Vor- und Nachzensur: In Berlin schreiben Sie sich um den Verstand

Täglich machen wir ein neues Türchen auf, im Adventskalender des Irrsinns, dessen Bescherung wohl darin bestehen wird, dass die Affen endgültig den Zoo übernehmen – oder so.

Der tägliche Anschlag auf die Logik und den normal funktionierenden Intellekt, er kommt heute von der Berliner Zeitung, von Christian Bommarius, der offensichtlich im Selbstversuch belegen will, dass man sich um den Verstand, so man welchen hat, schreiben kann.

Logik f dummiesAuch heute wütet die Schlacht um die intellektuelle Gesundheit, der Kampf darüber, ob man alle Regeln der Logik einfach so über Bord oder aus dem Fenster werfen kann, um anschließend eine Gesellschaft auf Willkür zu bauen, um die Hassrede, jene furchtbaren Sätze, geschrieben von Hassgestalten in sozialen Netzwerken, die so schreckliche Wirkung entfalten: Täglich kann man die Wirkung sehen, in den politisch-korrekten Zeitungen, in denen sich die Wutschreiber zusammenfinden, um abermals das Menetekel des Hasses zu beschwören, ohne das sie nicht wissen, worüber sie sonst schreiben sollten.

Niklas Luhmann hat viele Seiten in Büchern mit seiner eigentümlichen Sprache gefüllt, die es schwierig macht, den Sinn hinter seinen Worten zu entdecken. Was man aus seinen Schriften in jedem Fall entnehmen kann, ist seine Überzeugung davon, dass Medien geschlossene Systeme darstellen, in denen Kommunikation nur um ihrer Anschlussfähigkeit Willen geführt wird. Da wirft sich z.B. Matthias Meisner im Tagesspiegel für die Amadeu-Antonio-Stiftung ins Zeug. Nicht etwa, um in der Realität etwas zu bewirken. Nein. Er schafft damit einen Arbeitsnachweis für das Medium, in dessen Systemlogik er gefangen ist, und er schafft damit anschlussfähige Kommunikation, an die sich andere, die keine eigene Idee haben, worüber sie einmal schreiben könnten, anhängen, an die sie anschließen können, auf dass wieder andere in anderen Medien daran anschließen, bis es eine neue anschlussfähige Kommunikation gibt, die die Aufmerksamkeit der Mitglieder der geschlossenen Anstalt „Medien“ erregt.

Christian Bommarius hat sich also bei Matthias Meisner angehängt, stimmt mit Meisner in das Klagelied über die Hassrede ein und fügt einen neuen Vers hinzu, den Vers der Zensur.

Einen Vorwurf, der sich gegen die Amadeu-Antonio-Stiftung richtet, kann man mit „Anstiftung“ bzw. Beihilfe zur Beseitigung von Meinungsfreiheit umschreiben. Dieser Vorwurf sei falsch, so Bommarius, denn in Deutschland gebe es nun einmal eine Vor- und eine Nachzensur, wie er erklärt:

Berliner Zeitung Bommarius.jpg“Es gibt zwei Arten der Zensur – die Vor- und die Nachzensur. Der Satz des Grundgesetzes, mit dem die Allianz der Hass-Verteidiger fortwährend den Vorwurf unzulässiger Zensur begründet, steht in Art.5 Abs.1: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Verboten ist damit – was eigentlich jeder Bürger, zumindest aber jeder sogenannte Publizist wissen sollte – allein die Vorzensur. Die hat weder Maas noch die Amadeu-Antonio-Stiftung noch sonst jemand gefordert. Die Nachzensur hingegen ist nicht nur in vielen Fällen zulässig, sondern in jeder Rechtsordnung geboten und unter anderem im Strafrecht verwirklicht: Ohne die Strafbarkeit der Beleidigung, der üblen Nachrede, der Verleumdung oder der Volksverhetzung würde jedes Gemeinwesen unweigerlich in dem Pfuhl der Niedertracht versinken, dessen Schutz die „Zensur“-Schreier wutbebend verlangen. Es ist bemerkenswert, dass Publizisten und Journalisten, die ihren Lesern fortwährend großmäulig die Welt erklären und in Untergangszenarien beschreiben – der Islam, Gender, Merkel, Schwule etc. –, nicht einmal das kleine 1 x 1 der Staatsbürgerkunde beherrschen.“

Ob Bommarius hier „großmäulig“ die Welt des Grundgesetzes erklärt? Nein, er versucht sich um den Verstand zu reden, indem er einen Widerspruch zur Normalität erheben will, der da lautet:

Es gibt keine Zensur.
Jeder darf seine Meinung äußern.
Wenn jemand eine Meinung äußert, die … sagen wir: falsch ist, dann findet eine Nachzensur statt, dann wird die Meinung gelöscht.

Aber halt, es herrscht Meinungsfreiheit „in diesem Land“. Also darf man alles sagen, jedenfalls alles, was keine Straftat darstellt. So kann jemand der Meinung sein, Adolf Hitler sei ein guter Mensch gewesen. Denn: Man kann in Deutschland so ziemlich jede irre Meinung vertreten. Es gibt sogar welche, die sind der Meinung, dass man sich von einem Stasi-Mitarbeiter, der Freude dabei hat, andere auszuhorchen und zu verpetzen, zu einem guten Hirten verwandeln kann, der sein Aushorchen auf das reduziert, was ihm im Beichtstuhl anvertraut wird, und der es nicht zu Zwecken der Erpressung verwendet. Manche sind der Meinung, dass Alien die deutsche Bundesregierung übernommen haben, und wieder andere sind der Meinung, dass der Kapitalismus, aus dessen Überschuss ihr Studium finanziert wurde, des Teufels ist. Man kann, wie gesagt, in Deutschland so ziemlich jede Meinung haben und sagen. Bis auf die Meinung über Adolf. Hier sind die deutschen sensibel. Auch im Jahre 71 nach dem Ende von Adolf Hitler sind sie sensibel, hochsensibel. So sensibel, dass entsprechende Meinungen unter Strafe gestellt sind und nicht nur sie:

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.
(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.

