License to kill
Die Frage, was Tod ist und wann ein Lebewesen als tot zu gelten hat, ist vermutlich so alt wie die Menschheit. Die Antworten, die Philosophen über Jahrhunderte gegeben haben, sind indes eindeutig: Tod liegt dann vor, wenn alle vitalen Lebensprozesse, die Organismen entwickeln oder unterhalten, beendet sind. Gemeint sind damit Prozesse wie Stoffwechsel, Zellerneuerung, Atmung, Selbstregulierung des Organismus, Herzschlag usw.
Über Jahrhunderte wurden Menschen aufgebahrt, bis erste Verwesungszeichen als eindeutiges Indiz des Todes zu sehen waren. Man wollte sicher gehen, dass der vermeintlich Tote auf wirklich tot ist.
Mit dem Aufkommen der Transplantationschirurgie hat sich alles geändert. Organe, die transplantiert werden sollen, müssen “frisch” sein, sie müssen möglichst schnell nach dem “Tod” des Spenders entnommen werden, am besten ist es, wenn der Spender noch lebt, wenn die Organe entnommen werden. Dies klingt auf den ersten Blick makaber, hat jedoch im Jahre 1968 seinen Niederschlag darin gefunden, dass ein an der Universität von Harvard eilig zusammengerufenes Komitee Tod als Gehirntod definiert hat. Gehirntod ist nicht Herztod, d.h. gehirntote Patienten zeigen zumeist noch alle Funktionen eines physisch Lebenden: “The only rationale given by the committee for why the irreversible cessation of all brain function should be equated with death was legal utility: it would free up beds in intensive care units and facilitate organ transplantation” [Der einzige Grund, den das Komitee genannt hat, um zu begründen, warum das Ende aller Gehirnfunktionen mit dem Tod gleichgesetzt werden sollte, lautete: es setzt Betten auf Intensivstationen frei und erleichtert die Transplantation von Organen] (Shewmon, 2009, S.18).
Diese Definition von Tod als Gehirntod ist in den letzten Jahrzehnten unter massive Kritik geraten und im Jahre 2008 – wieder in den USA – vom President’s Council on Bioethics in the Determination of Death beerdigt worden. Das Komitee hat den Begriff “Gehirntod” durch den Begriff “vollständiger Verlust aller Gehirnfunktionen” ersetzt, und formuliert: “If being alive as a biological organism requires being a whole that is more than the mere sum of its parts, then it would be difficult to deny that the body of a patient with total brain failure can still be alive, at least in some cases” [Wenn es zum biologisch lebendig Sein ein Zusammenspiel des gesamten Organismus braucht, das wiederum mehr ist als die Summe seiner Teile, dann ist es kaum möglich zu behaupten, dass der Körper eines Patienten, der einen vollständigen Verlust aller Gehirnfunktionen erlitten hat, am Leben sein kann, zumindest in manchen Fällen] (President’s Council on Bioethics in the Determination of Death, 2008, S.57).
Diese Feststellung hätte das Ende der Organeentnahme bei gehirntoten Patienten in den USA bedeutet. Entsprechend hat sich das President’s Council beeilt, einen Zirkelschluss nachzuschieben und zu formulieren, dass das Ganze des Organisms auf ein funktionierendes Gehirn angewiesen ist und entsprechend bei einem vollständigen Verlust aller Gehirnfunktionen davon auszugehen ist, dass dieses gedachte “Ganze” nicht mehr funktionieren könne, weshalb mutig geschlossen werden kann, dass der Patient, der unter einem vollständigen Ausfall aller Gehirnfunktionen leidet “nicht lebendig” ist (President’s Council on Bioethics in the Determination of Death, 2008, S.60).
