Die Metamorphose vom “Komiker” zur Lichtgestalt: Wolodymyr Selenskij in der Propaganda des Staatsfunks

Wurde wieder ein neues Massengrab entdeckt?
Gibt es neue Berichte über russissche Kriegsverbrechen?
Gibt es neue Leichensäcke, die man offenkundig tagelang – samt Inhalt – auf der Straße liegen lassen kann, um einen PR-Shoot zu inszenieren, bei dem dann alle ganz betroffen dreinblicken können, etwa so:

Haben Sie auch das Gefühlt, dass dann, wenn es um die Ukraine geht, im Staatsfunk der Bogen der Verlogenheit in eine ganz neue Qualität von Staatspropaganda überführt wird? Wohlgemerkt, wir sagen nicht, Putin ist der Gute und Selenskij der Böse. Zu denken, die Welt ließe sich in schwarz-weiß einteilen, zeugt von erheblicher Denkbehinderung. In der Ukraine herrscht Krieg, nicht erst seit 2022, sondern seit Jahren. Krieg ist ein Mittel, Interessenkonflikte zu lösen, die wiederum gegensätzliche Interessen voraussetzen und von Leuten, die in einem Krieg enden, weil sie ihre Konflikte friedlich nicht lösen konnten, von denen kann man nicht erwarten, dass sie plötzlich zu ehrlichen Gesellen werden, die ihre Sicht der Dinge unter Würdigung der berechtigten Sichtweise des Gegenübers darstellen. Und weil dem so ist, ist das, was die ARD-tagesschau ihren Konsumenten seit Wochen zumutet nicht mit Journalismus, wohl aber mit Propaganda in Einklang zu bringen.

Diener des Volkes?

Das neueste Beispiel, das in seiner einfältigen Dummheit jedem Fass den Boden ausschlägt, liest sich so:

“Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist mit der russischen Politik der Tatsachenleugnung hart ins Gericht gegangen. Während die Ukraine bemüht sei, “jeden Bastard, der unter russischer Flagge in unser Land gekommen ist und unsere Leute getötet hat”, zur Rechenschaft zu bringen, versuche Russland, sich aus der Verantwortung zu stehlen, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache. “Was macht Russland? Was tun seine Beamten, seine Propagandisten und die einfachen Leute, die nur wiederholen, was sie im Fernsehen gehört haben?”, so Selenskyj.Selenskyj verwies auf die selektive Wahrheitsfindung der staatlich kontrollierten russischen Medien. “Sie rechtfertigen sich und dementieren. Sie weisen jede Verantwortung von sich. Sie lügen”, sagte er weiter.”

Derjenige, der hier in der ARD-tagesschau so martialisch, bastardisierend zitiert wird, der Russland vorwirft, selektive Wahrheitsfindung zu betreiben, übt sich seinerseits in selektiver Wahrheitsfindung, und den Schreiberlingen der ARD-tagesschau fällt dazu nichts ein. Sie reichen durch. Sie inzenieren mit, machen aus dem “Komiker” oder dem “Komiker und Schauspieler”, der Selenskij für die ARD noch vor kurzem war, eine Lichtgestalt deren Leumund außer Frage stehe, einen Jünger der Wahrheit, wie man ihn in Fernseh-Schnulzen, aber nicht in der Realität und schon gar nicht auf politischen Parkett findet.

Aber hier schließen sich die Kreise.

Machen wir eine kurze Zeitreise ins Jahr 2019, dem Jahr, in dem Wladimir Selenski oder Wladimir Selenskij, wie er damals für die ARD noch hieß, als Präsident der Ukraine gewählt wurde, ein Amt, das er aus dem FF kennt. Schon in den Jahren zuvor, war Waldimir Selenski (mit und ohne j) Präsident der Ukraine, und zwar in der Fernsehsendung “Diener des Volkes”. Ein Titel, den Selenski nach seiner Wahl zum Präsidenten der Ukraine und nachdem er das Parlament aufgelöst hat, sicher nicht zufällig als Namen seiner neuen Partei gewählt hat. In “Diener des Volkes” [der TV-Serie] spielt Selenski einen Schullehrer, der überraschend zum Präsidenten gewählt wird, er spielt eine ehrliche Haut, einen nicht korrumpierbaren Menschen, einen Kämpfer für den Frieden und die kleinen Leute, einen Guten, der gegen die Bösen, die Oligarchen, die Korrupten zufelde zieht. Er spielt genau die Figuer, als die er heute in der ARD-tagesschau inszeniert wird. Die Grenzen zwischen Kunstfigur und realem Präsidenten Selenski, sie sind bei der ARD-tagesschau mittlerweile verschwunden, obschon sie 2019 noch bekannt waren:

