“Wir sind für Meinungsfreiheit, aber … ” – Anonyme Parteilinge von der traurigen Gestalt

Man sollte abends nicht mehr in die Mailbox sehen. Dort findet man nur Hinweise auf “deutsche Zustände”. Der folgende Hinweis stammt von einem alten Mann mit Blog:

“Wir fordern daher die Universität Witten / Herdecke auf, Daniele Ganser wieder auszuladen und sich von ihm und seinen Thesen zu distanzieren. Wir sind für Meinungsfreiheit, halten aber die Kongresse und die Verschwörungstheoretiker-Szene, in der er sich bereits freiwillig regelmäßig bewegt, für einen passenderen Rahmen für seine abwegigen Thesen.”

Das schreiben die SPD Witten, Bündnis90/Die Grünen Witten, die Piratenpartei NRW (ja, die gibt es noch), die Jusos Witten, die Grüne Jugend Witten, das Antifabündnis Witten und “Trotz Allem – Soziokulturelles Zentrum Witten”. Sie fordern es in einem offenen Brief, und sie fordern mit Bezug auf einen Vortrag von Daniele Glaser mit dem Titel: “Wer kontrolliert die Vierte Gewalt?

Witten herdeckeNa dann, kann man nur sagen, und dem Rektor der Universität Witten/Herdecke empfehlen, diesen offenen Brief, der nicht einmal eine Unterschrift trägt, weil das die Übernahme von Verantwortung bedeutet und man sich heute lieber hinter Organisationen versteckt, wenn man feige andere beschimpft, dann kann er den “offenen Brief” getrost ad acta legen. Denn: Wer sind schon die SPD oder die Jusos oder die Grünen oder ihre Wittener Jugend, und was haben sie mit der Universität Witten-Herdecke zu schaffen?

In jedem Fall sind diejenigen, die nicht mutig genug sind, mit ihrem Namen zu unterschreiben und denken, ihre Organisation verleihe ihnen das ansonsten fehlende Gewicht, an Universitäten im Allgemeinen und der Universitäten Witten/Herdecke vollkommen irrelevant.

Doch verweilen wir kurz bei der Anklage, die Daniele Ganser im offenen Brief von unbekannten Parteilingen, denen der Mut zur Verantwortung fehlt, gemacht wird.

Verfehlung 1:
Daniele Ganser untersucht Verschwörungstheorien und sagt, sie seien Erklärungsansätze, über die man in der Wissenschaft diskutieren müsse.

Verfehlung 2:
“Daniele Ganser tritt regelmäßig mit anderen bekannten Verschwörungstheoretikern auf, so etwa mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des rechtspopulistischen Magazins Compact …”

Verfehlung 3:
“Das Publikum, das sich von Gansers Thesen angesprochen fühlt, dürfte dementsprechend zum größten Teil aus PEGIDA- und AfD-Anhängern und einem irrlichtenden Verschwörungstheoretikermilieu bestehen”.

Die Anklage ist leider rechtsfehlerhaft und belegt erhebliche intellektuelle Probleme auf Seiten der Ankläger:

Verfehlung 1: Damit hat Daniele Ganser recht. Der Gegenstand wissenschaftlicher Analyse und der Wissenschaft an sich, besteht darin Aussagen über die Wirklichkeit aufzustellen und zu prüfen. Wenn es möglich ist, aus Verschwörungstheorien Hypothesen abzuleiten, die der empirischen Prüfung zugänglich sind, dann sind die entsprechenden Verschwörungstheorien Gegenstand wissenschaftlicher Beschäftigung und sofern die Hypothesen falsifizierbar und nachvollziehbar sind: wissenschaftlich.