Die Situation, die sich unter Berücksichtigung beider Positionen des President’s Council ergibt, sieht wie folgt aus: Patienten mit einem vollständigen Ausfall aller Gehirnfunktionen sind nicht tot, aber sie sind auch nicht lebendig. Sie sind, lebendig tot. Dieser Einbruch geistiger Verwirrung in einen ansonsten rational wirkenden Bericht, hat den Mediziner D. Alan Shewmon , der sich seit Mitte der 1980er Jahre mit Fragen der “Neuroethik”, also u.a. der Frage, wann ein Mensch als tot zu gelten hat, beschäftigt, dazu bewegt, vorzuschlagen, Organspendeausweise mit dem folgenden Warnhinweis zu versehen: “Warnung: Es ist nicht sicher, dass Sie tot sind, wenn Ihre Organe entnommen werden!“. Und, so hat Sherman weiter formuliert, vielleicht wäre es angesichts der Unsicherheit, die den Tod eines Menschen umgibt, an der Zeit, die Würde und Autonomie eines Patienten über den Nutzen, den seine Organe für andere darstellen, zu setzen (Sherman, 2009, S.23).
In Deutschland kommen die Probleme, die sich mit der Feststellung des Todes eines Menschen und mit der Unbrauchbarkeit des Hirntod-Konzeptes verbinden, nur rudimentär an. So wird Gesundheitsminister Daniel Bahr, von dem es interessant wäre zu wissen, ob er einen Organspendeausweis besitzt, nicht müde, die Werbetrommel für Organspende zu rühren. Seines neuester Marketing-Gag sieht vor, die “Weltspiele der Organtransplantierten” in Deutschland zu veranstalten. Natürlich nicht ohne Hintergedanken, denn: “[r]egelmäßig ist in den ausrichtenden Ländern der Weltspiele durch mediale Berichterstattung, politische Unterstützung und begleitende Informationen zur Organspende eine signifikante Steigerung der Organspendezahlen zu beobachten”. Zweifel an der Gleichsetzung von Tod und Hirntod kennt Gesundheitsminister Bahr scheinbar ebensowenig wie die ihm unterstellte Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die nach wie vor Broschüren vertreibt, die den Hirntod als Tod deklarieren und die Organentnahme bei Hirntoten zum Akt der Nächstenliebe stilisieren.
Die Informationspraxis in Deustchland, so findet der Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Betriebsmedizin, Paolo Bavastro, in einem angesichts des Zustands der deutschen Medienlandschaft erstaunlichen Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger, stelle eine arglistige Täuschung dar. “Die Menschen werden absichtlich nicht aufgeklärt. Und viel schlimmer noch ist, dass seitens der Deutsche[n] Stiftung Organtransplantation moralischer Druck ausgeübt wird, nach dem Motto: Nur Organspender sind gute Menschen”. Entsprechend schlägt er den folgenden Text, für Organspendewillige vor: “Ich bin bereit, Organe zu spenden, obwohl ich nicht tot, sondern im Hirnversagen ein Sterbender bin“, denn: “Man kann Menschen … nicht absichtlich im Dunkeln lassen und für tot erklären, nur damit man mehr Organspenden bekommt”.
Derartige “ethische” und “moralische” Erwägungen sind ausgerechnet dem Philosophen und Professor Ralf Stoecker, der als eines seiner Hauptinteressen “angewandte Ethik” angibt, fremd. In einem Vortrag beim deutschen Ethikrat und im Rahmen des Forums “Bioethik – Hirntod und Organentnahme” kommt der Philosoph zu der folgenden Lösung für das Problem der Feststellung des Todes eines Menschen: Weil ein Hirntoter zwischen der Welt der Lebenden und der Toten wandle, ein Hirntoter aber keine Zukunft unter den Lebenden mehr habe, könne man ihn problemlos, ohne Skrupel und um seine Organe zu nutzen, töten: “Und weil man ihnen [den Hirntoten] kein Leid mehr antun, sie keiner Zukunft mehr berauben kann und weil auf der anderen Seite die Organempfänger erheblich von der Transplantation profitieren, darf man ihnen Organe entnehmen, und das, obwohl es dazu führt, dass sie ihren Zustand zwischen Leben und Tod beenden und aus den hirntoten tote Menschen werden”. Damit erteilt Stoecker all jenen, die einen lebenden Menschen, der seiner Hirnfunktionen verlustig gegangen ist, durch die Entnahme von Organen umbringen, seine Absolution, er erteilt eine “license to kill” und begründet die Lizenz damit, dass andere einen Nutzen aus der Ermordung von Patienten ziehen, deren Hirnfunktion vollständig erloschen ist.
