„Bravi, siamo con voi!“ – Die italienische Bevölkerung im Widerstand gegen den Grünen Pass

Seit Anfang Oktober haben wieder in vielen gößeren Städten in verschiedenen Regionen Italiens Demonstrationen gegen den sogenannten Grünen Pass stattgefunden, u.a. in Palermo, Udine, Livorno, Turin, Verona

in Bologna

in Mailand

und am Samstag in Rom, wo die Polizei gegen friedliche Demonstranten Wasserwerfer und Tränengast eingesetzt hat

und wo Demonstranten später in das Hauptgebäude der CGIL, d.h. Confederazione Generale Italiana del Lavoro, was man etwa als „Allgemeiner italienischer Bund für Arbeit“ übersetzen könnte, der wiederum die größte italienische Handelsunion ist, eindrangen und es besetzten.

Wer heute die Pressemeldungen über die Demonstration in Rom vom gestrigen Samstag liest, findet vor allem Berichte über die zuletzt genannte Aktion der Demonstranten, die in diesem Zusammenhang in der entsprechend geneigten Presse als rechtsextreme Aktivisten oder als Neofaschisten und vom italienischen Außenminister als „Kriminelle“ bezeichnet wurden.

Den Anliegen der – gemäß sehr konservativer Schätzung – zehntausend Menschen, die gestern in Rom auf die Straße gegangen sind, um gegen die Spaltung der Gesellschaft durch diskriminierende Maßnahmen zu demonstrieren, wird demgegenüber wenig Raum eingeräumt, geschweige denn, dass die Regierungsmitglieder sie ernstnehmen und sich entsprechend ihrer Funktion als Repräsentanten der Bevölkerung dem Willen derselben beugen würden, der sich durch eine Volksbefragung leicht feststellen ließe.

Die italienische Regierung – ganz wie so viele andere Regierungen in vielen anderen Ländern – hat die Demonstrationen gegen freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 und insbesondere mit dem sogenannten Grünen Pass bislang mehr oder weniger ignoriert und auszusitzen versucht. Aber es scheint, dass dies nicht länger möglich sein wird, denn mit dem Eindringen der Demonstranten in das Hauptgebäude der CGIL ist – wie zuvor beim Besuch von Demonstranten im Weißen Haus in den USA oder beim Betreten der Treppe vor dem Reichstag in Berlin – deutlich geworden, dass eine Regierung und ihre ausführenden Organe gegenüber einer von ihnen geschmähten und in den zivilen Ungehorsam getriebenen Bevölkerung hoffnungslos in der Minderzahl und machtlos ist. Die regelmäßige und daher leicht vorhersehbare Schmähung der „Eroberer“ ihrer eigenen öffentlichen Plätze und ihrer eigenen öffentlichen Verwaltungen, auch Bürger genannt, als Rechte, Faschisten, Kriminelle – was immer es sein mag, das gerade opportun erscheint – zeigt nur zu deutlich, dass sich diese Erkenntnis langsam, aber sicher bei den sich an der Macht Wähnenden einstellt – und unter ihnen dementsprechend die Angst umgeht.

Und wie hilflos eine Regierung gegenüber einer Bevölkerung ist, die zivilen Ungehorsam ausübt, könnte sich in Italien ain der kommenden Woche noch viel deutlicher zeigen als bisher:

Ab dem 15. Oktober – und vorerst bis zum Ende des Jahres 2021 – soll in Italien als erstem europäischen Land nämlich der obligatorische Grüne Pass für alle Arbeitnehmer im öffentlichen und privaten Sektor in Kraft treten. D.h. jeder Arbeitnehmer muss im Besitz eines Grünes Passes sein bzw. nachweisen können, dass er entweder anhand eines 48 Stunden zuvor durchgeführten Tests negativ auf SARS-CoV-2 getestet wurde oder eine vollständige Impfung gegen Covid-19 erhalten hat oder von einer Covid-19-Erkrankung genesen ist.

Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst droht – nach fünf Tagen – und in der Privatwirtschaft – mit sofortiger Wirkung – eine unbezahlte Suspendierung von der Arbeit, wenn sie keinen Grünen Pass vorweisen können, sowie eine Geldstrafe zwischen 600 Euro und 1500 Euro. Sobald sie einen Grünen Pass vorweisen können, dürfen sie gnädigerweise an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren

Als unbezahlte Hilfspolizisten sollen sich die Arbeitgeber betätigen; sie sind dazu verpflichtet worden zu kontrollieren, dass „ihre“ Arbeitnehmer einen Grünen Pass vorweisen können. Und auch Arbeitgebern drohen Geldstrafen (von 400 Euro bis 1.000 Euro), wenn sie dies nicht tun oder Arbeitnehmer arbeiten lassen, die keinen Grünen Pass vorweisen können.

