetzlich.

Kurze Zeit, nachdem Médecins Sans Frontières ihre Hilfsstation im IDH errichtet und mit der Behandlung von Meningitis-Patienten begonnen haben, dabei kam Chloramphenicol zum Einsatz, das von der WHO damals empfohlene Medikament zur Behandlung von Meiningitis, landet eine DC9 auf Mallam Aminu Kano, dem internationalen Flughafen von Kano. Die DC9 war von Pfizer gechartert und brachte ein Team von 10 Ärzten und Wissenschaftlern nach Kano.

Was ab jetzt geschehen ist, dazu gibt es zwei Perspkektiven

Pfizer gibt an, man habe über ein Medikament verfügt, das zwar noch nicht zugelassen gewesen sei, das aber Anlass zu großer Zuversicht, was dessen Fähigkeit, Meningitis zu heilen angehe, gegeben habe. Man sei nach Kano geeilt, um vor Ort den Leidenden schnelle und unentgeltliche Hilfe bereitzustellen.

Beobachter geben an, dass Pfizer die Gelegenheit, die sich in Kano geboten habe, genutzt hat, um ein nicht zugelassenes Medikament, für das es sehr schwierig geworden wäre, die Anforderungen der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) an klinische Erprobung zu erfüllen, mit den notwendigen klinischen Daten zu versorgen. Das Medikament “Travon” war zu diesem Zeitpunkt der Hoffnungsträger auf Großprofite in den Führungsetagen von Pfizer. Bis zu einer Milliarde Umsatz sollte mit dem Antibiotikum generiert werden. Indes, in Nigeria stand nicht der Einsatz als Breitband-Antibiotikum im Zentrum, sondern der gezielte Einsatz gegen die Bakterien, die Auslöser der 1996er Miningitis-Epidemie waren. Zum Einsatz kam eine oral verabreichbare Form. Bis zum Beginn des Experiments in Kano war noch nie eine orale Form von Travon zum Einsatz gekommen.

Pfizer gibt an, man habe mit Zustimmung einer Ethikkommission des IDH vor Ort seine Zelte aufgeschlagen und sofort damit begonnen, das Los der Erkrankten zu erleichtern. 198 Kinder im Alter von wenigen Monaten bis 13 Jahren wurden für das klinische Trial rekrutiert und in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe der Kinder erhielt Travon, die andere Gruppe Ceftriaxone, ein wirksames und zur Behandlung von Meningitis zugelassenes Medikament, das von Hoffmann-La-Roche hergestellt wird.

Médecins Sans Frontières, Vertreten durch Evariste Lodi, die vor Pfizer in Kano angekommen sind, sind nicht glücklich über die Störung, die das Auftauchen von Pfizer vor Ort mit sich bringt. Médecins Sans Frontières haben die viel zu geringen Ressourcen des IDH optimiert, so dass schwer erkrankte Patienten eines der wenigen Betten belegen können, während andere, nicht so schwer erkrankte, in Zelten auf Matten liegen. Pfizers Auftauchen bringt dieses Gefüge durcheinander. Schwer erkrankte Patienten müssen in Zelten auf Matten untergebracht werden, weil Pfizer zwei der besten Stationen von der Leitung des IDH zugewiesen werden. Schon durch diese Störung, so sagt Lodi, seien Erkrankte verstorben, die nicht hätten versterben müssen.

Pfizer gibt an, das Trial, das Kano-Experiment, sei von einer “unabhängigen Stelle” und von der Ethikkommission des IDH genehmigt worden. Abdulhamid Isa Dutse, der von Pfizer in Kano rekrutiert wurde, um das Experiment zu leiten, gibt zu, den angeblichen Brief der Ethikkommission des IDH angefertigt und zurückdatiert zu haben. Eine Untersuchung der FDA sei der Anlass dafür gewesen.