Auf die Idee, dass man die Frage, wann ein Mensch tot ist, beantworten kann, in dem man Patienten ohne Hirnfunktion zu Wandlern zwischen Leben und Tod macht, die nur darauf warten, endlich über den Styx gefahren zu werden, kann nur ein “deutscher” Philosoph kommen, und auf diese Idee kann nur ein “deutscher” Philosoph kommen, dem der Wert von Personen, deren Hirnfunktion noch vorhanden ist, über den Wert und die Würde von Personen geht, deren Hirnfunktion erloschen ist. Entsprechend werden Personen ohne Hirnfunktion trotz aller Beteuerung von Stoecker, man müsse ihre “Würde achten” und “dürfe Eingriffe in ihre körperliche Integrität” nur mit ihrem “informed consent” vornehmen, zum hohlen Gewäsch, das abgesondert wird, um zu maskieren, dass – um es mit Immanuel Kant zu formulieren – Menschen zum Zweck für andere Menschen werden. Dies ist nicht nur für Kant eine der schlimmsten Sünden, die man gegenüber Menschen begehen kann.
Angesichts der Verrenkungen, wie sie von Anwendern einer höchst eigenen “Ethik” wie Ralf Stoecker durchgeführt werden, und angesichts der Weigerung öffentlicher Stellen, die Unmöglichkeit, Tod mit Hirntod gleichzusetzen, anzuerkennen, stellt sich einmal mehr die Frage, was auf dem Spiel steht, welchen Interessen die Transplantation von Organen dient. Ich wette an dieser Stelle, dass trotz aller Herz-Schmerz-Geschichten von durch Organspenden Geretteten, die uns regelmäßig präsentiert werden, trotz aller Marketing-Anstrengungen, bei denen Menschen mit transplantierten Organen vorgeführt werden, wie einst die Sklaven auf den Märkten Roms, die Interessen der Empfänger von Gebrauchtorganen, nicht die Interessen sind, die hinter der massiven Kampagne stehen, mit der Ihnen und mir die Einwilligung abgerungen werden soll, dass wir uns von Transplantationsteams umbringen lassen; – zumal der Nutzen eines Spenderorgan bei näherer Betrachtung nicht dem rosa-roten Bild entspricht, das die Marketingabteilung des Bundesgesundheitsministeriums zeichnet: Ob ein Spenderorgan vom neuen Organismus überhaupt (nach zuweilen mehreren fehlgeschlagenen Versuchen) angenommen wird, ist unsicher, wird es angenommen, steht dem Empfänger des Gebrauchtorgans nicht nur ein Leben unter Medikamenten und von diesen vorgenommener ständiger Unterdrückung des eigenen Immunsystems bevor, er ist auch, wegen dieser Unterdrückung des eigenen Immunsystems in hohem Maße für Erkrankungen aller Art empfänglich und in vielen Fällen handelt es sich bei den entsprechenden Erkrankungen nicht um Schnupfen, sondern um (Haut-)Krebs.
Die Transplantation von Organen ist zwischenzeitlich zu einer sehr lukrativen Industrie geworden: Mit menschlichen Organen lässt sich viel Geld verdienen. Wo sonst ist es möglich, ein Produkt zu erstellen ohne denjenigen, der die Rohstoffe liefert, bezahlen zu müssen, weil der Entsprechende nur zu willig ist, sich als kostenlose Rohstoffquelle zum Ausweiden zur Verfügung zu stellen?
Literatur
Shewmon, D. Alan (2009). Brain Death: Can it Be Resuscitated? Hastings Center Report 39(2): 18-24.
