World Happiness Report 2013: Dänen und Briten glücklicher als Deutsche oder etwa nicht?

Demnächst werden Sie in ihrer Tageszeitung oder von irgendeinem öffentlich-rechlichen Medium wieder mit einer Schlagzeile wie der folgenden beglückt werden: "Dänen sind die glücklichsten Menschen" oder: "Das Glück ist ein Däne, ein Norweger oder ein Schweizer". Die entsprechende Schlagzeile wird sich auf den "World Happiness Report 2013" beziehen, der gerade vom Sustainable Development Solutions Network der UN veröffentlicht wurde.

world_happiness_reportDer World Happiness Report ist Ergebnis eines der neuesten Lieblingsspielzeuge mancher Ökonomen, dem Glück von Menschen, das bereits Jeremy Bentham als das Maß für den Erfolg eines States angesehen hat. Nach 2000 haben Ökonomen das Glück wiederentdeckt, vornehmlich deshalb, weil große Datensätze mit Fragen, die man als Fragen nach dem Glück interpretieren kann oder könnte vorhanden sind. Und wo Daten vorhanden sind, ist der Interpretator der Daten bekanntlich nicht weit.

Und genau hier beginnt das Problem. Was ist eigentlich Glück? Wie misst man Glück? Erstaunlicher Weise findet sich im World Happiness Report 2013 eine Problematisierung dieser Frage: “A very poor person might report himself to be happy emotionally at a specific time, while also reporting a much lower sense of happiness with life as a whole” (3). Man kann also glücklich sein, ohne glücklich zu sein, also im Moment glücklich, aber dennoch insgesamt unglücklich, jedenfalls sind John F. Helliwell, Richard Layard und Jefferey D. Sachs mit dieser gerade zitierten Formulierung und Differenzierung glücklich, jedenfalls waren sie es, als sie die Formulierung niedergeschrieben haben. Ob sie trotz dieses Moments des Glücks insgesamt zufrieden sind, ist demnach für sie eine andere Frage.

Ausgeschlossenen DrittenDas methodische Spagat, das die Autoren hier versuchen, ist dazu geeignet, einen Beckenbruch herbeizuführen, denn man kann nicht einerseits Glück als etwas definieren, was im Moment und aufgrund eines konkreten Anlasses gebildet wird und es andererseits und gleichzeitig als etwas diffuses und unabhängig von konkreten Anlässen Vorhandenes definieren. Das wiederspricht dem Satz des ausgeschlossenen Dritten, nachdem etwas nicht es selbst und sein Gegenteil sein kann. Aber diese Begriffsverwirrung ist dann von Nutzen, wenn man generell und immer von Glück schreiben will, auch da, wo man Lebenszufriedenheit misst. So auch im “Happiness-Report”, der zeigt, dass die Dänen und die Briten mit ihrem Leben zufriedener sind als Deutsche, nicht dass sie glücklicher sind.

Diese Begriffskonfusion ist umso ärgerlicher als die Autoren des World Happiness Reports die Möglichkeit gehabt hätten, Glück und Zufriedenheit voneinander zu trennen, da sich entsprechende Fragen im Datensatz finden. Warum sie das nicht getan haben, darüber mag jeder seine eigene Ansicht formen, ich vermute, es hat damit zu tun, dass amorphe Gebilde wie “Stellen Sie sich das Leben als eine Leiter vor, auf der die 10te Stufe als bestmögliche und die 0te Stufe als schlimmst mögliches Leben symbolisiert. Wo würden Sie sich selbst verorten? letztlich doch leichter zu interpretieren und als “Lebenszufriedenheit” zu bezeichnen sind als Fragen wie: “Haben Sie gestern viel gelächelt oder gelacht?” oder “Waren Sie gestern oft glücklich?” “Haben Sie sich gestern viele Sorgen gemacht?” Ich werde es nie verstehen, warum Ökonomen dann, wenn Sie Daten erheben, den Unterschied zwischen Zufriedenheit und Glück noch zu kennen scheinen, um ihn dann, wenn es an die Auswertung geht, konsequent zu vergessen. Das muss ein Syndrom sein, denn es wird von vielen geteilt – eine kognitive Beschädigung.

