Szenen der Verslummung: Der Bundestag als Nachhilfe-Schule

Es mag für manche zu hart klingen, wenn wir von Verslummung schreiben. Aber dass wir das tun, das liegt daran, dass wir einen gewissen Anspruch an ein Parlament, ein Bundesparlament herantragen.

Der Anspruch geht wie folgt.
Abgeordnete sollten sich zumindest dadurch auszeichnen, dass sie fähig sind, sich ein begründetes Urteil zu bilden.
Um urteilsfähig zu sein, ist es unabdingbar über Lebenserfahrung, am besten in Form von Berufserfahrung zu verfügen. Beide Formen der Erfahrung gewinnt man durch Jahre entsprechender Tätigkeit, Tätigkeit, die sich in einem diversen Spektrum von Tätigkeitsfeldern abspielt, schon um der Bildung von Kirchturmblick oder der Ausbildung eines Sektenblicks vorzubeugen, wie er sich unzweifelhaft dann einstellt, wenn man immer im selben Schutzraum, immer im Kontakt mit denselben Leuten und ohne jede Form von Konfrontation mit anderen Menschen eingesperrt ist.

Schließlich ist für Urteilsfähigkeit noch die Kenntnis einer bestimmten Methode notwendig, einer Methode der Informationsgewinnung, der Informationsabwägung und vor allem der Informationsprüfung, wie man sie nur erwerben kann, wenn man über entsprechende Lebenserfahrung verfügt, die mit ausreichend Erfahrung einhergeht, die wiederum in vielfältigen Bereichen der Gesellschaft gewonnen wurde, oder durch das Erlernen und der Ausübung einer wissenschaftlichen Methode oder einer gleichwertigen Methode möglich ist, die die Auswahl, Gewichtung und Prüfung von Daten und Informationen zum Gegenstand hat.

Das sind die Mindestvoraussetzungen, um Urteilsfähigkeit zu entwickeln.

Von einem Abgeordneten im Bundestag, der Gesetze für Bürger mit verabschieden will, muss man zudem erwarten, dass er mit unterschiedlichen Lebensumständen unterschiedlicher Menschen vertraut ist, so dass er einschätzen kann, was eine bestimmte Regelung an Konsequenzen für z.B. einen Arbeiterhaushalt mit sich bringt. Nur so ist ideologische Verblendung und Abhängigkeit wie sie sich notwendig dann einstellt, wenn Parteisoldaten in Parlamente gelangen, die außer Parteiarbeit, Parteimitgliedern, Parteispenden und Parteigehalt nichts kennen, vermeidbar.

Bilden Sie sich vor diesem Hintergrund ein Urteil über die vier jungen Bundestagsabgeordneten, die in der ARD heute, eben wegen ihres Alters gefeiert werden, ganz so, als wäre geringes Lebensalter ein Wert an sich.

Was ist von den vier Abgeordneten, von Jakob Blankenburg, Emilia Fester, Merle Spellerberg und Jens Teutrine, die alle über Landeslisten in den Bundestag eingezogen sind, vor diesem Hintergrund zu erwarten? Wir haben die Biographien der vier Neu-Abgeordneten auf der Seite des Bundestages zur Beantwortung dieser Frage herangezogen.


Jakob Blankenburg, SPD

Geboren am 5. August 1997 in Uelzen; ledig.
2015 bis 2021 Studium der Politikwissenschaft, Leibniz Universität Hannover.
Februar 2016 bis August 2017 – Studentischer Mitarbeiter bei Kirsten Lühmann, MdB.
Februar 2019 bis Juli 2019 – Digital Campaigns and Strategy, Cosmonauts and Kings GmbH (Vollzeit);
Juli 2019 bis Dezember 2019 – Online- Kommunikation und Social Media für den Oberbürgermeisterwahlkampf, SPD-Stadtverband Hannover (Vollzeit);
seit Januar 2020 – Freiberufliche Tätigkeit als Berater für OnlineKommunikation;
2020 bis 2021 – Social Media Manager, SPD Landtagsfraktion Niedersachsen;
seit 2021 Pressereferent, SPD Landtagsfraktion Niedersachsen.
2016 bis 2021 – Abgeordneter im Kreistag Uelzen und Ratsherr der Einheitsgemeinde Bienenbüttel;
2017 bis 2021 – Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des SPD-Unterbezirks Uelzen/ Lüchow-Dannenberg;
seit 2018 Mitglied im Landesvorstand der SPD Niedersachsen;
seit 2017 Landesvorsitzender der Jusos Niedersachsen;
2019 bis 2021 – stellvertretender Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Uelzen/LüchowDannenberg;
seit 2021 Mitglied im Präsidium der SPD Niedersachsen.
Seit 2016 Initiator des jährlichen Aufstehen gegen Rassismus Festivals in Uelzen und Vorsitzender des Trägervereins Uelzen bleibt bunt e. V


Emilia Fester

Geboren am 28. April 1998
2017 – Abitur (1,3)
2014 bis 2016 – Künstlerische Leitung des Jugendkollektivs SALTOKUFFchens;
2014 bis 2017 – Initiation und Projektleitung der AGENDI-Reihe, jährliche Jugend-Improtheater-Workshopcamps;
2017 – Mitspielerin im Theaterstück „zweikummernull“ von TheaterMatz für Kinder;
2018 – Regiehospitanz bei Julia Hart;
2018 – Regieassistenz bei Susanne Reifenrath und Meyer&Kowski;
2017 bis 2019 – Spielfilmproduzentin „SVEN“;
2018 bis 2019 – Regieassistentin und Stage-Hand am Jungen Schauspielhaus Hamburg.