Bildnachweis:
Grim Reaper tattoos
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Hm Michael,
ich kann ja verstehen, das das ein sehr emotionales Thema ist, aber vielleicht solltest du
nicht am Anfang behaupten, dass “Die Antworten, die Philosophen über Jahrhunderte gegeben haben, […]indes eindeutig [sind]: Tod liegt dann vor, wenn alle vitalen Lebensprozesse, die Organismen entwickeln oder unterhalten, beendet sind.”
und anschließend einen Philosophen zitieren bei dem das nicht so ist, das ist nicht konsistent.
Außerdem ist deine Kritik unsinnig, du wirst dem Philosophen vor er erteilt eine “license to kill”,
tut er nicht. Er wird dir Antworten, dass man einen Toten nicht töten kann und Tot ist eine *Person*,
wenn das Gehirn entsprechend zerstört ist.
Trotz all ihrer Probleme halte ich seine Position für eine viel bessere Position als die angebliche Antwort der Philosophen über die Jahrhunderte. Ich nehme mal an, dass du weißt, dass es Ideengeschlichtlich schlicht falsch ist, was du über die Philosophische Idee des Todes geschrieben hast. Wenn ich nicht nicht irre habe ich schon bei den alten Griechen Ideen gesehen, dass das Gehirn der Sitz der Seele ist – mit entsprechenden Konsequenzen für die Definition des Todes der Person (nicht des ganzen Organismus).
Weiter ist deine Ganze Kritik weitgehend inhaltslos, da du schlicht nur von deinem normativen Standpunkt aus argumentierst, aber den Standpunkt deines diskursiven Gegners nicht erkennst.
Also was spricht dagegen den Tot entsprechend über die Hirntätigkeit zu definieren. Darauf hast du gar nicht geantwortet. Du hast einfach die Unmöglichkeit Postuliert, glaubst du ernsthaft, dass das deine Leserschaft als Argument annimmt? Willst du dass? Deine Autorität und die Autorität “der” Philosophen über die Jahrhunderte, als Argument in einem Blog mit dem Titel/Programm Kritische Wissenschaft?
Ich meine dein Blog heißt zwar kritische Wissenschaft und nicht kritische Philosophie, aber so weit liegt das nun nicht auseinander, arbeite doch bitte bei philosophischen Themen ein wenig sauberer.
Ich spare mir jetzt mal die ganzen weiteren argumentativen Unsauberheiten aufzuzeigen, aber da
sind noch einige.
(Ich reagiere noch auf deine letzten Fragen, Freitag vermutlich. Vielleicht mach ich dazu einen eigenen Blog auf, da ich ein wenig ausholen muss um das gut zu beantworten.)
Beste Grüße,
Eike
Hallo Eike,
ich wünschte, Du hättest den post gelesen, denn das Problem mit dem Hirntod besteht gerade darin, dass Hirntote NICHT tot sind. Das ist mittlerweile fester Bestand der wissenschaftlichen Erkenntnis und das zentrale Ergebnis des von mir zitierten Berichts des President’s Council. Insofern erübrigt es sich für mich, auf Deine weiteren Punkte einzugehen, denn sie bauen alle auf der falschen Prämisse, dass außerhalb der Hirne einiger weniger versprengter Deutscher noch jemand glaubt, dass Menschen, deren Gehirn einen vollständigen Funktionsverlust erlitten hat, tot sind. Allein ein Blick in manche (wissenschaftlichen) Äußerungen zeigt, dass man leben, und dennoch “hirntot” sein kann.
Menschen, die als Hirntod gelten, sind aber nicht tot. Und wenn Du mir in Zukunft argumentative Unsauberkeiten unterstellen willst, dann nenne sie bitte und gibt für Deine Behauptungen einfach mal den ein oder anderen Beleg an. Besonders interessiert bin ich an dem Beleg dafür, dass die Hirntod-These bereits von den alten Griechen entwickelt wurde. Und bitte, wenn Du das nächste Mal kommentiert, kommentiert doch bitte sauber und ohne Unterstellungen.
