1923: Die Dummheit ist Analogie geworden

Ein selten dämliches Stück öffentlich-rechtlichen Unfugs.
Von Paula Lochte.

Hitler-Ludendorff-Putsch, 1923; Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R09876 / CC BY-SA 3.0 de,

“Adolf Hitler greift zur Pistole und schießt in die Decke des Bürgerbräukellers in München. So verschafft er sich Gehör. [Er steigt zudem auf einen Stuhl, weil er bekanntlich nicht der Größte war.] Es ist der Abend des 8. November 1923. Der Beginn des Hitlerputsches. Im Bierkeller [im Bürgerbräukeller] halten Teile der bayerischen Staatsregierung gerade eine Versammlung ab. Hitler zwingt sie, ihn zu unterstützen: Er will die Demokratie in Deutschland stürzen [Die Bayerische Staatsregierung hatte sich gerade von Berlin, also dem Sitz der “Demokratie” in der Weimarer Republik losgesagt und den Ausnahmezustand verhängt. Die Versammlung dient der Erklärung. Aber dazu gleich]

100 Jahre später: Laut einer im September 2023 veröffentlichten Studie befürworten mehr als sechs Prozent der Menschen in Deutschland eine Diktatur. Gibt es Parallelen zwischen der Weimarer Republik und heute, zwischen 1923 und 2023?”

“Wirtschaftskrisen wirken damals wie heute radikalisierend”, so Historiker Rabe. Abstiegsängste nähren die Sehnsucht nach einfachen Antworten und Erlöserfiguren. Und sie wirken in politischen Diskussionen polarisierend.”

[…]

“Ein Aufstand des ganzen Volkes, ein Bürgerkrieg schien unvermeidlich”, notierte damals etwa die Journalistin und überzeugte Demokratin Paula Schlier. Dem Hitlerputsch voraus ging eine soziale Not, die Zweifel am politischen System säte.

[…]

Den Jahren 1923 und 2023 gemeinsam ist das Gefühl, in mehreren Krisen gleichzeitig zu stecken. Neben wirtschaftlichen Krisen sind dies heute beispielsweise die Klimakrise, die gerade erst überwundene Corona-Krise, der Krieg in Europa – und nun auch wieder im Nahen Osten. “Ein solches Krisengefühl war auch in der Weimarer Republik deutlich zu spüren”, so Historiker Rabe [Rabe war dabei!!!]. Neben der Wirtschaftskrise waren es damals die Folgen des Ersten Weltkriegs oder auch das Erstarken des Faschismus im Nachbarland Italien [Damals standen die Säcke in Italien, heute stehen sie in China, die Säcke voller Reis].

[…]

Vor 100 Jahren jubelten Tausende den menschenverachtenden Parolen Hitlers und der von ihm geführten NSDAP zu. [Der Zug durch München wurde von Ludendorff, nicht von Hitler angeführt. Beide marschierten zwar in zivil in der ersten Reihe, aber Ludendorff hatte die Logistik in Händen und befehligte seine Einheit.] “Die Straßen waren schwarz vor eilenden Menschen” [Das waren Schaulustige!], erinnert sich die Autorin Schlier an jene Abende im München der 1920er-Jahre, an denen Adolf Hitler in einem der vielen Bräuhäuser eine Rede hielt.

[…]

Und heute? “Der rechte Rand wird lauter und die Unterstützung für die Demokratie schwindet”, sagt Historiker Rabe.

[…]

Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Oktober erzielte die AfD jeweils wieder zweistellige Ergebnisse und wurde dort erstmals Oppositionsführerin.

[…]

Der Vergleich der Jahre 1923 und 2023 taugt als Warnhinweis”, sagt Historiker Rabe.”

Das Bemühen, das Jahr 1923 zum Jahr des “Hitler-Putsches” zu machen und die NSDAP mit der AfD gleichzusetzen, ist nicht zu übersehen, und es ist so dämlich wie geschichtsklitternd.