Und es ist dieser neue Status des Grünen Passes als Kontroll- und Ausschluss-Instrument, gegen den sich die Demonstranten in der vergangenen Woche in Italien besonders gewendet haben. Da diejenigen in Regierungsverantwortung offenbar meinen, besser zu wissen, was für „die Menschen“ gut und richtig ist als die Menschen selbst und die neue Regelung bislang nicht zurückgenommen haben, lassen sie „den Menschen“ keine andere Wahl als ihrem Willen durch andere Mittel Geltung zu verschaffen. Und so ist für den 15. Oktober in Italien ein Generalstreik der Verbände, Verbraucher und Bürger angekündigt.

Im Bericht, der unter der oben genannten Adresse (in Italienisch) gelesen werden kann, heißt es dazu:

„Der Jurist Edoardo Polacco erklärt: ‚An diesem Tag gibt es eine Aufforderung, nicht zu konsumieren, nicht zu arbeiten. Wir müssen im Namen der Freiheit, der verfassungsmäßigen Rechte und der Rechtssicherheit ein Signal an die Regierung geben‘.

Für denselben Tag wurde auch eine Demonstration um 16 Uhr auf der Piazza Santi Apostoli in Rom angekündigt. Der Anwalt erklärt: ‚Die von der Regierung verordnete Verschärfung der Vorschriften für alle öffentlichen und privaten Arbeitnehmer, die ab dem 15. Oktober unter Androhung von Gehaltseinbußen den grünen Pass besitzen müssen, erschüttert das Bewusstsein der italienischen Bevölkerung zutiefst. Die Regierung fühlte sich nicht verpflichtet und hatte auch nicht den Mut, ein Gesetz für alle Bürger zu erlassen, sondern erließ stattdessen ein Dringlichkeitsdekret, das nur sechzig Tage gültig ist und das im Wesentlichen lautet: ‚Arbeitnehmer, entweder ich impfe dich, oder ich nehme dir das Gehalt weg‘”.

Wenn Arbeitnehmer sich nicht zu Handlangern der Regierung degradieren lassen, Arbeitnehmer sich nicht erpressen lassen, Menschen sich nicht davon abhalten lassen, sich gegen die Spaltung ihrer Gesellschaft zur Wehr zu setzen, dann kann sich eine Regierung, die ihre Bevölkerung miß-, wenn nicht verachtet, nicht länger als „gute“ Regierung inszenieren, die keine Gewalt gegen die eigenen Bürgern anwendet. Sie wird entweder dem Willen der Bevölkerung Rechnung tragen müssen oder eben doch Gewalt anwerden müssen und sich damit als das zu erkennen geben, was sie tatsächlich sind und was zumindest ein Teil der Italiener schon als „dittatura“ erkannt hat.

Dieser Teil ist jedenfalls kein kleiner Teil und versprengter Haufen von Extremisten – im Gegenteil: diejenigen, derer sich Regierungen zuerst bedienen, um die Bekundungen von Ärger in der Bevölkerung zu unterdrücken, erweisen sich in Italien keineswegs alle als konform mit allem, was die Regierung der Bevölkerung – und ihnen selbst – aufbürden möchte. So hat am vergangenen Wochenende die Vize-Polizeipräsidentin von Rom, Nunzia Alessandra Schilirò, bei einer Demonstration in Rom eine (anscheinend spontane) Rede gehalten, in der sie sich für den Stop des Grünen Passes ausgesprochen hat, und das Polizeipräsidium hat in Respektierung ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung von disziplinarischen Maßnahmen gegen sie abgesehen, ganz zu schweigen von den über 70.000 Unterstützungsunterschriften, die sie innerhalb von nur 48 Stunden erhalten hat, und die Gewerkschaft der Carabinieri hat ebenfalls die Nichtanwendung des Grünen Passes gefordert.

Vielleicht ist es gut für alle Europäer, dass es ausgerechnet die italienische Regierung ist, die den obligatorischen Grünen Pass einführen möchte, denn in Italien ist die Widerstandsbereitschaft gegen staatliche Übergriffe offensichtlich deutlich größer als in vielen anderen europäischen Ländern. Vielleicht kann Italien ein abschreckendes Beispiel für andere Regierungunge mit totalitären Anwandlungen sein oder werden. Andere Länder könnten dies vorhersehbar nicht; man stelle sich nur vor, es wäre die deutsche Regierung, die den Grünen Pass obligatorisch zu machen beschließt …

Vor diesem Hintergrund ist das Wenigste, was wir tun können, uns dem italienischen Kommentator anzuschließen, der unter ein Video, das Ausschnitte aus der großen Demonstration vom Samstag geschrieben hat: „Bravi, siamo con voi“ [Gut gemacht, wir sind mit Euch]; Wenigstens im Prinzip und im Geist.



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