Das Ende der Bildung an deutschen Universitäten

Georg Kamphausen hat auf Academics.de einen Beitrag veröffentlicht, der deutlich und mutig zugleich ist und den zumindest ich in dieser Form von einem aktiven Wissenschaftler, der sich derzeit an einer Institution befindet, die sich trotz der “Freiheit der Lehre” doch vor allem durch eine schweigende Menge auszeichnet, nicht erwartet hätte. Entsprechend hat der Text meine Unaufmerksamkeitsschwelle gegenüber deutschen Universitäten nur durchbrechen können, weil er mir von Dr. habil. Heike Diefenbach in die Inbox geschickt wurde, mit der Bemerkung: “bemerkenswert”.

kamphausenUnd in der Tat, der Text des Bayreuther Professoren für Soziologie, Dr. Kamphausen ist bemerkenswert, und deshalb will ich nicht nur dafür sorgen, dass ihn noch mehr bemerken, sondern auch ein paar Bemerkungen am Text entlang vornehmen.

So richtig beginnt der Text von Kamphausen, der die Zustände an deutschen Universitäten, die Entprofessionalisierung und – wie ich hier schon anmerken möchte – die Entkernung von Wissenschaft und ihre Trivialisierung duch den Staatsfeminismus – darstellt, nach der Zwischenüberschrift “Plausibilitätsverlust institutioneller Leitideen”. Aber ich will noch weiter greifen und den Text von seinem Ende her aufrollen:

“Wenn eine Universität mehr leisten soll als Ausbildung (nämlich Bildung), wie erst unlängst der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (Hippler) forderte, dann möchte man gerne wissen, was sich die neuen Bildungsliebhaber (die in den letzten Jahren das Bildungsideal Humboldts lächerlich gemacht haben) unter ‘Bildung und Wissenschaft’ im Zusammenhang der sogenannten Hochschulreform denn vorstellen”.

Wer hier nicht nur Skeptizimus, sondern  Sarkasmus im Hinblick auf die Möglichkeiten, an deutschen Universitäten Bildung vermittelt zu bekommen, liest, der liegt, wie ich meine, richtig und dem wird sich dann im nächsten Schritt die Frage stellen, warum Kamphausen die Fähigkeit deutscher Universitäten, Bildung zu vermitteln, so abschlägig bescheidet.

Diese Frage führt zurück in seinen Text und dort zu Ausführungen, die man unter zwei Überschriften fassen kann:

  1. Deutsche Universitäten haben nicht mehr den Fächerkanon und das Personal, um Bildung zu vermitteln.
  2. Dass deutsche Universitäten zur Vermittlung von Bildung nicht mehr in der Lage sind, liegt an den Ergebnissen der “Netzwerkbildung”.

Da im Beitrag von Kamphausen der Begriff “Staatsfeminismus” ebenso wenig vorkommt, wie der Begriff “Entprofessionalisierung”, bitte ich die Leser nun beide Begriffe im Hinterkopf zu behalten.

Warum haben deutsche Universitäten nicht mehr das Personal und den Fächerkanon, um Bildung zu vermitteln?

brain-drainIch bin mir sicher, dass Kamphausen mit seinen Ausführungen über die fehlende Wissenschaftlichkeit der universitären Ausbildung, bei Dr. habil. Heike Diefenbach auf viel Zustimmung getroffen ist. Beide sind die nach meiner Kenntnis einzigen, die beklagen, dass die Vermittlung der Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens, das was man “Arbeitstechniken”, “Methode”, “Handwerkszeug” nennen könnte, an Universitäten keinen Raum mehr einnimmt. Zitiert wird irgendwie. Wo man Literatur herbekommt und nach welchen Kriterien, man gute Texte von schlechten Texten unterscheidet, dass es überhaupt schlechte Texte gibt, die sich unter die Rubrik “wissenschaftliche Texte” geschmuggelt haben, all diese Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens spielen an deutschen Universitären nur noch eine marginale Rolle, wenn sie überhaupt noch eine Rolle spielen (Diese Abwesenheit von wissenschaftlichen Standards geht nach meiner Beobachtung mit gerade zu aberwitzig abstrusen Anforderungen an die formale Gestaltung einer Arbeit an manchen Fakultäten und Instituten einher. Dabei besteht eine rekursive Kausalität in der Weise, dass je weniger die entsprechenden Fakultäten inhaltlich zu sagen haben, desto wichtiger ist es für sie, formale Feinheiten auszuarbeiten, die man nur als absurd und aberwitzig bezeichnen kann, z.B. wenn darauf bestanden wird, dass in einem Literaturverzeichnis Vornamen der Verfasser abgekürzt werden und ausgeschriebene Vornamen als falsch bezeichnet und mit Punkteabzug bestraft werden – Ganz offensichtlich ist bei der Ausarbeitung dieser Feinheiten, der eigentliche Zweck des Zitierens und der Sinn eines Literaturverzeichnisses aus dem Blick geraten.)

