Simulation oder Manipulation: Flüchtlinge als “langfristig lohnende Investition”

Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die derzeitige Diskussion darüber, welche Kosten und Nutzen sich mit dem Zuzug von rund einer Millionen Flüchtlingen verbinden einen erheblichen Mangel aufweist: Niemand weiß, wer nach Deutschland geflüchtet ist, kennt das durchschnittliche Bildungs- und Ausbildungsniveau, geschweige denn die vorhandene Arbeitsmotivation.

Entsprechend bewegen sich alle, die sich mit dem Thema “Kosten und Nutzen von Flüchtlingen” beschäftigen, im Bereich der Spekulation. Spekulieren Wissenschaftler, dann bezeichnen sie das zuweilen als Simulation, wobei eine Simulation an sich eine sinnvolle Methode ist, jedenfalls dann, wenn die Variablen, die in die Simulation eingehen, zumindest ansatzweise plausibel sind.

Das genau ist bei Flüchtlingen nicht der Fall. Hier herrscht die reine Spekulation. Dass man auch mit reiner Spekulation Positives simulieren kann, haben gerade Marcel Fratzscher und Simon Junker im Wochenbericht des DIW gezeigt. Sie haben berechnet, simuliert, um genau zu sein, und sind nach der Simulation der Ansicht, “dass die Gesellschaft die Kosten der Flüchtlingsintegration als Investition in die Zukunft begreifen sollte” (1086), da langfristig die Wirtschaftsleistung und das Pro-Kopf-Einkommen steigen wird und langfristig der “Nettobeitrag der Flüchtlingsmigration zur gesamtwirtschaftlichen Leistung positiv sein wird” (1087)

Das Ergebnis klingt plausibel und passt zu Befunden, wie sie die Migrationsforschung z.B. anhand der Zuwanderung in die USA reihenweise produziert hat.

Aber leider auch nicht mehr, denn Fratzscher und Junker leisten der Migrationsforschung mit ihrer Simulation einen Bärendienst.

DIW Integration FluechtlingeZunächst fehlt jeglicher Hinweis darauf, was die beiden eigentlich wie berechnet haben. Sie simulieren, so sagen sie, das muss reichen. Drei Szenarien sind es, ein Basisszenario, ein pessimistisches Szenario und ein optimistisches Szenario. Alle drei Szenarien basieren auf Annahmen (siehe Abbildung), die man plausibel finden kann, oder auch nicht. So gehen die Autoren z.B. davon aus, dass 73% der Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter sind und 80% davon, am Arbeitsmarkt partizipieren werden (im optimistischen Szenario gar 85%).

Angesichts einer Beschäftigtenquote der deutschen Bevölkerung, die irgendwo in der Gegend von 70% liegt, scheinen 80% Partizipationsquote für Migranten in jedem Fall etwas hoch gegriffen, selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die Flüchtlinge eher jung und überwiegend männlich sind. Vielleicht sind es ja alles neue Männer, die sich der Kindererziehung widmen wollen, anstelle sich einen Arbeitsplatz zu suchen?

Welche Kosten sich mit Flüchtlingen verbinden, das hängt auch von der Antwort auf die Frage ab, wie viele der 80% am Arbeitsmarkt Partizipationswilligen, die die Autoren angenommen haben, auch einen Arbeitsplatz finden. Hier nehmen Fratzscher und Junker an, dass nach 5 Jahren Aufenthalt 60% der Flüchtlinge arbeitslos sind (immer auf das Basisszenario bezogen) und nach 11 Jahren noch 30% der Flüchtlinge.

“Zudem”, so schreiben sie weiter, “dürfte das Qualifikationsniveau vieler Flüchtlinge auch in Zukunft vergleichsweise niedrig sein; anzunehmen ist daher, dass sie vor allem im Bereich geringqualifizierter Beschäftigung eine Anstellung finden (1085).”

Ein Schuss ins Dunkle, denn Fratzscher und Junker haben ebenso wenig wie sonst jemand auch nur die Spur einer Idee davon, welches Qualifikationsniveau die 160.000 Flüchtlinge aufweisen, die allein im September zugereist sind. Sie können nur spekulieren, und das tun sie dann auch.

Die Kostenseite des Zuzugs von Flüchtlingen wird durch 12.000 Euro pro Jahr und Flüchtling für Unterbringung, Integration und Versorgung der Flüchtlinge ergänzt. Warum 12.000 Euro? Warum nicht? 12.000 Euro sind ein Drittel des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der deutschen Bevölkerung und warum sollte man nicht Kosten in dieser Höhe annehmen? Hinzu kommen 7.200 Euro pro Jahr und Flüchtling, der arbeitslos ist und mit Hartz-IV unterhalten wird.

Bis hier haben wir weitgehend willkürliche Annahmen dazu, wie viele Flüchtlinge am Arbeitsmarkt partizipieren wollen, wie viele das können, mit welcher Qualifikation sie das tun und welche Kosten sich damit verbinden. Die Simulation bis hier, ist ein nettes Rechenspiel, dessen Ergebnis man als ebensolches Rechenspiel ansehen kann.