Erich Ludendorff; Quelle: Alexander Binder

Kennen sie Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff, seines Zeichens ein General der Deutschen Reichswehr im Ersten Weltkrieg und Mitheld der Schlacht bei Tannenberg, die seinen Chef, Paul von Hindenburg zu späten politischen Ehren hat kommen lassen, damals im Jahre 1925 als er gegen Wilhelm Marx, den Kopf der Weimarer Koalition, in direkter Wahl siegreich das Wahlfeld verlassen hat. Jenem Paul von Hindenburg, auf dem im Jahre 1932 alle Hoffnungen demokratischer Parteien, man möge doch einen Reichspräsidenten Adolf Hitler vermeiden, ruhten, und der sie nicht enttäuscht hat. Zum Dank wird sein Name heute von den besonders guten, wennglich bar jeder Lebensleistung-Linken von öffentlichen Plätzen und Straßen getilgt.

Doch zurück zu Ludendorff. Ludendorff war in der Weimarer Republik und bis zu zu seinem Tod am 20. Dezember 1937 eine schillernde Figur, eine, deren Namen heute ebenfalls getilgt wird, was ihn, einen der beiden Anführer dessen, was heute nur noch als Hitler-Putsch firmiert, um seinen rechtmäßigen Anteil an 20 Todesopfern, die sein Marsch durch München zum Ergebnis hatte, 15 Marschierer, 4 Polizeibeamte und ein Schaulustiger bringt. Indes, ohne Ludendorff hätte es den Hitler-Ludendorff-Putsch des Jahres 1923 nicht gegeben, jenen Putsch, in dem die beiden Helden in öffentlich-rechtlicher Anstalt eine “Parallele zur heutigen Zeit” zu erkennen sehen.

Wie sagte einst Fox Mulder:
“I once saw Elvis in a potatoe chip.”
Wo ein Wille ist, ist auch eine Analogie.

Indes, der Hitler-Putsch, den Lochte und Historiker Rabe, Paul Moritz Rabe, eines jener Opfer des akademischen Betriebs, die sich mit Lehraufträgen über Wasser halten müssen, bis sie auf einer Stelle in einem Institut, im Fall von Rabe ist es das NS-Dokumentationszentrum in München, geparkt werden können, in Analogie zur AfD zwingen wollen, also der Hitler-Ludendorff-Putsch, er eignet sich nun überhaupt nicht zur Analogie.

Im April 1920 besetzte die Rote Ruhrarmee Teile des Ruhrgebiets. Heftige Kämpfe mit vielen Toten waren die Folge.

Denn, ganz im Gegenteil zu dem, was Lochte-Rabe an Eindruck erwecken wollen, ist der Hitler-Ludendorff-Putsch nicht vom Himmel gefallen. Er findet sich vielmehr in einer einmaligen historischen Situation und als Ergebnis eines Machtkampfes zwischen Adolf Hitler und Gustav Ritter von Kahr um die Vorherrschaft im rechten Lager Bayerns und darüber hinaus. Gustav Ritter von Kahr hatte dabei einen Startvorteil, denn er wurde im September 1923 zur Exekutive von Bayern, das von Ministerpräsident Eugen Ritter von Knilling in den Ausnahmezustand versetzt worden war, ernannt. Exekutive oder vollziehende Gewalt bedeutete damals Zugriff auf Einheiten der Reichswehr zu haben. Ritter von Knilling, eigentlich kein Radikaler, sah sich dennoch genötigt, den Bruch mit Berlin zu suchen, weil Reichskanzler Gustav Stresemann, DVP, in dem man wohl den Begründer der Weimarer Koalition aus DDP, DVP, Zentrum und BVP (und zeitweise SPD) sehen muss, den Passiven Widerstand im Rheinland beendet hatte. An dieser Beendigung nahm man in München massiv Anstoß, so sehr, dass die BVP (Bayerische Volkspartei) für kurze Zeit die Koalition im Reichstag aufkündigte, was Stresemann den Posten kostete, nicht jedoch, bevor er die Währunsgreform umsetzen konnte, die er nur umsetzen konnte, weil er den passiven Widerstand im Rheinland beendet hat.

Zur Einordnung des gequirllten Bullshits, den Lochte schreibt:

“Eine Parallele zwischen dem Jahr 1923 und heute ist die Geldentwertung. Die Inflation ist so hoch wie nie seit der Wiedervereinigung: 2022 stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 Prozent. Im September lagen sie 4,5 Prozent höher als im Vorjahresmonat.”