Noch am 29.3.2019, kurz vor der Präsidentschaftswahl, wird Selenski in den ARD-tagesthemen als Kandidat, der “eigentlich ein Schauspieler” sei, vorgestellt, als ein Kandidat ohne politisches Programm, der einzig darauf setze, keiner des Establishments zu sein, ein POPULIST, der versucht, die Kunstfigur aus dem Fernsehen, in die Realität zu übertragen. Selenskij, dieses Mal in seiner Z-Version: Zelenskij, gilt der ARD-tagesschau am 28.3.2019 als Populist [fehlt noch das rechts zum öffentlich-rechtlichen Todesurteil] und Julia Timoschenko, die als einzige der Kandidaten für die Präsidentschaft in der Ukraine, von der ARD ein Forum geboten bekommt, darf ihn als “zufälligen Menschen”, der sich nationatlistische und linke Ideen, man könnte von einem neuen Nationalsozialismus sprechen, zunutze machen will, bezeichnen:

“”Die Ukraine hat ein weises Volk.”

Ruck: Populistische Kandidaten sind vielerorts erfolgreich. Auch die Ukraine hat jetzt einen, Wladimir Zelenskij. In den Umfragen führt er. Wie erklären Sie sich das?

Timoschenko: Überall in der Welt reagieren die Leute auf Ungerechtigkeit – weil Politiker das Volk immer weniger respektieren. Es ist eine Krise der Demokratie.

In vielen Ländern gibt es jetzt Tendenzen zu linken Ansichten und Ideen. Gleichzeitig wendet man sich nationalistischen Parteien zu. Und wir sehen eine Verschmelzung linker und nationalistischer Ideen. Das gab es früher nicht. Dies sind Signale, die die Leute senden: Sie wollen gerechtere Lebensbedingungen. Wir sollten ihren Nöten viel mehr Beachtung schenken, das Verhältnis von globalem und nationalem Wohlstand anschauen – und die großen Unterschiede bei den Einkommen.

Die Ungerechtigkeit ist so groß, dass sie diese Reaktion gegen Politiker hervorbringt. Und dann haben zufällige Menschen in der Politik plötzlich große Resonanz. Aber ich denke, am Wahltag wird jeder Einzelne statt eines Witzes reale Lösungen wählen. Für das Land, für seine Kinder und Familie. Die Ukraine hat ein weises Volk. Es hat gelitten für sein Recht auf Freiheit und Demokratie. Ich denke, die Ukrainer werden vernünftig wählen.

Die Hoffnung von Timoschenko, die sich die ARD-tagesschau hier zueigen gemacht hat [in der Zwischenüberschrift], hat sich bekanntlich nicht erfüllt. Aber mit ihrer Fehleinschätzung steht Timoschenko nicht alleine. In einem Beitrag vom 18.2.2019 kommt “Osteuropa Experte” Wilfried Jilge zu Wort, und zwar unter der Überschrift “Neuling mit Unterhaltungswert”, eine der unter pseudo-Intellektuellen verbreiteten Form der hintenrum Derogation, die in diesem Fall Selenskij gilt. Osteuropa-Experte Jilge verewigt sich im Interview mit der Einschätzung, dass Poroschenko, der zu diesem Zeitpunkt “Noch-Präsident” der Ukraine, so er es in die Stichwahl gegen Selenskij schaffe, vermutlich gewinnen werde, weil: wer will schon einen Neuling wählen?

“tagesschau24: In Kürze wird in der Ukraine gewählt. Präsident Petro Poroschenko muss um seine Wiederwahl kämpfen. Wie stehen seine Chancen?

