Ende eines Manipulationsversuchs – BMFSFJ geht mit dem Gender Pension Gap baden

Ich habe auf sciencefiles schon häufig auf die Lethargie und Angst hingewiesen, die Sozialwissenschaftler an den Tag legen. Ganz wie die Theorie der kognitiven Dissonanz von Leon Festinger das vorhersagt, machen viele Sozialwissenschaftler mit ihrer Angst und Lethargie, die sie davor zurückschrecken lassen, sich öffentlich zu äußern, dadurch ihren Frieden, dass sie entweder über-konform sind und sich nur mit Themen befassen, die als politisch-korrekt abgesegnet sind und mit denen man entsprechend nicht Gefahr laufen kann, etwas Interessantes zu produzieren und somit etwas, was zu Widerspruch seitens der politisch Korrekten führen könnte. Oder sie überzeugen sich generell davon, dass die Öffentlichkeit die Komplexität der sozialwissenschaftlichen Gedanken, die sie in ihrem Gehirn beherbergen sowieso nicht verstehen würde (selbst dann nicht, wenn sie im Stande wären, sie verständlich zu äußern) und verharren entsprechend im selbst-zufriedenen Zustand ewiger gedanklicher Schwangerschaft (die Schwangerschaft muss ewig sein, denn am Ende könnte eine Missgeburt oder Todgeburt stehen…).

Ganz im Gegensatz zu dieser Einleitung will ich mit diesem Post aber Hoffnung verbreiten und auf zwei Sozialwissenschaftler, Jürgen Faik und Tim Köhler-Rama verweisen, die zu der vom Aussterben bedrohten Spezies “kritischer Sozialwissenschaftler” gehören und die in der Maiausgabe des Wirtschaftsdiensts deutliche Worte für den Versuch des BMFSFJ gefunden haben, ein Gender Pension Gap zu Gunsten von Frauen herbeizufabulieren. “Gender Pension Gap” ist die Behauptung, dass Frauen von Rentensystem benachteiligt werden . Ich habe über diesen Versuch bereits am 14. Januar diesen Jahres und unter dem Titel “Rentendiebstahl” geschrieben und will mich daher an dieser Stelle zurücklehnen und voller Zufriedenheit das zitieren und kommentieren, was Jürgen Faik und Tim Köhler-Rama im Hinblick auf einen der letzten Manipulationsversuche aus dem BMFSFJ einfällt.

“Obgleich der empirisch überzeugende Beweis noch immer nicht dafür erbracht wurde, ob zwischem den Geschlecht und dem Einkommen tatsächlich eine Ursache-Wirkungsbeziehung besteht oder ob nicht Drittvariablen (Ausbildung, Berufserfahrung, Berufsunterbrechung etc.) mehr oder weniger vollständig die Lohnlücke erklären können, hat der Gender Wage Gap in der Diskussion über die Benachteiligung von Frauen bislang eine sehr erfolgreiche Rolle gespielt. Es liegt (aus frauenpolitischer Sicht) also nahe, einen solchen Index auch für die wichtiger werdende Altersicherungsdiskussion zu nutzen” (319)

In meinem Worten: Wenn man seit Jahren ohne Beleg behauptet, Frauen würden bei der Entlohnung benachteiligt (die Mähr vom Gender Pay Gap), und wenn es gelungen ist, Teile der Öffentlichkeit mit dieser falschen Behauptung zu beeindrucken, dann bietet es sich aus frauenpolitischer Sicht an, die Behauptung, Frauen würden durch das Rentensystem benachteiligt, mit der bereits im öffentlichen Diskurs vorhandenen Behauptung, Frauen würden bei der Entlohnung benachteiligt, zu begründen. Auf diese Weise schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Der neuen, unbelegten Behauptung (Gender Pension Gap) wird durch den Verweis auf die alten, unbelegte Behauptung (Gender Pay Gap) scheinbar eine Begründung und Legitimation verschaft. Gleichzeitig wird dadurch, dass das Gender Pay Gap als Begründung für das Gender Pension Gap angeführt wird, suggeriert, die Existenz des Gender Pay Gaps sei belegt, an seiner Existenz sei nichts zu deuteln oder: “truth can be created by the repetition of a lie”.