Aber zurück zu Kamphausen. Für Kamphausen ist die beschriebene Entprofessionalisierung der Universität das Ergebnis zweier Prozesse: Einerseits habe insbesondere der Bolognaprozess und die verbale Huldigung der inter- oder transdisziplinären Zusammenarbeit dazu geführt, dass der inhaltliche Kanon an Universitäten zu einem “Themensalat” geworden sei, in den jeder Fachbereich seine Lieblingsingredienzen kippe. Andererseits habe die völlige Abwesenheit von Kriterien, wie den oben genannten, dazu geführt, dass an Universitäten kaum mehr Personal vorhanden sei, das in der Lage wäre, einen sinnvollen wissenschaftlichen Kanon zu bestimmen und ihn auf Grundlage wissenschaftlicher Methoden und Kriterien auch zu vermitteln. Die Konsequenz, die Kamphausen daraus zieht, ist fast schon eine Dystopie:

da.Incompetent“Wie lassen sich philosophische Grundkenntnisse [z.B. die Grundlagen wissenschaftlicher Argumentation oder Logik] verteidigen, wenn die Vermittlung theoretischer Kompetenzen kein ausdrückliches Ziel multi-, trans- und interdisziplinärer Studiengänge mehr ist? Was geschieht, wenn das Selbstverständliche, das unbefragt Gültige nicht mehr selbstverständlich ist? Wasgeschieht, wenn niemand mehr über offensichtliche Dummheiten oder Peinlichkeiten, über schlechten Geschmack und intolerables Verhalten lacht?”

Die Fragen sind relativ leicht zu beantworten. Wenn Kompetenzen verloren gehen, dann reduzieren sich die Maßstäbe, so wie das im Fall “Schavan” geschehen ist. Plötzlich ist richtiges Zitieren nicht mehr ein von einem Wissenschaftler zu beherrschendes Handwerkszeug, eine Selbstverständlichkeit, deren Abwesenheit nur den Schluss zulässt, dass man es hier nicht mit einem Wissenschaftler zu tun hat. Nein, plötzlich ist richtiges Zitieren, sind die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens diskutabel. Plötzlich finden sich angebliche Wissenschaftler, die Gründe kennen, die es rechtfertigen, dass ein Wissenschaftler, das, Logik Salmonwas ihn erst zum Wissenschaftler qualifiziert, nämlich die Beherrschung der wissenschaftlichen Methode, nicht beherrscht. In den Worten der Logik, der Satz des ausgeschlossenen Dritten wird abgeschafft, ab sofort ist etwas und sein Gegenteil wahr. Früher galt das als Wahnsinn und war schon von daher aus der Wissenschaft ausgeschlossen. Heute ist es salonfähig geworden und man ist unwillkürlich an den Zoo erinnert, der von den Affen regiert wird.

Sind die Kriterien von Wissenschaftlichkeit erst einmal beseitigt, dann wird “Wissenschaft” zum Feigenblatt, das Ideologen nutzen, um ihre Ideologie als Wahrheit zu verkaufen. Beispiele dafür haben wir auf ScienceFiles schon mehrfach präsentiert. Und wenn die Ideologie erst einmal als Wissenschaft daher kommt, dann ist auch Peinlichkeit nichts mehr, was abschreckt: weder diejenigen, die die “Expertise” von Hinrich Rosenbrock nach wie vor zitieren noch diejenigen, die sich auf die “Expertise” von Thomas Viola Rieske beziehen, haben ein Problem damit, dass sich beide Autoren u.a. aufgrund ihrer zur Schau gestellten Unfähigkeit zur Prozentrechnung lächerlich gemacht haben. Die Lächerlichkeit von vermeintlichen Argumentationen ist heutzutage entschuldbar.

Warum sind deutsche Universitäten als Ort der Bildung degeneriert?