Seit 2016 Mitglied Bündnis 90/DIE GRÜNEN und GRÜNE JUGEND;
2016 – Mitglied des GRÜNEN Ortsvorstandes in Hildesheim;
2017 – Beisitzerin im Landesvorstand & Wahlkampfteam (GRÜNE JUGEND Niedersachsen);
2018 – Landessprecherin sowie Mitglied im Wahlkampfteam GRÜNE JUGEND Hamburg.
Seit 2019 Mitglied des GRÜNEN Landesvorstandes und frauenpolitische Sprecherin in Hamburg;
2020 – Mitglied der GRÜNEN Verhandlungskommission zu den Koalitionsverhandlungen Hamburg;
2020/2021 Bundestagskandidatin auf Platz 3 der GRÜNEN Landesliste Hamburg.


Merle Spellerberg, Bündnis90/Grüne
Biografie:

Geboren am 13. November 1996 in Höxter; ledig.
Studentin
[Anmerkung der Redaktion: Die biografischen Angaben beruhen auf den Selbstauskünften der
Abgeordneten.] Gewählt über Landesliste


Jens Teutrine, FDP

Geboren am 22. Oktober 1993 in Gütersloh; römisch-katholisch; ledig.

Abitur am Wirtschaftsgymnasium Reinhard-Mohn-Berufskolleg;
Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften an der Universität Bielefeld und daneben Nachtwache in der Demenzbetreuung und als Mitarbeiter im Baumarkt. Zuletzt Seminarleiter für politische Bildung und Hilfskraft für einen Bundestagsabgeordneten.

2009 – Eintritt in die Jungen Liberalen.
2015 bis 2017 – Bezirksvorsitzender der Jungen Liberalen in Ostwestfalen-Lippe.
2017 – stellvertretender Landesvorsitzender;
2018 – Landesvorsitzender der Jungen Liberalen Nordrhein-Westfalen;
2020 – Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen.
Seit 2021 Mitglied im FDP-Bundesvorstand sowie im FDP-Landesvorstand NRW.

Gewählt über Landesliste


Keiner der vier Neu-Abgeordneten hat eine Berufsausbildung.
Zwei der vier Neu-Abgeordneten haben ein abgeschlossenes Studium.
Zwei von vier Neu-Abgeordneten haben rudimentäre Berufserfahrung in einer Ausbildung gesammelt.
Drei von vier Neu-Abgeordneten, für die Informationen vorliegen, haben sich ausschließlich in einem ideologischen Schutzraum aufgehalten, ihre Wahl innerparteilichem Mentoring und vermutich einer innerparteilichen Quote sowie dem Platz auf der Landesliste zu verdanken.
Keiner der vier Neu-Abgeordneten hat irgendeine Kompetenz, die ihn als Inhaber einer Fähigkeit ausweist.

Man kann natürlich nicht ausschließen, dass alle vier Neu-Abgeordneten im Verlauf ihres Abgeordnetendaseins lernen und in ihre Rolle als Abgeordneter zumindest ansatzweise hineinwachsen. Indes ist ein Parlament keine Nachhilfe-Institution, keine Schule und auch keine Hochschule, sondern ein Ort, an dem in der Idealvorstellung gereifte Personen zusammentreffen, um auf Grundlage ihrer Fähigkeit, sich ein eigenständiges Urteil zu bilden, Entscheidungen zu treffen, die den Nutzen der Gesellschaft mehren. Parlamente sind definitiv KEINE Orte, an denen Auszubildende aufgenommen werden, in der Hoffnung, dass sie nach ein paar Jahren vielleicht die Fähigkeiten aufzuweisen haben, die eigentlich Voraussetzung dafür sein sollten, um in die Position eines Abgeordneten zu gelangen.

Dies ist bei allen vieren, die wir hier berücksichtigt haben, der Fall, alle vier sind bestenfalls Abgeordneten-Azubis.
Alle vier Neu-Abgeordneten sind deshalb Ausdruck einer schon seit Jahren in Deutschland fortschreitenden Entprofessionalisierung, die von einer markanten Infantilisierung begleitet wird.
Von all dem ist vielleich am erschreckendsten, dass es sich die vier Neu-Abgeordneten tatsächlich zutrauen, Entscheidungen zum Wohle der Bundesbürger zu treffen. Das ist letztlich der beste Beleg dafür, dass sie nicht über die Erfahrung verfügen, die notwendig ist, um ein Abgeordneter in einem Parlament zu sein.



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