Noch einmal zur Erinnerung: das BMFSFJ hat mit Hilfe des Fraunhofer Instituts für Angewandte Informationstechnik versucht, ein Gender Pension Gap zu konstruieren, das Frauen als Opfer eines ungerechten Rentenversicherungssystems stilisiert. Dazu hat Judith Flory, aus deren Feder der Bericht zur Legitimation der BMFSFJ-Phantasie des Gender Pension Gaps stammt, ein Maß “entwickelt”, das abbilden soll, wie sehr Frauen doch bei Rentenansprüchen benachteiligt sind. Wer den Beitrag von Faik und Köhler-Rama liest, muss nunmehr feststellen, (falls ihm mein Beitrag zu diesem Thema nicht ausgereicht hat), dass das “Maß” von Flory keinen der Standards erreicht, die man an eine ordentliche Operationalisierung anlegt:

“Sozialpolitisch führt der Indikator in die Irre, da er eine Benachteiligung von Frauen im Alterssicherungssystem suggeriert. Eher das Gegenteil ist der Fall: Frauen erhalten für denselben Beitrag mehr Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und weisen aufgrund ihrer durchschnittlich höheren Lebenserwartung signifikant höhere Beitragsrenditen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf. Sie profitieren in weit höherem Maße als Männer von Elementen des sozialen Ausgleichs im Rentenrecht. So wurde z.B. die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten … in den vergangenen Jahren starkt aufgewertet” (321).

Die Rendite-Vorteile von Frauen können wie folgt beziffert werden: Ein 1960 geborener Mann wird bei Erreichen des Rentenalters 1,19 Euro pro eingezahltem Euro Rente erhalten, eine 1960 geborene Frau, 1.57 Euro pro eingezahltem Euro. Ein im Jahr 2000 geborener Mann, wird pro eingezahltem Euro einen Verlust von 6 Cent machen und noch 94ct Rente erhalten, während eine im Jahr 2000 geborene Frau 1,21 Euro pro eingezahltem Euro erhalten wird. Dies zeigt deutlich, wohin die “Sozialpolitik”, also die Frauenbevorzugungspolitik im Staatsfeminismus führt.

“Verheiratete Frauen verfügen zwar vielfach über relativ geringe eigenständige Rentenanwartschaften. Der Versorgungsausgleich und die Hinterbliebenenrente sind aber Elemente in der Alterssicherung, die sie faktisch gegen das Scheidung- und das Verwitwungssrisiko absichern. … Sie in einem Index unberücksichtigt zu lassen, der für sich beansprucht, eine Aussage über die Fairness der Alterssicherung von Frauen (im Vergleich zu Männern) zu treffen, unterschlägt eine wesentliche Dimension und ist daher nicht sinnvoll” (322).

Nach meiner Ansicht ist die Unterschlagung von bekannten und offensichtlichen Fakten, die dem Zweck dient, sich im öffentlichen Diskurs widerrechtlich einen Vorteil anzueignen mit einem Ausschluss aus der wissenschaftlichen Gemeinde und einer Publikations-Sperre von mindestens sechs Jahren zu ahnden. Der der Unterschlagung Beihilfe leistenden Institution ist jede öffentliche Förderung zu entziehen.

Falk und Köhler-Rama verweisen im Verlauf ihres Beitrags auf eine Unzahl von Unzulänglichkeiten, Auslassungen und Verletzungen des wissenschaftlichen Standards durch die Auftragsarbeit aus dem Fraunhofer Institut, wobei sie u.a. darauf hinweisen, dass die Unterschiede in der Rentenhöhe wie sie zwischen Männern und Frauen bestehen das Ergebnis von Lebensentscheidungen sind, die Frauen getroffen haben: Wer lieber zu Hause sitzt und Kinder erzieht und nach Übergabe der Erziehungsverantwortung an öffentliche Institutionen sich bestenfalls zu einer Teilzeitarbeit durchringen kann, der trifft diese Entscheidungen wohlwissend, dass er aufgrund weniger Erwerbsarbeit auch weniger Rente erhält. Zudem treffen die meisten Frauen diese Entscheidung im Wissen darüber, dass sie im Alter entweder in gleicher Weise von der Rente ihres Ehemannes profitieren, wie sie dies während seiner Erwerbsarbeit von dessen Lohn getan haben oder, falls ihr Ehemann früher das Zeitliche segnet, dass sie von dessen Rente in Form einer Witwenrente profitieren, die deutlich höher ausfällt als es die Rentenansprüche, die die entsprechenden Frauen im Verlauf ihres Lebens durch Erwerbsarbeit erworben haben.