Zur Währungsreform vom 15. November 1923 wurde EINE BILLION REICHSMARK gegen eine Rentenmark getauscht. 4,2 Rentenmark entsprachen einem US-Dollar. Warum Leute, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, und dieses Loch der Erkenntnis mit Intuition und selbsteingeredeter Kenntnis füllen wollen, keine Angst haben, sich bis auf die Knochen lächerlich zu machen, wird uns ewig ein Rätsel bleiben.

Falls Sie interessiert, warum das so ist, fragen Sie Frau Lochte.

Zurück zur Währungsrefrom von Stresemann, die das Ende des Passiven Widerstands voraussetzte, um überhaupt durchführbar zu sein. Der nun schon mehrfach angesprochene Passive Widerstand richtete sich gegen die französischen Besatzungskräfte, die zum 11. Januar 1923 das Rheinland besetzt hatten, um sich direkt in den Besitz der Reparationslieferungen in Kohle und anderem zu bringen, deren Lieferung das Kabinett Cuno im August 1923, kurz vor seinem Ende, dann aussetzen sollte.

Der Hitler-Ludendorff-Putsch findet also zu einem Zeitpunkt statt, zu dem vieler Deutscher Ärger über die Besetzung des Rheinlandes ein Maximum erreicht hat, einem Zeitpunkt, zu dem die beiden Morde an Matthias Erzberger (1921), der den “Diktatfrieden von Compiegne”, wie es in der Weimarer Republik unter denen hieß, die den Friedensschluss nicht wollten, unterzeichnet hatte, und Walter Rathenau (1922), bis zu seiner Ermordung Außenminister im Kabinett von Reichskanzler Joseph Wirth noch in akuter Erinnerung sind,

Wenn Sie Zeit haben, schauen Sie doch einmal bei unserem ScienceFiles Shop vorbei.

Bis zum Ende des Jahres 1923 hatte die fast vier Jahre alte Weimarer Republik bereits 9 Regierungen und die sie tragenden Koalitionen verschlissen, mehrere Putschversuche, vom Kapp-Putsch über den Aufstand der Roten Armee im Ruhrgebiet (1920) überstanden. Zum Zeitpunkt des Hitler-Ludendorff Putsches befand sich das Reich im Ausnahmezustand, den Reichspräsident Friedrich Ebert verhängt hatte und im Zuge dessen er Hans von Seeckt alle Vollmachten als Oberbefehlshaber der Reichswehr und des Reiches übertragen hatte.

Das Ende des Jahr 1923 war unter diesen Umständen von Autonomiebewegungen geprägt. Bayerns Versuch, sich unter von Kahr vom Reich loszusagen, wurde bereits angesprochen. Es folgte die zum 22. Oktober 1923 ausgerufene Rheinische Republik, der Versuch vom 23. Oktober 1923, die Pfalz in die Autonomie zu führen, der Hamburger Aufstand der KPD vom selben Tag, die Reichsexekutive gegen Sachsen und Thüringen, also die Auflösung der dortigen Parlamente und Absetzung der dortigen Regierungen, weil an diesen Regierungen die KPD beteiligt war. All das ging dem Hitler-Ludendorff-Putsch voraus. All das ist den beiden ideologisch Verblendeten keiner Erwähnung wert. Sie wollen vielmehr eine Verbindung zwischen Hitler, dessen NSDAP zur ersten Wahl des Jahres 1924 (4. Mai) mit 6,6% der Stimmen randständig blieb und bei der zweiten Wahl des Jahres 1924 (7. Dezember) mit 3% noch randständiger wurde, der AfD und den Deutschen, denen sie eine rechtsextreme Einstellung unterstellen, herstellen.

Ein haarfeiner Schnitt durch die Geschichte unter Auslassung aller Zusammenhänge und Entwicklungen. So etwas macht nur ein ideologisch Verblödeter oder ein Bösartiger.

Suchen Sie sich aus, was Ihnen richtig erscheint.

Übrigens:
Schon 1923 haben sich Postillen in den Dienst von Ideologie und Parteien gestellt und sind dabei heftig auf die Nase gefallen.

Kann man 1923 und 2023 vergleichen?
“Der Vergleich der Jahre 1923 und 2023 taugt als Warnhinweis”, sagt Historiker Rabe”.


Featured Image: Hitler-Ludendorff-Putschbeteiligte zum Prozessauftakt.
QUelle: Bundesarchiv

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