Ich habe doch von Personen gesprochen oder nicht, nicht vom Organismus. Ich habe das mit dem Sauberer arbeiten ernst gemeint. Was willst du Schützen die Person oder den Organismus? Alle Zellen des Organismus? Person oder Organismus ist für die Praktische Ethik immer noch keine gute Unterscheidung. Du machst es dir meines erachtens zu einfach.
Aber Entschuldigung, ich bin etwas müde gewesen und das ist auch kein so Interesantes Thema,
wie das weiter weiter unten.
Bei Menschen die als Hirntot gelten ist die Person die dieser Organismus war Tot. Ich hoffe jetzt ist mein Einwand klar.
Dein Einwand war auch vorher schon klar und ich sehe nach wie vor das Problem nicht. Ob die Person tot ist, wenn ein vollständiges Versagen der Hinrtätigkeit festgestellt wurde, ist ja genau die Frage, die bisher nicht geklärt werden konnte, denn Deine Versuche der Unterscheidung führen zu keiner Lösung, it begs the question, denn nunmehr, da wir uns mit dem Konzept der Person beholfen haben, müssen wir also annehmen, dass die Person im Hirn residiert und mit dem Funktionsende des Gehirns auch die Person zu leben aufhört. Das führt dann zu der etwas seltsamen Konsequenz, dass die Person nicht mehr lebt, der Körper/Organismus nenn’ es wie Du willst aber noch lebt. Und die Konsequenz daraus lautet: Man kann einen lebenden Organismus/Körper getrost ausschlachten, um einer anderen Person zu helfen oder es zumindest zu versuchen, denn nach einer Transplantation lebt nicht jeder munter weiter, sofern das Gebrauchtorgan überhaupt angenommen wird. Und zu dieser Konsequenz sind wir über einen schlichten Sprachtrick gelangt. Da wir nicht wissen, ob ein Hirntoter tot ist, zersäbeln wir ihn in zwei Teile, einen wichtigen Teil, den Du Person nennst und einen unwichtigen Teil, den Du Organismus nennst. Da wir definiert haben, was wichtig und was unwichtig ist und zudem behaupten, dass ein lebender Organismus/Körer kein schützenswertes Leben ist, weil es keine Person mehr ist, kommen wir da an, wo wir hinwollten: Organentnahme bei lebenden Organismen ist erlaubt.
Das ist für mich ein typisches Beispiel dafür, wie man sich langsam um den Verstand schwätzen kann (nicht alles, was in der angewandten Ethik als Konzept kursiert ist sinnvoll). Das Grundproblem ist nach wie vor nicht gelöst: Ob die Person erloschen ist, wissen wir nicht, dass der Körper/Organismus nicht tot ist, dagegen schon. Und die unterschiedliche Bewertung von Organismus und Person ändert auch nichts daran, dass der Körper oder was auch immer noch lebt, getötet werden muss, um an die Organe heranzukommen. Letztlich ist es eine individuelle Entscheidung, ob man sich durch Organentnahme töten lassen will oder nicht, und es ist im Hinblick auf die doch eigentlich verbotene Sterbehilfe ein interessantes Beispiel, das wieder einmal zeigt, wie leicht sich Staaten in Bereichen zuweilen über Regelungen hinwegsetzen, die sie in anderen Bereichen mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Herr Klein,
eines muss ich Ihnen lassen. Sie haben den Nagel voll auf den Kopf getroffen (ist das im Zusammenhang mit diesem Thema zynisch?)
das Porblem ist wirklich der Begriff “Hirntod”. Vielleicht sollte man diesen Termini vermeiden und stattdessen eher “Hirnversagen” verwenden (In Anlehnung an Nierenversagen, was letztlich auch nicht den Tod bedeutet, sondern eben den Ausfall benannten Organs).
