“Komm’ wir zelebrieren unsere Menschenverachtung”: Warum Flüchlinge relevanter sind als schon länger hier Mietende

Der Eigenbetrieb der Stadt Lörrach, “Wohnbau Lörrach” hat 40 Mietparteien die Kündigung angekündigt, um in den Wohnungen, aus denen die 40 Mietparteien ausgetrieben werden, Flüchtinge aus der Ukraine unterbringen zu können. Man werde, so bekundet “Wohnbau Lörrach” in dem Ankündigungsschreiben der Kündigung, “alternativen geeigneten Wohnraum anbieten” und beim “Umzug unterstützen”.

Diese Ankündigung kann zweierlei sein: Eine Lüge oder ein Eingeständnis, dass es “geeigneten Wohnraum”, also Leerstand gibt, der indes nicht für Flüchtlinge, sondern nur für die Bewohner der Lörracher Wölblinstraße geeignet ist, denen ihr Mietverhältnis über für sie derzeit ebenfalls geeignetem Wohnraum gekündigt wird. Lörracher Mieter der Wohnbau “Lörrach” müssen somit aus für sie und Flüchtlinge geeigneten Wohnungen ausziehen, damit die Flüchtlinge einziehen können, die wiederum in die Wohnungen, in die die ausziehenden Mieter verbracht werden, nicht einziehen können, weil sie nur für die Ausziehenden, nicht jedoch für Flüchtlinge geeignet sind.

Man fragt sich, welche Merkmale einer Wohnung sie als “flüchtlingsgeeignet” auszeichnen.

Wie dem auch sei, der Vorfall, der sehr anschaulich zeigt, wie es Mietern öffentlicher Vermieter geht und die Abstimmung in Berlin über die Enteignung von “Deutsche Wohnen” in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt, hat uns veranlasst, die Sache etwas grundlegender anzugehen, und zwar auf Basis von Empathie.

E M P A T H I E: [Lexikon der Soziologie]

“… starke, engagierte Teilnahme; die Eigenschaft eines Individuums (insbesondere in entwickelten Industriegesellschaften, in denen zeitweilig oder dauerhaft wechselnde Interaktionsbeziehungen zwischen einer Vielzahl von Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen die Regel sind), bruchlos und aufgeschlossen neue soziale Rollen zu übernehmen und internalisieren zu können, persönliche mit fremden Wertvorstellungen kompromißhaft zu integrieren. Es setzt mithin charakterliche Dynamik, Einfühlungsvermögen, Sich-Hineinversetzen können in die Situation anderer voraus”.

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Wer hätte gedacht, dass Empathie, die eine Voraussetzung für das Funktionieren von Kooperationsbeziehungen ist, die wiederum die Grundlage von Gesellschaften darstellen, Gesellschaften erst funktional werden lassen, einmal zu den Dingen gehört, die in Vergessenheit geraten, dass Empathie zu einem Konzept wird, das dem Narzissmus, der Hybris und der Herrschsucht kleiner Friedrich Suhrs weichen muss, die Freude daran finden, Menschen zu objektivieren und gleich den Figuren eines Spielbretts nach Belieben zu verschieben.

Empathie verlangt die Fähigkeit, sich in die Situation anderer versetzen zu können, eine Fähigkeit, die zudem um die Bewertung derselben ergänzt werden muss, nicht in der Weise, wie dies Edward E. Evans-Pritchard einst getan hat: “Wenn ich ein Pferd wäre, würde mir dann Heu schmecken?”, sondern in der Weise, die von Herbert Mead in seinem Konzept des Looking Glas Self beschrieben wurde: Wenn ich mich in die Situation von Menschen versetze, die seit mehreren Jahren in einer Mietswohnung leben, wie würde ich mich fühlen, wenn mir gekündigt würde? Und wie würde ich mich fühlen, wenn diese Kündigung Knall auf Fall und ohne Vorwarnung erfolgt?

Man würde denken, Empathie zu empfinden, in der Lage zu sein, sich vorzustellen, dass eine plötzliche Kündigung der eigenen Wohnung durch einen kommunalen Vermieter, wie dies in Lörrach geschehen ist, bei den Betroffenen zunächst einmal Erschrecken, ob der demonstrierten Verfügungsgewalt Anderer über die eigene Person auslöst, dem im nächsten Schritt Existenzangst folgt. Insofern würde man weiter denken, dass die Kündigung einer Wohnung, die sich in kommunalem Eigentum befinden und entsprechend denen gehört, die in der Kommune leben und dort ihren Beitrag zum örtlichen Steueraufkommen bei”steuern”, das letzte Mittel ist, das dann eingesetzt wird, wenn demjenigen, der die Wohnung bewohnt, GEFAHR durch z.B. Baufälligkeit droht [sofern kein eklatanter Missbrauch der Wohnung durch den Mieter vorliegt, was man bei Reihenkündigungen wie in Lörrach, die 40 Mieter betreffen, ausschließen kann].