Die angebliche Zustimmung einer Ethik-Kommission hat es also nie gegeben, schon weil es zum Zeitpunkt, zu dem die Ethik-Kommission zugestimmt haben soll, diese Ethik-Kommission nicht gegeben hat.
Dazu:
Wise J. (2001). Pfizer accused of testing new drug without ethical approval. British Medical Journal (Clinical research ed.), 322(7280): 194.


Pfizer gibt an, die Teilnehmer des Trials seien darüber aufgeklärt worden, dass sie an einem klinischen Trial teilnehmen. Es sei ihnen gesagt worden, dass sie nicht daran teilnehmen müssten und sich auch von Médecins Sans Frontières behandeln lassen könnten. Es habe eine Einwilligungserklärung in englischer Sprache gegeben, die den zumeist illiteraten Nigerianern, die vom Land nach Kano kamen, um ihre kranken Kinder behandeln zu lassen, in Auszügen von den Pflegern erklärt worden sei. Die Einwilligung sei verbal erfolgt. Es gebe keine schriftliche Erklärung der Eltern der teilnehmenden Kinder, mit der Behandlung der Kinder einverstanden zu sein.

Beobachter vor Ort geben an, die Patienten, die in großer Zahl in das IDH gekommen seien, seien auf ihr Glück, mit westlichen Medikamenten behandelt werden zu können, hingewiesen und in den Teil des Hospitals kanalisiert worden, in dem sich das Team von Pfizer eingerichtet habe. Keinem der Eltern, die ihre Kinder mit Travon von Pfizer behandeln ließen oder deren Kinder in der Kontrollgruppe Ceftriaxone erhalten hätten, sei klar gewesen, dass sie an einem medizinischen Trial teilnehmen. Evariste Lodi von Médecins Sans Frontières sagt, er habe im Nachhinein etliche Kinder behandelt, die nachdem das Team von Pfizer wieder verschwunden sei, weiterhin an Folgen von Meningitis gelitten hätten. Die Eltern von keinem dieser Kinder hätten eine Idee davon gehabt, dass sie ihre Kinder für ein medizinisches Experiment zur Verfügung gestellt hatten.

Pfizer gibt an, die Kinder seien in eine Interventionsgruppe und eine Kontrollgruppe geteilt worden. In der Interventionsgruppe seien 56mg Travon oral verabreicht worden in der Kontrollgruppe sei Ceftriaxone verabreicht worden, allerdings nur in einer Dosierung, die ein Drittel der empfohlenen Menge umfasst.

Ein Sprecher von Hoffmann-La-Roche hat gegenüber der Washington Post erklärt, dass die geringe Dosierung die Wirkung von Ceftriaxone in Frage stellt und dafür verantwortlich sein kann, dass Patienten an Meningitis verstorben sind, die nicht an Meningitis hätten sterben müssen.

Pfizer gibt an, dass in der Interventionsgruppe (Travon) 5 Kinder verstorben seien, in der Kontrollgruppe (Ceftriaxone) 6 Kinder. Die geringe Dosierung von Ceftriaxone sei nicht ursächlich für den Tod der 6 Kinder in der Kontrollgruppe.

Pfizer schreibt: “Within nine hours [after administering Travon] Patient 0054 was dead.

Patient 0054 ist ein 7 Jahre alter Junge, der schon mit einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur im IDH angekommen ist. Im wurden 50mg Travon verabreicht. Er ist anschließend verstorben.

Pfizer schreibt: der Tod sei eine Folge von Meningitis.

Patient 0069 ist ein 10 Jahre altes Mädchen, dessen Siechtum sich über drei Tage erstreckt hat. An allen Tagen wurde dem Kind Travon verabreicht, ohne erkennbare Wirkung. An keinem der drei Tage wurde der Bluttest durchgeführt, der im Protokoll des Trials vorgesehen war. Am dritten Tag ist das Mädchen gestorben.

