Deutschland: Eine Parteiendiktatur?

Demokratien erkennt man daran, dass es möglich ist, die Regierung ohne Blutvergießen, zumeist durch Wahlen, loszuwerden. Und, so haben wir vor einiger Zeit angefügt, man erkennt sie daran, dass im Falle eines Regierungswechsels auch ein Politikwechsel stattfindet.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Frage aufgeworfen, ob Deutschland noch als Demokratie angesehen werden kann, denn

  1. die Regierung loszuwerden, ist aufgrund der Möglichkeit, sich über wechselnde Koalitionspartner an der Macht zu halten, sehr gering.
  2. Selbst wenn es gelingt, die Regierung loszuwerden, ist damit nicht notwendig ein Politikwechsel verbunden. Der zentripetale Wettbewerb zwischen Parteien in Deutschland hat dazu geführt, dass sich die Parteiprogramme und entsprechend die Politiken, die umgesetzt werden sollen, kaum mehr unterscheiden. Es macht also nicht wirklich einen Unterschied, ob CDU und SPD, CDU und Grüne, SPD und Grüne oder CDU und FDP mit einander regieren: Die Windräder sind dieselben, die Zensur ist dieselbe, die Inkompetenz ist dieselbe.

Im Jahre 2000 ist unter dem Titel “Democracy and Development: Political Institutions and Well-being in the World 1950-1990” bei Cambridge University Press ein Buch erschienen, das Adam Przeworski (der große alte, weiße Mann der international vergleichenden Politikwissenschaft), Michael E. Alvarez, José Antonio Cheibub und Fernando Limongi verfasst haben.

In diesem Buch findet sich auf Seite 52 die folgende Tabelle 3.6, die darstellt, wie oft in der Geschichte Regierungswechsel oder ein Austausch des jeweiligen Führers stattgefunden haben. Die Ergebnisse basieren auf den Daten für 141 Länder, für die wiederum 4662 Beobachtungsjahre vorhanden sind.

Wie die Tabelle zeigt, findet in Demokratien im Schnitt alle 3,48 Jahre ein Wechsel der Regierung oder des Regierungschefs statt. Da es Demokratien in unterschiedlicher Ausformung gibt, unterscheiden die Autoren zwischen einer parlamentarischen Demokratie (Vereinigtes Königreich), einer präsidentiellen Demokratie (USA) und einem Mix aus beidem (Frankreich). Am häufigsten findet ein Austausch des Regierungschefs in Mischsystemen also z.B. in semi-präsidentiellen Systemen statt. Im Durchschnitt alle 2 Jahre gibt es hier einen neuen Regierungschef.

Betrachtet man nun Deutschland als angebliche parlamentarische Demokratie, dann ergeben sich zunächst einmal die folgenden Daten:

Bundeskanzler Amtszeit Dauer
Konrad Adenauer 1949-1963 14 Jahre
Ludwig Erhard 1963-1966 3 Jahre
Kurt-Georg Kiesinger 1966-1969 3 Jahre
Willy Brandt 1969-1974 5 Jahre
Helmut Schmidt 1974-1982 8 Jahre
Helmut Kohl 1982-1998 16 Jahre
Gerhard Schröder 1998-2005 7 Jahre
Angela Merkel 2005-2021 16 Jahre

Die durchschnittliche Amtszeit eines deutschen Bundeskanzlers beträgt 9 Jahre und liegt somit deutlich über der Amtszeit für Regierungschefs in parlamentarischen Demokratien, wie sie von Przeworski et al. (2000) mit 3,77 Jahren berechnet wurde.
Die durchschnittliche Amtszeit deutscher Bundeskanzler korrespondiert eher mit der durchschnittlichen Amtszeit eines Diktators, der einer bürokratischen Diktatur (Bur in der Tabelle) vorsteht.

Somit gibt es ein weiteres Indiz dafür, dass Deutschland realiter keine parlamentarische Demokratie, sondern eher das ist, was man als Parteiendiktatur beschreibt: Die Herrschaft von Parteienbürokratien über einen weiten Teil des gesellschaftlichen Lebens.

Przeworski, Adam, Alvarez, Michael E., Cheibub, José Antonio & Limongi, Fernando (2000). Democracy and Development: Political Institutions and Well-Being in the World, 1950-1990. Cambridge: Cambridge University Press.


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