Vor dem Hintergrund solcher Ergebnisse und vor dem Hintergrund der offenkundigen Tatsache, dass Altersarmut nichts ist, was “Frauen” betrifft, sondern ein Risiko, das vor allem Geringverdiener und Migranten teilen, werden Falk und Köhler-Rama immer mutiger und finden entsprechend die richtigen, deutlichen Worte für den Manipulationsversuch aus dem BMFSFJ, der unter Beihilfe des Fraunhofer Instituts durchgeführt wurde:

“Indem der GPG-Index [Gender Pension Gap-Index] diesen Aspekt [Versorgungsausgleich und Hinterbliebenenrente] gar nicht erfasst, taugt er nicht als Messinstrument in der Alterssicherungsdiskussion. Entgegen seinem eigenen Anspruch misst der GPG-Index auch keine ‘fairen Einkommensperspektiven’, denn er berücksichtigt beispielsweise nicht, dass verheiratete Frauen gegenüber geschiedenen und ledigen Frauen im Hinblick auf die Einkommensanrechnungsvorschriften bevorteilt sind” (322).

Und:

“Auch dieser dem Äquivalenzgedanken in der gesetzlichen Rentenversicherung geschuldete Nivellierungseffekt weist darauf hin, dass die GPG-Suggestion einer unfairen Behandlung von Frauen im bundesdeutschen Alterssicherungssystem verfehlt ist. In diesem Zusammenhang erlaubt der Index auch deshalb keine wissenschaftlich fundierten Aussagen über eine tatsächliche Frauendiskriminierung im Hinblick auf ihre Alterssicherung, weil keine Normierung nach dem Qualifikationsniveau von Frauen und Männern und ihrem früheren Arbeitsvolumen (Teilzeit- versus Vollzeittätigkeiten) vorgenommen werden. Frauen verfügen aber schon deshalb über durchschnittlich geringere eigene Rentenansprüche als Männer weil sie häufiger und länger Teilzeit arbeiten”.

Insbesondere das letzte Zitat entlarvt den Manipulationsversuch aus dem BMFSFJ als das, was er ist, ein Anschlag auf die Gerechtigkeit, dessen Ziel darin besteht, eine Rentengleichheit unabhängig von Leistung herzustellen. Er ist somit ein Anschlag auf das Fundament einer Marktwirtschaft und ein Versuch, Leistung zu diskreditieren. Dass man in Ministerien und sonstigen Ideologiezentren kein Problem damit hat, Leistung, in diesem Fall gar Lebensleistung zu diskreditieren, ist nicht überraschend, und eher auf blanke Unkenntnis des Inhalts zurückzuführen, der mit dem Begriff “Leistung” denotiert ist. Allerdings sägen die BMFSFJler an dem Ast, auf dem sie sitzen, denn wenn alle ihre Ansicht teilen, dass Rentenansprüche nicht mehr auf Leistung basieren sollen, dann stellt sich einem rationalen Akteur die Frage, warum er noch leisten soll, wenn ihm ein Anspruch auch ohne Leistung zugeteilt wird. Dies sollten die BMFSFJler bedenken, am Ende gibt es niemand mehr, der leisten will, und wer kommt dann für die Gehälter der BMFSFJler, die ihrerseits sich etwas leisten wollen, auf? In jedem Fall kann man feststellen, dass der Versuch, ein Gender Pension Gap herbeizuphantasieren, gescheitert ist.

Faik, Jürgen & Köhler-Rama, Tim (2012). Der Gender Pension Gap – Ungeeigneter Indikator. Wirtschaftsdienst (92)5: 319-325

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