Marc Gastellu-Etchegorry von Médecins Sans Frontières sagt: Wenn man sieht, dass eine Behandlungsmethode nicht anschlägt, dann ändert man die Behandlungsmethode. Abdulhamid Isa Dutse, der Vertreter von Pfizer vor Ort, stimmt dem zu, weiß nicht, warum es im Fall der 10jährigen nicht erfolgt ist.

Man könnte die Behandlung als Mord ansehen, sagt Evarista Lodi gegenüber der Washington Post.

Pfizer sagt, nach zwei Wochen sei die Situation in Kano unter Kontrolle gewesen und man habe den eigenen philantropischen Beitrag beenden können. Das Team der 10 Ärzte von Pfizer ist als Folge abgezogen worden.

Boebachter sagen, es sei Pfizer von Anfang an nur darum gegangen, Versuchsobjekte zu finden, an denen das neue Medikament ausprobiert werden konnte. Zu keinem Zeitpunkt sei es um die Menschen vor Ort gegangen, wie sich schon daran zeige, dass keinerlei Nachverfolgung der Patienten erfolgt sei. Was aus den behandelten 198 Kindern geworden ist, die nicht gestorben sind, hat Pfizer zu keinem Zeitpunkt interessiert.

Pfizer sagt, dass Kinder, die in Kano vom Pfizer-Team behandelt wurden, erblindet sind, taub wurden, Gehirnschäden davon getragen hätten und gelähmt seien, das sei eine Folge von Meningitis, keine Folge der Behandlung mit Travon.

Die Ergebnisse des Trials in Kano hat Pfizer nie veröffentlicht. Die FDA, deren Vertreter Pfizers Bericht über Kano gelesen haben, haben darin mehr als 40 Unstimmigkeiten gefunden und sich in der Folge geweigert, Travon als Medikament für Kinder zuzulassen.

Pfizer sagt, der Antrag auf Zulassung sei nicht abgelehnt worden, das Unternehmen habe ihn zurückgezogen.

Travon wurde 1998 in den USA und 1999 in Europa als Antibiotikum zur Behandlung von Erwachsenen zugelassen. Kurz nach Zulassung gab es die ersten Meldungen über Leberschäden. Der Tod eines Patienten und rund 140 Patienten, die Leberschäden nach Behandlung mit Travon davongetragen haben, führt dazu, dass die FDA und die Europäische Medicines Agency, die Verwendung von Travon zunächst aussetzen. Schließlich zieht Pfizer Travon zurück. Mehr als 2. Millionen Meldungen über Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfung haben dagegen keinerlei Effekt.

Versuche der Opfer des Kano-Experiments, Entschädigung von Pfizer zu erhalten, scheitern in drei Fällen vor US-Gerichten, in der Regel am Einwand von Pfizer, dass US-Gerichte nicht zuständig seien. 2007 verklagt die Nigerianische Regierung Pfizer vor dem High Court des Landes in Abuja. Pfizer versucht zunächst, den Chefankläger Michael Aondoakaa zu diskreditieren, indem ein Privatdetektiv engagiert wird, der nachweisen soll, dass Aondoakaa korrupt ist. Der Versuch wird geleakt. Pfizer trifft schließlich eine außergerichtliche Einigung und erklärt sich 2009 bereit, 75 Millionen US-Dollar Entschädigung an die Opfer seines Kano-Experiments zu zahlen. Alle Modalitäten unterliegen der Geheimhaltung.

10 Jahre später ist Pfizer wieder im philantropischen Einsatz für die Menschheit und um die Gesundheit der Erdenbürger besorgt. Dieses Mal rechnet sich der Einsatz. Seit Beginn des Jahres 2021 verkündet Pfizer einen Rekord-Gewinn nach dem nächsten.
Philantropie lohnt sich eben.


Links:

Where Profits and Lives Hang in Balance
Nigeria: The infamous 1996 Pfizer trial driving anti-vax feelings today
Pfizer’s Scandal in Nigeria – How An Experimental Vaccine Killed 11 Children in 1996


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