Logik der ForschungVerfehlung 2: Ein plumper Fehlschluss, denn die Tatsache, dass Ganser mit “bekannten Verschwörungstheoretikern” auftritt, hat keinerlei Einfluss auf die Validität seiner Argumente. In der Logik nennt man den Fehlschluss einen Fehlschluss ad hominem. Wäre es kein Fehlschluss, dann müsste man Richter und Staatsanwälte verhaften, weil sie regelmäßig gemeinsam mit Gewalttätern, Dieben und Betrügern auftreten.

Verfehlung 3: Eine Verunglimpfung auf Basis von Phantasie, denn erstens können die anonymen Unterzeichner des “offenen Briefes” nicht wissen, wer sich vom Vortrag Gansers an der Universität Witten-Herdecke angesprochen fühlt. Zweitens obliegt es gerade den Unterzeichnern des anonymen Briefes nicht, ihre Unkenntnis darüber, wann eine Verschwörungstheorie eine wissenschaftliche Aussage begründet, auf andere zu übertragen und diesen vorzuwerfen.

Abschließend noch zur besten Stelle aus dem offenen Brief:

“Innerhalb der seriösen akademischen Welt ist es unbestrittener Konsens, dass nicht jeder kruden These unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ein Forum geboten wird.”

Wir bezweifeln, dass die Anonymen, die sich hinter den Partei- und Organisationsbezeichnungen verstecken, überhaupt eine Ahnung davon haben, was die seriöse akademische Welt ist.

Wir wissen, dass die anonymen Parteilinge keine Ahnung von Wissenschaft haben, denn die krude These, die “mutige Antizipation” wie sie Popper genannt hat, sie ist das Mark der Wissenschaft. Was denken diese Parteilinge eigentlich, woher Wandel, Entdeckungen und Entwicklungen kommen? Sicher nicht davon, dass man an Universitäten Parteiprogramme liest. Das führt eher zu einem mentalen Regress, wie man an den anonymen Unterzeichnern sehen kann, die Fehler über Fehler in die Öffentlichkeit posaunen. Dass sie indes nicht wissen, was eine “mutige Antizipation” ist, ist vermutlich kein Zufall, nicht wegen Antizipation, sondern wegen “mutig”.

Es wäre daher ratsam, dass die anonymen Parteilinge in Zukunft ihre Zuckungen beherrschen und sich aus Angelegenheiten, die sie zum einen nichts angehen und von denen sie zum anderen nicht verstehen, heraushalten.

Wen es jetzt juckt, sich den Vortrag von Daniele Ganser anzuhören, der muss auf YouTube ausweichen, denn Gansers Vortrag war heute um 18.00 Uhr, und zwar zu folgenden Thema:

“In seinem Vortrag wird Ganser zeigen, welche Recherchemöglichkeiten das Internet an die Hand gibt und wie man zwischen Fakten, Meinungen und Propaganda unterscheiden kann.

Klicken Sie, um in die richtige Richtung geschubst zu werden!
Klicken Sie, um das Lied auch akkustisch zu genießen!

Anhand konkreter Beispiele aus den letzten 25 Jahren (Krieg um Kuwait 1990, Terroranschläge vom 11. September 2001, Krieg in der Ukraine 2014/15) wird Ganser kritisch auf die Leitmedien blicken und Bausteine an die Hand geben, mittels derer sich jeder selbst ein eigenes Urteil bilden kann.”

Schade dass die anonymen Parteilinge nicht Manns genug sind, zum Vortrag zu gehen. Sie hätten dort etwas lernen können, und sie hätten dort ganz offen, ihre Kritik, sofern sie welche haben, vortragen können. Aber dazu braucht man Mut und Verantwortungsbewusstsein. Beides scheint bei den anonymen Parteilingen nicht vorhanden zu sein, wohl ebensowenig wie die Bereitschaft, zwischen Fakten, Meinungen und Propaganda zu unterscheiden.

Und dass Parteilinge nicht darauf erpicht sind, sich ein eigens Urteil zu bilden, wo doch die Partei, die Partei, immer Recht hat, ist auch offensichtlich.

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