Die Antwort, die Kamphausen auf diese Frage gibt, könnte deutlicher nicht sein. Netzwerke haben deutsche Universitäten unterwandert, Netzwerke, deren Ziel nicht darin besteht, der Bildung an Universitäten dienlich zu sein, sondern deren Ziel gerade nicht darin besteht, der Bildung an Universitäten dienlich zu sein, Netzwerke, die universitäre Einrichtungen und ihre Ressourcen und ihren Status als Beute ausgemacht haben, der unter den eigenen Jüngern verteilt werden kann.

Dazu Kamphausen: “Der gegenwärtig zu beobachtende ‘Strukturwandel der Öffentlichkeit’ hört auf den Namen Netzwerk, die um der Verwirklichung rein ideenloser Interessen willen sich bilden (und deshalb eine Begriffsakrobatik pflegen, die vollständig wirklichkeitsresistent ist). Es handelt sich um Gruppen, die überein gekommen sind, in einer bestimmten Weise zu denken, man könnte sie als weltanschauliche (ideenlose) Sekten beschreiben, die sich an bestimmte (modische) Themen anklammern und über spezifische Themen, Agenden, Events etc. definieren.

logo_fam_hochKamphausen beschreibt Universitäten als Beute von Ideologen, von denen, die z.B. mit Unterstützung der DFG und des Wissenschaftsrats Universitäten genderisieren und zu Kinderbetreuungsanstalten umfunktionieren wollen, als Beute von denen, die mit Professorinnenprogrammen nicht Wissenschaftler, sondern bestimmte Geschlechtsteile auf Positionen hieven, Geschlechtsteile, die sich als willig gezeigt haben, was wiederum bedeutet, dass ihnen die Grundqualifikation eines Wissenschaftlers, die Kritikfähigkeit fehlt. Er beschreibt Universitäten als Beute von Spruchbeuteln, die Entitäten wie “Intersektionalistät” oder “Gender Mainstreaming” huldigen, oder denen ihre Mitgliedschaft bei Attac und anderen Institutionen, die Ideologie predigen, wichtiger ist als der Lehrstuhl, den sie besetzen.

Diese Netzwerke, die Universitäten unter sich aufteilen, überlappen zum Teil, zum Teile sind sie exklusiv, immer jedoch sind sie auf den Vorteil der Netzwerkangehörigen gerichtet und wahre Stätten der Harmonie durch Opportunismus:

“Netzwerke sind milieuspezifische Kleinwelten ohne Angriffsflächen, ohne Gegner, die nur aus Freunden (Re-Tribialisierung) bestehen. Was sich dabei herausbildet, ist eine von beschreibbaren Fähigkeiten und formalen Kompetenzen völlig absehende Elite der Arrivierten, deren leitende Philosophie der Opportunismus ist”

Was Kamphausen hier beschreibt, kann in seiner Dramatik nicht unterschätzt werden. Er beschreibt Schließungsprozesse, die Unintelligente in einem gemeinsamen Opportunismus miteinander auf Gedeih und Verderb verwoben sehen. Das gemeinsame Netzwerk ist nur deshalb aufrecht zu erhalten, weil es keine Kritik zulässt. Kritik würde unweigerlich die fehlende inhaltliche Tiefe, die fehlende fachliche Eignung oder den Double facepalmUmstand deutlich machen, dass man nichts zu bieten hat. Also vereint die Netzwerkangehörigen das Wissen um die gegenseitige Inkompetenz. Der daraus folgende Pakt der Kritiklosigkeit führt zum Nachzug geeigneter Inkompetenter und zur geradezu feindlichen Abschließung von der Realität, in der feindliche Personen daran erkennbar sind, dass sie Fragen stellen, Fragen, die Inkompetente natürlich nicht beantworten können. Entsprechend werden Universitäten immer mehr zu stummen Anstalten, an denen kein Austausch zwischen den einzelnen, kritik-fragilen Netzwerken stattfindet, sie werden zu Anstalten, die sich immer mehr von der Außenwelt lösen und gegen sie abschotten, zu Sekten, die selbstgenügsam sind und deren Mitglieder auf die nicht-Sektenmitglieder in gleicher Weise herunterschauen, wie sie sie fürchten. Damit ist das Gegenteil von Erkenntnisfortschritt beschrieben: Erkenntnisfortschritt braucht Kritik, braucht Auseinandersetzung, ständigen Streit um die richtige Darstellung der Realität. Wer sich gegen Kritik, Streit und Auseinandersetzung abschottet, zeigt damit, dass sein Bestreben in eine andere Richtung geht, eine Richtung die man unter die Rubrik des ideologisch opportunistischen Schmarotzens an Steuergeldern stellen könnte.

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