Jilge: Das ist sehr schwer zu sagen. Poroschenkos Chancen sind nicht so hoch. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass er zumindest als Zweiter in die Stichwahl kommt. Wir müssen davon ausgehen, dass keiner der Kandidaten in der ersten Runde eine absolute Mehrheit schafft. Wir haben ja zurzeit das Phänomen, dass mit Wladimir Selenski ein politischer Neuling, der eher im Unterhaltungswesen bekannt ist, die Umfragen klar anführt. Dahinter konkurriert Poroschenko mit seiner Rivalin Julia Timoschenko. Kommt Poroschenko in die zweite Runde, hat er gewisse Chancen zu gewinnen. Viele Ukrainer sagen dann möglicherweise: Bei dem Neuling wissen wir nicht, was kommt, und bei Poroschenko wird es vielleicht nicht viel besser werden, aber es wird auch keinen bedeutenden Rückschritt geben.

Offenkundig wollen die Ukrainer einen “Neuling” wählen, ein Verhalten, mit dem man bei der ARD-tagesschau, Staatspropaganda steht immer auf der Seite der Machtinhaber, jedenfalls in den Ländern, die der eigenen Clique zugerechnet werden, erhebliche Schwierigkeiten hat. Wladimir Selenskij bleibt “früherer Schauspieler und Komiker (18. Juni 2019)”

Die Derogation der heutigen Lichtgestalt ist kein Einzelfall, sie ist Sprachregelung. Der “Komiker Selenskij” liegt vor “Amtsinhaber Poroschenko” [Bericht vom 31.3.2019]

Der “Newcomer” ist weiterhin “Schauspieler” ohne Mehrheit und so einfach, wie er gedacht hat, der Mann ohne politisches Programm, ohne politische Erfahrung …, ist es nicht. [Bericht vom 20.5.2019]

Erst als sich die Situation in der Ukraine zuspitzt, mutiert der Newcomer, der Komiker, der Schauspieler Selenskij von Wladimir Selenski über Wladimir Selenskij, zu Wolodymyr Selenskij, zur Lichtgestalt des Kampfes der freien Guten gegen den bösen Putin und seit die ARD-tagesschau darauf verzichtet, den Zusatz “Komiker und Schauspieler” anzufügen, seitdem haben wir das Gefühl, zumindest einem Schauspiel beizuwohnen, keiner Komödie, eher einer Tragödie, aber einer, in der die Propaganda generalstabsmäßig geplant ist, bis hin zum Foto der Zombies mit Leichensäcken, das man an Geschmacklosigkeit nicht mehr überbieten kann.

All das erinnert nicht einmal entfernt an Journalismus, denn Journalismus versucht GERADE in Konfliktsituationen beide Seiten einer Medaille darzustellen, es erinnert an plumpe Propaganda übelster Sorte, wie sie von Leuten inszeniert wird, die den Film im Krieg drehen, nicht den Krieg filmen, die mehr Wert auf Erscheinung legen als auf Gehalt, denken, man könne Bürger auf Dauer mit emotionalisiert-einseitigen Berichten durch die Manege führen.

Man sollte daher, mit Blick auf die ARD-tagesschau und ZDF-heute von Staatspropaganda sprechen und die dort Beschäftigten nicht mehr irrtümlich als Journalisten bezeichnen, denn das sind sie nicht. Dazu fehlt ihnen das moralische Rüstzeug und die Kompetenz. Sie sind einfache Propagandisten, die sich an ihren Staat verkauft haben und durchreichen, was man ihnen an Inszenierung durchzureichen gibt.

Um auf unsere eingangs gestellte Frage zurückzukommen. Das nächste Massengrab ist in Vorbereitung. Die Dreharbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Die Toten, die es in einem Krieg immer gibt, deshalb ist von Krieg die Rede, sie müssen noch ordentlich drapiert, die Umgebung noch kriegerisch hergerichtet werden. Krieg ist ein dreckiges Geschäft, eines, unter dem viele leiden, das liegt in der Natur der Sache, so wie es in der Natur der Sache liegt, dass moderne Kriege vor allem Propagandaschlachten sind, bei denen man das Potential an Bösartigkeit, das die Vertreter beider Seiten treibt, die jeweils Guten wie die jeweils Bösen, nicht unterschätzen soll.



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