Ansonsten gilt:

„Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“

Logisch betrachtet gibt es damit eine Menge von Aussagen. Die Aussagen haben gemeinsam, dass mit ihnen eine Meinung zum Ausdruck gebracht wird, die der Ausdrückende hat. Der entsprechende Ausdruck ist frei. Es findet keine Zensur statt, wie es so schön heißt. Nun gibt es Meinungen, die angeblich den öffentlichen Frieden stören. Wenn zum Beispiel fortwährend versucht wird, Meinungen, die einem nicht passen, per se als unstatthaft zu erklären und als Hassrede zu bezeichnen,  dann stört dies den öffentlichen Frieden – ganz offensichtlich tut es das. Wenn nun diejenigen, die sich gegen die Störung des öffentlichen Friedens durch den ausgeübten Zwang, dem Fetisch der No-Hate-Speech zu huldigen, wehren, von Christian Bommarius als rechtsradikale, islamophobe, rechtsextreme in jedem Fall aber „intellektuell Unredliche“ bezeichnet werden, dann kann diese Meinung von Bommarius durchaus eine Strafttat nach § 130 StGB Abs. 2 darstellen, denn Bommarius greift die Menschenwürde anderer dadurch an, dass er einen Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet. Er tut dies in einer Berliner Zeitung, so dass man die Störung des öffentlichen Friedens ob der zwar sinkenden, aber immer noch zu hohen Auflage der Berliner Zeitung bejahen kann.

penguin-logicDas war die der Prämissen dessen, der sie hat, auf ihn selbst.

Aber die Logik hat noch schönere Mittel, z.B. das Mittel der Prüfung von Aussagen auf Widerspruchsfreiheit, was uns wieder zur Zensur, zur Vor- und zur Nachzensur bringt.

Bommarius schreibt. Eine Zensur findet nicht statt.
Dann schreibt er: Eine Vorzensur findet nicht statt.
Und dann schreibt er: Eine Nachzensur findet statt.

Da Zensur, der Oberbegriff ist, der Vor- und Nachzensur umfasst, ist damit ausgeschlossen, dass eine Nachzensur stattfindet, denn wenn eine Nachzensur stattfindet, dann ist der Satz: „Eine Zensur findet nicht statt“ damit falsifiziert, denn es findet eine Zensur statt. Es gibt also entweder keine Zensur oder eine Nachzensur. Der Aufstand gegen die Logik, den Bommarius durchführt, er ist erfolglos.

Wenn aber keine Zensur stattfindet und es die Möglichkeit gibt, Meinungen, die gegen Strafgesetze verstoßen, zu verfolgen, dann stellt sich die Frage, was der ganze Tamtam um die Hassrede eigentlich soll.

Da eine Zensur nicht stattfindet, wird man sich mit Meinungen, ob sie einem nun passen oder nicht, abfinden müssen. Es sei denn, man will Zensur über die Hintertür einführen, quasi als Zensur unter der Hand und mit dem Ziel, die Meinungsfreiheit auszuhebeln. Dies genau ist der Vorwurf, der u.a. der Amadeu-Antonio-Stiftung gemacht wird.

Wenn dieser Vorwurf falsch ist, wie Bommarius seine Leser glauben machen will, dann stellt sich nunmehr die Frage, warum es die Amadeu-Antonio-Stiftung gibt, und wozu es sie gibt. Da eine Zensur nicht stattfindet und auch nicht beabsichtigt ist, die Meinungsfreiheit einzuschränken, besteht, wie seit nunmehr 70 Jahren, die Möglichkeit, gegen Meinungen, von denen man denkt, sie verstoßen gegen ein Strafgesetz, mit eben den Mitteln, die im Strafrecht vorgesehen sind, vorzugehen. Dazu benötigt man weder die Amadeu-Antonio-Stiftung, noch eine „Broschüre mit Hinweisen dazu, wie man mit der „Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Medien“ umgehen soll, noch benötigt man einen Christian Bommarius und seinen Selbstversuch, sich um den Verstand zu schreiben.

Und da man das alles nicht benötigt, stellt sich abermals die Frage, was soll dieses Tamtam um die Hassreden. Einerseits gibt es eine Vielzahl von Organisationen, die aus Steuermitteln für etwas bezahlt werden, was angeblich nicht die Einschränkung der Meinungsfreiheit zum Gegenstand hat, andererseits gibt es keinerlei Notwendigkeit, die entsprechenden Organisationen zu bezahlen, da das Strafrecht ausreichende Maßnahmen dafür vorsieht, Meinungen, die gegen Strafgesetze verstoßen, zu ahnden. Also gibt es die entsprechenden Organisationen entweder dazu, Steuerzahler zu schröpfen oder dazu, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Eine andere logische Möglichkeit gibt es nicht, es gibt nur den Weg in den Irrsinn für diejenigen, die versuchen, eine andere logische Möglichkeit zu finden!


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