Politiker! Arschlöcher! Untermenschen! Die Gei(s)sel des Berliner Senats

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was einen Politiker auszeichnet? Welche Qualitäten und Qualifikationen er aufweisen muss, um als Politiker gelten zu können? Sicher, heute kann fast jeder Politiker werden. Irgendeine Quote bringt noch den zuletzt Geeigneten auf ein Pöstchen. Aber das heißt nicht, dass man den Anspruch, den man an Politiker eigentlich haben muss, angesichts des Politikermaterials, mit dem man täglich konfrontiert ist, aufgeben muss.

Was also sind die Qualitäten, die einen Politiker auszeichnen sollen? Max Weber hat sich diese Frage gestellt: 1919 zu Beginn der Weimarer Republik hat er sich diese Frage gestellt und wie folgt beantwortet:

„Man kann sagen, dass drei Qualifikationen vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Augenmaß. Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit: leidenschaftliche Hingabe an eine ‚Sache‘, an den Gott oder Dämon, der ihr Gebieter ist. Nicht im Sinne jenes inneren Gebaren, welches mein verstorbener Freund Georg Simmel als ‚sterile Aufgeregtheit‘ zu bezeichnen pflegte, wie sie einen bestimmten Typus vor allem russischer Intellektueller (nicht etwa: allen von ihnen!) eignete, und welches jetzt in diesem Karneval, den man mit dem stolzen Namen einer ‚Revolution‘ schmückt, eine so große Rolle auch bei unseren Intellektuellen spielt: eine ins Leere verlaufende ‚Romantik des intellektuell Interessanten‘ ohne alles sachliche Verantwortungsgefühl. Denn mit der bloßen, als noch so echt empfundenen, Leidenschaft ist es freilich nicht getan. Sie macht nicht zum Politiker, wenn sie nicht, als Dienst an einer ‚Sache‘ auch die Verantwortlichkeit gegenüber ebendieser Sache zum entscheidenden Leitstern des Handelns macht. Und dazu bedarf es – und das ist die entscheidende psychologische Qualität des Politikers – des Augenmaßes, der Fähigkeit, die Realität in innerer Sammlung und Ruhe auf sich wirken zu lassen, also: der Distanz zu den Dingen und Menschen. ‚Distanzlosigkeit‘, rein als solche, ist eine der Todsünden jedes Politikers und eine jener Qualitäten, deren Züchtung bei dem Nachwuchs unserer Intellektuellen sie zu politischer Unfähigkeit verurteilen wird. Denn das Problem ist eben, wie heiße Leidenschaft und kühles Augenmaß miteinander in derselben Seele zusammengezwungen werden können? Politik wird mit dem Kopfe gemacht, nicht mit anderen Teilen des Körpers oder der Seele. Und doch kann die Hingabe an sie, wenn sie nicht ein frivoles intellektuelles Spiel, sondern menschlich echtes Handeln sein soll, nur aus Leidenschaft geboren und gespeist werden. Jene starke Bändigung der Seele aber, die den leidenschaftlichen Politiker auszeichnet und ihn von dem bloßen ‚steril aufgeregten‘ politischen Dilettanten unterscheidet, ist nur durch die Gewöhnung an Distanz – in jedem Sinne des Wortes – möglich. Die ‚Stärke‘ einer politischen Persönlichkeit bedeutet in allererster Linie den Besitz dieser Qualitäten.

Einen ganz trivialen, allzu menschlichen Feind hat daher der Politiker täglich und stündlich in sich zu überwinden, die ganz gemeine Eitelkeit, die Todfeindin aller sachlichen Hingabe und aller Distanz, in diesem Fall: der Distanz sich selbst gegenüber.

