Der ewige Untertan: Deutsche wollen zensiert werden

Heinrich Mann hat sich über ihn lustig gemacht. Der Kaiser hat ihn millionenfach in den Tod geschickt. Die Nazis haben ihn höchst effektiv eingesetzt und sterben lassen.

Die Rede ist vom Untertan. Der Untertan, er ist keine rein deutsche Erscheinung, aber er ist doch eine Erscheinung, deren Auftauchen man in Deutschland nach all den Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht erwartet. Und dennoch, nie war der Untertan verbreiteter als heute, heute, da der deutsche Sozialstaat nicht nur die Erziehung und Finanzierung übernommen hat, sondern auch gleich die richtige Gesinnung mitliefert.

three-men-on-the-bummelDeutsche Untertanen, sie müssen nicht einmal mehr denken: Get yourself born, we do the rest. So hat Jerome K. Jerome bereits Anfang des 20. Jahrhunderts den deutschen Untertan beschrieben, dessen unbedingten Glauben an das Schild „Das Betreten des Rasens ist verboten“, er nicht nachvollziehen konnte, unter vielen anderen Dingen, die er nicht nachvollziehen konnte. Gut 100 Jahre später sollte man das Motto: Schau‘ zu, dass Du Dich geboren kriegst, wir erledigen den Rest, als Motto des deutschen Interventionsstaates in Gold gesticktem Brokat über deutschen Betten aufhängen, auf dass der deutsche Untertan auch wahrlich nicht anfängt, selbst zu denken und die Verantwortung für das zu übernehmen, was er da gedacht hat.

Der Liberalismus, die Gefahr des freien Denkens bei gleichzeitiger Haftung für das Gedachte, er war nie das Ding der meisten Deutschen. Sie wollen Vorgaben, wollen wissen, was richtig ist, die richtige Gesinnung nicht nur vorgegeben, sondern auch durchgesetzt haben. Das wollen sie. Wo kämen wir hin, wenn jeder seine begründete oder weniger begründete Meinung zu allem sagen könnte, was ihn bewegt und womit er sich beschäftigt hat? Über kurz oder lang in Widerspruch zu staatlichen Gesinnungsvorgaben, und das darf nicht sein.

Europe More Supportive Than U.S. of Censoring Statements Offensive to Minorities

Und so sind 70% der Deutschen, die an einer Befragung von PEW teilgenommen haben, bereit, ihr Recht auf Redefreiheit an die Regierung abzugeben, damit die Regierung, wer auch immer es ist, der sich gerade zur Regierung berufen fühlt, verhindert, dass z.B. beleidigende Dinge über Minderheiten ausgesprochen werden. Derartige Dinge, also das, was man heute als Hasskommentar bezeichnen würde, sie müssen von der Regierung verboten, die, die sie sagen wollen, am sagen gehindert werden.

So schnell ist man Freiheit los.
Und so schnell hat man den Bock zum Gärtner gemacht.

Ausgerechnet in der Regierung sehen die modernen Untertanen einen unabhängigen Richter, denjenigen, der im Besitz der ultimativen Erkenntnis darüber ist, welche Aussage über Minderheiten für letztere beleidigend ist. Denn natürlich ist die Beleidigung als solche, jedenfalls müssen das die 70% der Deutschen, die in der PEW-Studie den Offenbarungseid leisten und von ihrer Redefreiheit nichts mehr wissen wollen, denken, in Stein gemeißelt und eindeutig bestimmbar. Jeder weiß doch, dass die Aussage, Zigeuner sind Diebe, eine falsche Verallgemeinerung ist, eine Beleidigung, die nicht in den öffentlichen Diskurs gehört. Aber wie ist das mit: Die Mehrheit der Zigeuner sind Diebe? Oder: Relativ mehr Zigeuner als nicht-Zigeuner stehlen? Wie ist es mit: Flüchtlinge fallen den deutschen Sozialkassen zur Last? Die Mehrheit der Flüchtlinge fällt den deutschen Sozialkassen zur Last? Mehr Flüchtlinge als Deutsche fallen den Sozialkassen zur Last? Oder was ist mit: Der Feminismus hat dazu geführt, dass Unfähige in Positionen gekommen sind, die ohne Frauenquote und sonstige Fördermaßnahmen nicht einmal in die Nähe eines gut bezahlten Jobs gekommen wären? Beleidigung und nicht? Was ist mit: Homosexuelle sind ein AIDS-Risiko? Beleidigung oder nicht? Was ist mit: Die AfD ist eine Partei voller rechtsextremem Pack? Beleidigung oder nicht? Was ist mit: Die Grünen sind eine Partei voller Ökofaschisten? Beleidigung oder nicht? Und was ist mit: Die Linke ist eine Partei voller linksextremem Pack? Beleidigung oder nicht?

Es scheint, die Frage, wann eine Beleidigung vorliegt und wann nicht, ist nicht so einfach zu beantworten und oftmals eine Frage des Geschmacks oder der Ideologie. Und ausgerechnet über Geschmacksfragen wollen 70% der Deutschen ihre Regierung entscheiden lassen. Deutschen ist wirklich nicht mehr zu helfen.

Mit ihrem freiwilligen Verzicht auf Meinungs- und Redefreiheit befinden sich die 70% der befragten Deutschen in der Gesellschaft von Ländern wie dem Libanon, der Türkei, Indonesien, Malaysia, Pakistan, Uganda, dem Senegal, Burkina Faso und Russland. In diesen Ländern legt wie in Deutschland mindestens eine zwei Drittel Mehrheit der Befragten keinen Wert auf die Redefreiheit.

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