Nun wird es abenteuerlich. Fratzscher und Junker wollen zeigen, dass sich die Investitionen in Flüchtlinge rentieren, dass langfristig ein positiver Effekt auf den gesellschaftlichen Wohlstand davon ausgeht. Entsprechend ist es nunmehr notwendig, den Nutzen zu schätzen, und zwar so:

DIW Integration Fluechtlinge2“Auch die monetären Transfers, wie sie beispielsweise Asylbewerbern zufließen, deren Antrag bewilligt wurde, die aber keiner Beschäftigung nachgehen, führen zu zusätzlicher Konsumnachfrage. Diese wird teilweise durch höhere Importe bedient, kurbelt aber auch die heimische Wirtschaftsleistung an – was einen Multiplikator von kleiner als 1 bedeutet. Zudem erhöhen öffentliche Bauinvestitionen, die Wohnraum für Flüchtlinge schaffen, oder die sozialen Sachleistungen des Staates, die etwa für
die Versorgung der Flüchtlinge anfallen, in gleichem Ausmaß die Wirtschaftsleistung. Da mit einigen dieser Maßnahmen Einkommen für andere private Haushalte generiert werden, die wiederum die Nachfrage erhöhen, führen diese Ausgaben zu einem überproportionalen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage” (1085).

Es ist diese Art des Unsinns, die seriöse Wissenschaften und ökonomische Modelle in Misskredit bringt. Sie tut das deshalb, weil die heile Modellwelt an einer falschen Stelle ansetzt und so tut, als fiele das Geld, das als Transfer in die Taschen von Flüchtlingen gesteckt wird, vom Himmel, sei Mana, das nunmehr eingesetzt werden könne, um per Konsum gesellschaftlich Gutes zu tun.

Das Geld fällt aber nicht vom Himmel, es kommt aus den Taschen der Steuerzahler. Nehmen wir Steuerzahler Bäcker und Steuerzahler Maurer. Beider Abzüge summieren sich – sagen wir auf 100 Euro. Die 100 Euro werden an das Finanzamt Gier gezahlt, das wiederum 10 Euro von den 100 Euro abknappt, um den Beamten Gierling zu bezahlen. 10 Euro werden für Gebäude und Infrastruktur aufgewendet. Bleiben in unserem kleinen Gedankenexperiment 80 Euro übrig. Davon werden 40 Euro an die Flüchtlinge Syrien und Irak verteilt. Beide haben nun 20 Euro zur Verfügung, die sie, in unserem Modell für Essen (als einzige Konsumausgabe) aufwenden. Sagen wir, Bäcker ist der einzige, der die Nachfrage von Syrien und Irak befriedigen kann, dann kommen 40 Euro bei ihm an. Weitere 40 Euro werden eingesetzt, um Maurer mit dem Bau von Flüchtlingsunterkünften zu beauftragen. Entsprechend kommen von den 100 Euro, die Bäcker und Maurer an Steuern gezahlt haben, 80 Euro wieder bei Ihnen an, unter der Annahme, dass sie die einzigen Anbieter der entsprechenden Leistungen und Syrien und Irak keine anderen Bedürfnisse als die haben, die von Bäcker gedeckt werden. Wir können dieses Spiel Runde um Runde spielen, immer werden Bäcker und Maurer einen Verlust von 20% machen, so lange, bis Syrien und Irak aus eigenen Mitteln die Leistungen von Bäcker und Maurer nachfragen. Über die Konsumausgaben von Arbeitslosen, so zeigt sich, ist nun einmal keinerlei Mehrwert zu schaffen – auch wenn Linke dies standhaft behaupten und Karl Marx damit zum Verzweifeln gebracht hätten, denn nach seiner Ansicht beruht Mehrwert auf Arbeit und nicht auf Konsum.

Kurz: Die Arbeit von Fratzscher und Junker leistet ernsthaften Wissenschaftlern, die Modelle und Simulationen einsetzen, um konkrete und wohlbegründete Fragestellungen zu beantworten, einen Bärendienst, und sie leistet auch Flüchtlingen einen Bärendienst, indem sie etwas politisch Erwünschtes herbeizurechnen versucht.

Wir sind übrigens der Überzeugung, dass die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, dann, wenn sie zu einer subsistenten und nicht durch den Staat subventionierten Existenz befähig, einen positiven Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands haben wird, aber um diesen Effekt zu erreichen, muss man Flüchtlinge in Arbeit bringen, nicht zu Transferempfängern machen, die man dann mit absurden Rechentricks zu Mehrwertstiftern umdeutet. Insofern ist abermals festzustellen, dass das Fehlen jeglicher verlässlicher Daten über das Qualifikationsniveau von Flüchtlingen eine Katastrophe ist.

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