Eitelkeit ist eine sehr verbreitete Eigenschaft, und vielleicht ist niemand ganz frei davon. Und in akademischen und Gelehrtenkreisen ist sie eine Art Berufskrankheit. Aber gerade beim Gelehrten ist sie, so antipathetisch sie sich äußern mag, relativ harmlos in dem Sinn: dass sie in aller Regel den wissenschaftlichen Betrieb nicht stört. Ganz anders beim Politiker: Er arbeitet mit dem Streben nach Macht als unvermeidlichem Mittel. ‚Machtinstinkt‘ – wie man sich auszudrücken pflegt – gehört daher in der Tat zu seinen normalen Qualitäten. – Die Sünde gegen den heiligen Geist seines Berufs aber beginnt da, wo dieses Machstreben unsachlich und ein Gegenstand rein persönlicher Selbstberauschung wird, anstatt ausschließlich in den Dienst der ‚Sache‘ zu treten. Denn es gibt letztlich nur zwei Todsünden auf dem Gebiet der Politik: Unsachlichkeit und – oft, aber nicht immer, damit identisch – Verantwortungslosigkeit. Die Eitelkeit, das Bedürfnis, selbst möglich sichtbar in den Vordergrund zu treten, führt den Politiker am stärksten in Versuchung, eine von beiden oder beide zu begehen. Um so mehr, als der Demagoge auf ‚Wirkung‘ zu rechnen gezwungen ist, – er ist eben deshalb stets in Gefahr, sowohl zum Schauspieler zu werden wie die Verantwortung für die Folgen seines Tuns leicht zu nehmen und nur nach dem ‚Eindruck‘ zu fragen, den er macht. Seine Unsachlichkeit legt ihm nahe, den glänzenden Schein der Macht statt der wirklichen Macht zu erstreben, seine Verantwortungslosigkeit aber: die Macht lediglich um ihrer selbst willen ohne inhaltlichen Zweck zu genießen. Denn obwohl oder vielmehr gerade weil Macht das unvermeidliche Mittel, und Machstreben daher eine der treibenden Kräfte aller Politik ist, gibt es keine verderblichere Verzerrung der politischen Kraft, als das parvenumäßige Bramarbasieren mit Macht und die eitle Selbstbespiegelung in dem Gefühl der Macht, überhaupt jede Anbetung der Macht rein als solcher. Der bloße ‚Machtpolitiker‘, wie ihn ein auch bei uns eifrig betriebener Kult zu verklären sucht, mag stark wirken, aber er wirkt in der Tat ins Leere und Sinnlose. Darin haben die Kritiker der ‚Machtpolitik‘ vollkommen recht. An dem plötzlichen inneren Zusammenbruche typischer Träger dieser Gesinnung haben wir erleben können, welche innere Schwäche und Ohnmacht sich hinter dieser protzigen, aber gänzlich leeren Geste verbirgt. Sie ist Politik einer höchst dürftigen und oberflächlichen Blasiertheit gegenüber dem Sinn menschlichen Handelns, welche keinerlei Verwandtschaft hat mit dem Wissen um die Tragik, in die alles Tun, zumal aber das politische Tun, in Wahrheit verflochten ist“.

Vor dem Hintergrund dessen, was Max Weber über leidenschaftliche Hingabe an die Sache, die mit Verantwortungsbewusstsein einhergehen muss und mit Augenmaß, also mit Distanz zum Gegenstand des Politischen betrieben werden muss, vor dem Hintergrund der „sterilen Aufgeregtheit“ politischer Kader, und deren parvenumäßigem Bramarbasieren (Parvenue = Emporkömmling; bramarbasieren – prahlen, angeben), wollen wir die Leser mit einem hervorragenden Exemplar der Gattung „deutscher Politiker“, von der noch geprüft werden muss, ob sie eine Schnittmenge mit „ernstzunehmende Politiker“ hat, bekannt machen.

Der Name dieses Exemplars, ist Andreas Geisel. Geisel ist Innensenator des Landes Berlin und ein Exemplar bei dessen Anblick man sofort weiß, was Georg Simmel mit „steriler Aufgeregtheit“ gemeint hat und welchen Typus eines russischen Apparatschik er dabei vor Augen hatten. Und Geisel hat Folgendes ausgestoßen:

„Ein Verbot wäre mir sehr sympathisch gewesen, wir haben das sehr sorgfältig geprüft und festgestellt, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung leider auch für Arschlöcher gilt“, sagte er dem RBB-Inforadio.

Weder Leidenschaft für eine Sache, noch Verantwortungsbewusstsein für die Folgen seines Handelns noch Distanzlosigkeit zeichnet Geisel aus. Er ist ein Gemeiner unter denen, die seine Ideologie teilen und deshalb aus unserer und aus Sicht von Max Weber vollkommen ungeeignet, um Politiker zu spielen.

Davon abgesehen bedient Geisel mit seiner Wortwahl und seiner Trennung der Welt in Gute und Böse ein altes Klischee, das in Deutschland im Zyklus wiederzukehren scheint. Es muss für Deutsche offensichtlich immer eine Gruppe von Menschen geben, von der sie sich einbilden können, dass sie auf sie herunterschauen, dass sie unter ihnen angesiedelt seien, eben Untermenschen also Arschlöcher. Dabei: zumindest sprachlich gibt es vermutlich keine großen Unterschiede zwischen Geisel und der Sprache, der er sich bedient, und denen, die er damit ausgrenzt, wenngleich der einzige, von dem wir wissen, dass er andere menschliche Wesen als Arschlöcher degradiert, derzeit Geisel ist.

Dass ein paar Verwirrte der Ansicht sind, der mindestens ebenso verwirrte Rudolf Hess sei eine geschichtliche Figur, der man nachtrauern muss, ist zunächst einmal nichts, was man besonders zur Kenntnis nehmen muss. Wenn man sich über jeden Totenkult aufregen wollte, dann hätten wir viel zu tun.

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