Sachlich muss man aber auch hinzufügen dass der Patient trotz Hirntod weiterleben können – wenn man dieses vegetieren wirklich noch als Leben bezeichnen kann. Ich mutmaße also, dass es manche Menschen wissen und so eine gewollte Sterbehilfe erwarten können mit dem Argument – lieber tot als Intensivpflegefall. Dies nur als eine Randbemerkung dieser Diskussion – denn dieser Aspekt der Sterbehilfe wird nicht genannt – ich sehe aber die genannte Situation durchaus und die Organspende ggf. als legitimes Alibi. Ist weit gegriffen, aber nicht unrealistisch.
Daß es mit dem Hirntod so eine Sache ist, zeigt die Transplantationsmedizin: bei der Organentnahme von ‘Hirntoten’ kommt es gelegentlich zu ungerichteten Abwehrbewegungen und Grimassieren, was bei den Entnahme- Operateuren durchaus zu Irritationen führt.
Es ist deshalb Brauch der Anästhesisten geworden, bei der Organentnahme eine maximal tiefe Sedation und Relaxation zu fahren, obwohl dies bei ‘Toten’ ja ein bißchen unsinnig ist…
Ohne Kommentar:
“In Großbritannien will die Regierung Organspendern die Beerdigung bezahlen, weil es dort zuwenig Organspender gibt. Diesen Vorschlag hat ein wissenschaftlicher Beirat in Großbritannien gemacht.
Die Kosten von etwa 1.700 Euro soll der staatliche Gesundheitsdienst tragen.”
Quelle: http://kreuz.net/article.14372.html vom 16.12.2011
Das stimmt so nicht.
Die Regierung denkt über einen entsprechenden Vorschlag des Nuffield Council of Bioethics nach, was in erster Linie heißt, wie Sie den Kommentaren zu dem Link entnehmen können, den ich hier anfüge, dass sich diejenigen, die es betrifft, nämlich die Bürger, eine Meinung bilden, wie sie sich zu diesem Vorschlag stellen, während die Regierung in der zweiten Reihe verharrt und nach einer gewissen Karenzzeit, einer alten britischen Tradition entsprechend, vermutlich davon absieht, den Vorschlag in die Tat umzusetzen, weil er nämlich einen Eingriff in die individuelle Entscheidungsfreiheit darstellt und entsprechend einer besonderen Rechtfertigung bedarf, die es im vorliegenden Fall nicht gibt.
http://www.bbc.co.uk/news/health-15242675
Hier wird mir zuviel um Wörter gestritten und nicht um die Sache:
Nehmen wir an, daß Gehirn sei der Sitz der Person (Ich, Seele…you name it). Nehmen wir desweiteren an, daß es einen irreversiblen Zustand des Hirns gäbe, in dem ich weder fühlen, denken noch wahrnehmen kann. Nehmen wir nun noch an, daß dieser Zustand mit hundertprozentiger Gewissheit diagnostiziert werden könne.
Wäre dann eine Organentnahme aus Deiner Sicht moralisch gerechtfertigt?
Man könnte obigen Zustand nun Hirntod oder aber auch eines tiefes, bewußtloses Koma nennen. Welches Interesse kann eine Person am Weiterleben in solch einem Zustand noch haben, unter den oben genannten Prämissen der Irreversibilität und der Diagnostizierbarkeit. Ich persönlich sehe keinen Unterschied zwischen ewiger Bewußtlosigkeit und Tod. Ob ich in diesem Zustand nun “ermordet” und “ausgeschlachtet” werde, ist mir theoretisch egal, auch wenn mir praktisch die Vorstellung nicht angenehm ist.
Wenn man obige Prämissen anerkennt, so wie es die Befürworter von Transplantationen tun, dann sehe ich keine moralischen Einwände, außer eben Einwände gegen die Prämissen selbst. Im Prinzip stimme ich auch den Prämissen zu, aber wenn es um mein Leben geht, reicht mir selbst diese Zustimmung nicht aus und deswegen lehne ich Organspendekampagnen und durch sie erzeugten den moralischen Druck ab. Fragwürdig erscheint mir vor allem das Problem der sicheren Diagnostizierbarkeit der Irreversibilität und der tiefen Bewußtlosigkeit.