Im Welt Glücks-Report wird also vornehmlich Zufriedenheit gemessen und als Glück verkauft, und ich habe keinen Zweifel, dass kein öffentlich-rechtliches Medium und kaum ein Redakteur dies bemerken wird. Aber gut. Die Zufriedenheit, so zeigt der Welt-Glücks-Report, ist bei Dänen am höchsten, sie werden gefolgt von Norwegern, Schweizern und Holländern. Deutschland findet sich auf Platz 26 von 160, hinter dem Vereinigten Königreich, dem Oman, Brasilien und Frankreich.

happiness report 13Es sei angemerkt, dass die in der Abbildung dargestellten Werte der Lebenszufriedenheit Mittelwerte sind, die über die rund 500.000 von Gallup in 160 Ländern Befragten und für ihr jeweiliges Land berechnet wurden. (Wie viele Personen befragt wurden, ist eine Angabe, die man im World Happiness Report ebenso umsonst sucht wie auf der World Poll Seite von Gallup. Es werden halt ein paar Befragte gewesen sein.) Die Mittelwerte wurden für einen Wertebereich von 0 bis 10 berechnet und was es vor diesem Hintergrund aussagt, dass Dänen auf einen Mittelwert von 7.693 kommen, während Deutsche einen Mittelwert von 6.672 erreichen, das darf sich jeder vorerst selbst überlegen.

Ich ein paar Ergebnisse zusammenfassen, und berichten, was denn nun Lebenszufriedenheit in allen 160 Ländern am meisten beeinflusst. Die Ergebnisse, die ich berichte, stammen aus Tabelle 2.1 (Seite 19). Dort sind Koeffizienten einer OLS-Regression angegeben und Signifikanzen sowie vermutlich Standardfehler, was genau angegeben ist, weiß ich nicht, denn die Autoren teilen es nicht mit. Allerdings vergleichen sie im Text die unterschiedlich hohen Werte der Koeffizienten miteinander, so dass man annehmen muss, es handelt sich dabei um beta-Koeffizienten. Dies alles angenommen, zeigt sich, dass:

  • glücklich zu sein (als positiver Affekt in der Tabelle bezeichnet),
  • Jemanden zu haben, auf den man sich verlassen kann,
  • die Einschätzung der Korruption im eigenen Land als gering und
  • die Höhe des Bruttosozialprodukts des eigenen Landes

die Lebenszufriedenheit positiv beeinflussen. Wenn “Glück” aus der Berechnung genommen wird, dann erklären zudem die:

  • Zufriedenheit mit dem Ausmaß an Freiheit, um Lebensentscheidungen zu treffen,
  • und das Ausmaß an Spenden an einen/mehrere Wohltätigkeits-Vereine die Lebenszufriedenheit.

Ein Blick genügt um zu sehen, dass es wenig überraschend die Lebensumstände sind, die die Lebenszufriedenheit beeinflussen. Und wenn man ein solches Ergebnis als Sozialforscher sieht, dann denkt man im nächsten Moment: Halt! Lebensumstände sind hier subjektiv gemessen, d.h. sie sind abhängig von dem, was Generationen von – auch Ökonomen – unter der Bezeichnung Vergleichs- oder Anspruchsniveau gemessen haben. Ein Däne, dem sein Staat runde 60% an Steuern abzieht, mag schon glücklich sein, wenn die Fat-Tax wieder gestrichen wird und daraus neuen Mut schöpfen, oder er mag schlicht daran gewöhnt sein, geschröpft zu werden und seine Lebenszufriedenheit unabhängig davon bestimmen. Ein Brite mag bereits auf die Barrikaden gehen, wenn ihm ein Telefonanruf von HM Revenue und Customs angedroht wird, und dies als staatlichen Übergriff ansehen, der seine Lebenszufriedenheit massiv beeinträchtigt. Und in Deutschlang mag die Lebenszufriedenheit eine Funktion der Anpassungsfähigkeit an all die Vorgaben sein, die von Staat, Organisationen und Gutmenschen-Vereinigungen gemacht werden. Je besser angepasst man ist, desto größer ist die Lebenszufriedenheit.

burundiLange Rede, kurzer Sinn: Die Lebenszufriedenheit kann nur auf der Basis der konkret vorhandenen Lebensumstände und vor allem dem individuellen Umgang damit erklärt werden, und deshalb sind Berichte wie der World Happiness Report, also der Lebenszufriedenheits-Bericht das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Schlimmer noch: Derartige Berichte erwecken den Eindruck, man könne die Antworten auf die Frage nach der Lebenszufriedenheit pro Land aggregieren, die individuelle Lebenslage und die Lebensumstände damit im jeweiligen Land standardisieren und mit den entsprechend standardisierten Lebensumständen und Lebenslagen in anderen Ländern vergleichen, so als wäre ein Hartz IV Empfänger, der in Deutschland recht gut lebt, mit einem Armen in Burundi, der sich privilegiert fühlt, weil er eine Wellblechhütte bewohnt, vergleichbar.

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