Indes, Empathie ist im Zeitalter der ideologischen Überzeugungstäter, deren Hybris von Narzissmus und gutmenschlicher Profilierungssucht angetrieben wird, nicht mehr möglich, denn es gibt wichtigere Gründe als das Wohlergehen INDIVIDUELLER Menschen.

  • Es gibt Verpflichtungen “der Kommune” gegenüber “dem Staat”.
  • Es gibt kommunale Angestellte, die sich wichtigtun müssen, um ihre sonstigen Defizite zu überdecken.
  • Es gibt ideologische Missionen, die – notfalls über rauchende Schutthalden – verfolgt und erfolgreich beendet werden müssen.

Kurz: Alles ist wichtiger als das individuelle Wohlergehen der eigenen Bürger, die objektiviert, entmenschlicht und nach Belieben verschoben werden, wie Figuren auf dem Schachbrett.

Was indes noch erschreckender ist als der Mangel an Empathie in der Stadtverwaltung von Lörrach, in der man sich nicht vorstellen kann, dass es Leute gibt, die man nicht einfach mit ERSATZ für ihren bisherigen Lebensmittelpunkt ABSPEISEN kann, ist die Reaktion der Systempresse. Dass bei der Badischen Zeitung und bei t-Online offenkundig nur Pawlowsche Konditionierte schreiben, denen zu allem, was einer vorgegebenen Richtlinie widerspricht, nur einfällt, von rechts, rechtsradikal oder rechtsextrem zu schreiben, das ist das eine, dass bei t-online Leute schreiben, deren Urteilsvermögen nicht über den eigenen Nasenrücken hinausreicht, ist das andere.

“Den Mieterinnen und Mietern in der Lörracher Wölblinstraße will die Wohnbau Lörrach in Kürze “modernere und bezahlbare” Wohnraumangebote unterbreiten. Die Aufregung im Netz erscheint damit etwas übertrieben. Am 27. Februar informiert die Wohnbau Lörrach auf einer Veranstaltung über die Unterbringung der Geflüchteten in der Wölblinstraße und darüber, wie es für die betroffenen 40 Mieterinnen und Mieter weitergeht.”

Alles nicht so schlimm?

Wie wäre es wohl, wenn dem namenlosen Schreiber bei t-online die Wohnung gekündigt würde, und zwar mit dem Hinweis, man werde ihm dabei helfen, eine neue Wohnung zu finden, die er dann beziehen kann oder nicht. Und wenn er sie nicht bezieht, dann ist er auf sich selbst gestellt. Immerhin hat man ihm geholfen. Aber er wollte nicht. Diese Idee, dass die Wohnung, die bezogen wird, demjenigen, der sie bezieht, zu gefallen hat, sie ist ohnehin nicht mehr zeitgemäß. Wohnraum wird wieder zugewiesen. Wem es nicht passt, der kann ja auf der Straße schlafen. Aber mit all dem hat der Schreiber bei t-Online sicher kein Problem, weshalb er freudig seine eigene Wohnung zur Verfügung stellen wird, damit Flüchtlinge einquartiert werden können, während ihm eine Wohnung, die wem auch immer, nur ihm nicht, passend erscheint, zugewiesen wird.

Oder hätte der Schreiber bei t-Online damit ein Problem, nun, da es ihn selbst betrifft, während er keinerlei Probleme hat, wenn das Geschilderte anderen widerfährt?

Das war eine Übung in Empathie.
Who feels it knows it all.

Interessant übrigens, dass in Lörrach zwar genügend Wohnungen vorhanden sind, um die 40 Mietparteien aus der Wölblinstraße aus und in anderen Wohnungen wieder einzuquartieren, aber die Verantwortlichen der Wohnbau Lörrach dennoch der Ansicht sind, aktuelle Bewohner ausquartieren zu müssen, um sie umzuquartieren, damit man Flüchtlinge einquartieren kann, in die Wohnungen der Auszuquartierenden, nicht in die, in die die Ausquartierten umquartiert werden.

Indes wird für denjenigen, der es nachlesen will, das Grundproblem groß und breit auf der Seite der Stadt Lörrach erklärt.

Zumindest die Flüchtlinge aus der Ukraine haben dem schwierigen Wohnungsmarkt in Lörrach erfolgreich getrotzt.

Ob das den Ausquartierten auch gelingt, ist derzeit noch eine offene Frage, denn obschon klar ist, wo die Flüchtlinge einquartiert werden, ist vollkommen unklar, wohin die derzeitigen Bewohner der designierten Flüchtlingswohnungen in Lörrach umquartiert werden, sicher ist nur, dass sie ausquartiert werden.

Die Prioritäten bei Stadt und Wohnbau Lörrach sind damit eindeutig beschrieben.


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