Dem kann ich nur zustimmen und anfügen, dass man in keinem Fall darum herum kommt, den zu Explantierenden als Mittel zum Zweck der Transplantation anzusehen, da der zu Explantierende ja nun einmal nicht tot ist. Und wie man um diesen Übergriff auf die Würde von Menschen herumkommen will, weiß ich nicht.
Es gibt hierzulande keine gesetzliche Todesstrafe mehr. Was es allerdings gibt: Hinrichtung ohne Gerichtsverhandlung, ohne Berufungsmöglichkeit, ohne Begnadigung. Das neue Gesetz über die Organtransplantation macht es möglich. Die Ärzte töten und bleiben unbehelligt und reichlich Profit gibt es sowieso. Die Ärzte (Bundesärztekammer, Deutsche Stiftung Organtransplantation) sind die Todesherren. Parlamentarische Kontrolle? Gesetzliche Kontrolle? Die gibt es nicht mehr. Was also unterscheidet uns hier und heute von einer Diktatur? Es ist viel schlimmer: Eine heimtückische, unbemerkte Diktatur, weil gut verborgen unter dem Deckmantel von „Nächstenliebe“, „Gesundheit“ und „Menschenleben retten“. Gegen diktatorische Bestrebungen wurde ins Grundgesetz ein Widerstandsrecht aufgenommen (Artikel 20, Abs. 4). Hier gibt es weitere Informationen: http://www.spkpfh.de/Organbeschaffungsgesetz.htm
Strafanzeige gegen DSO und Bundesärztekammer
Es geht um OrganHANDEL, also um ein Geschäft. Den Geschäftsinteressen der Bundesärztekammer und der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) werden Menschenleben geopfert. Die Volksvertreter schauen untätig zu. Inzwischen ist klar: Das Hirntod-Konzept ist ein TÖTUNGS-Konzept. Dieses Marketingkonzept ist gut für die Geschäfte mit den Organen, für die Betroffenen ist es im Effekt aber ein TÖTUNGS-Konzept. Die juristische Aufarbeitung hat gerade erst begonnen. Die Staatsanwaltschaft Berlin ist mit der Sache befaßt.
Hier der Text der Strafanzeige: http://www.spkpfh.de/Strafanzeige_wegen_Mordes_gegen_Bundesaerztekammer_und_DSO.htm
Jede Lebensverkürzung, auch die eines Sterbenden, ist ein strafbares Tötingsdelikt. Eine Interessenabwägung zwischen dem Tod des einen Menschen und dem Vorteil eines anderen ist im deutschen Strafrecht nicht vorgesehen. Allenfalls kann eine Tötung entschuldigt sein, wenn normgerechtes Verhalten unzumutbar ist. Vgl. die Veröffentlichungen zum klassischen Fall “Regina vs. Dudley and Stephens”. Aber auch ein entschuldigter Notstand hat Grenzen, etwa bei selbst verursachter Not. Das alles gilt für einen Organempfänger – nicht für einen Entnehmer, der die eigentliche Totschlagshandlung vollzieht.
Auch eine Einwilligung, im Falle eines aktiven Einverständnisses, gibt kein Recht, einen Sterbenden zu töten. Zum Vergleich: die Pflicht zur Reanimation besteht so lange, wie der Tote/Sterbende reanimierbar ist. Im Medizinrecht macht dabei das Wort der “Reanimation mit Würde” die Runde. Auch eine Patientenverfügung schützt – in Deutschland – nicht vor dieser Problematik, weder Patienten noch Ärzte. Zumindest, wenn der amtliche deutsche Vordruck verwendet wird. Der ermächtigt (verpflichtet?) nämlich den Arzt, aus eigenem Ermessen von der Verfügung abzuweichen…
Verglichen damit steht die routinemäßige Tötung durch das Ausschlachten sterbender “Spender” bereits im Dunstkreis der Eutanasie.