DIW: Mindestlohn bewirkt NICHTS – alles nur politische Inszenierung

Politiker fühlen sich gerne gut.

Besonders gerne fühlen sie sich gut, wenn sie anderen erzählen können, sie hätten etwas für den kleinen Mann, die sozial Schwachen, die Bildungsfernen, die Armen und gesellschaftlich Benachteiligten getan.

Damit kann man im politischen Diskurs besonders viel Brownie-Punkte gewinnen, wenn man sich für den armen Mann und die arme Frau eingesetzt hat.
Einsatz und Dabeisein sind alles.

Ob sich der Einsatz dann in Zählbares für den armen Mann und die arme Frau übersetzt, ob den vielen politischen Worten Taten nachfolgen, ob die politische Absicht im Wolkenkuckucksheim tanzt und zu keiner Zeit einen Fuß auf die Erde bekommt, das ist egal. Es geht um die Inszenierung, darum, den sozial Schwachen, denen, die man unter sich wähnt, denen man helfen zu können glaubt, zu erzählen, ihnen und all den anderen den Eindruck zu vermitteln, man wolle ihnen helfen.

Es geht nicht darum, ihnen zu helfen.

Ginge es darum, sozial Schwachen zu helfen, Politiker kämen eher auf die Idee, Gewerkschaften, die Lobby der Arbeitsplatzbesitzer und Hüter eines rigiden Arbeitsmarkts, die Flexibilität verhindern und Arbeitslosen den Weg zu einem Arbeitsplatz versperren, zu verbieten als einen Mindestlohn durchzusetzen.
Die ökonomische Literatur (siehe unten) ist voller Beiträge, in denen der negative Einfluss von Gewerkschaften auf die Flexibilität von Arbeitsmärkten und die Fähigkeit von Arbeitnehmern, sich einen neuen oder überhaupt einen Arbeitsplatz zu suchen, dargestellt wird und ebenso ist die ökonomische Literatur voller Beiträge, die die negativen Effekte von Mindestlöhnen beschreiben.

Zu Letzteren gibt es ein einfaches Modell.

Arbeitgeber X hat 1000 Geldeinheiten zur Verfügung, um die Arbeitnehmer A und B und C und D zu beschäftigen. Alle vier verdienen gleich, nämlich 25 Geldeinheiten in zehn Zeiteinheiten.

Politiker führen einen Mindestlohn ein. 25 Geldeinheiten pro Zeiteinheit sind Ihnen zu wenig, 30 sollen es mindestens sein.

Für Arbeitgeber X hat dies zur Folge, dass er pro zehn Zeiteinheiten nunmehr 50 Geldeinheiten pro Arbeitnehmer mehr bezahlen muss.
Insgesamt steigen seine Lohnkosten von 1000 auf 1200 Geld- pro 10 Zeiteinheiten.
Was tut X, wenn er ein rationaler Unternehmer ist, wie in die ökonomischen Modelle vorsehen?

Er hat z.B. die folgenden beiden Möglichkeiten:

Er entlässt D. Damit fallen ihm 10 Zeiteinheiten weg. Für A,B und C entstehen ihm Lohnkosten von 900, zu den ursprünglichen 1000 hat er somit noch 100 frei, die er z.B. an A und B verteilen kann. A und B arbeiten dann 12 Zeiteinheiten und erhalten je 360 Geldeinheiten (wen die 20 mehr Geldeinheiten stören, der kann von 11,7 Zeiteinheiten für A und B ausgehen).

Der Effekt des Mindestlohns: Er erhöht das Verdienst von einigen und kostet manche den Arbeitsplatz.

Möglichkeit zwei sieht vor, dass Arbeitgeber X alle seine Arbeitnehmer behält, aber ihre Arbeitszeit verkürzt. Statt 10 Zeiteinheiten arbeiten alle vier nur noch 8,3 Zeiteinheiten. Die Kosten pro Arbeitnehmer belaufen sich auf nunmehr auf 249 Geldeinheiten.

Der Effekt des Mindestlohns besteht also darin, dass die Arbeitnehmer, die von ihm betroffen sind, weniger arbeiten und entsprechend auch weniger oder maximal gleich verdienen.

Und genau diesen Effekt finden Marco Cliendo, Alexandra Fedorets und Carsten Schröder vom DIW und der Universität Potsdam in ihrer Untersuchung des Effekts des Mindestlohns.

Für ihre Berechnungen nutzen sie Daten des sozioökonomischen Panels (SOEDP) und vergleichen für die selben Befragten, die angeben, Geringverdiener zu sein, deren Entgelt und Arbeitszeit vor und nach der Einführung des Mindestlohns.

Ergebnis: Vom Mindestlohn geht ein positiver Effekt auf den Stundenlohn, ein Plus um 6,5% UND ein negativer Effekt auf die Arbeitszeit aus. „Der positive Effekt auf die Stundenlöhne und der negative Effekt auf die Arbeitszeiten im unteren Lohnsegment … wiegen sich fast auf“ (606).

D.h. die Einführung eines Mindestlohns hat dazu geführt, dass Geringverdiener pro Arbeitsstunde mehr verdienen, aber insgesamt weniger arbeiten. Der Mindestlohn hat die Einkommenssituation der Geringverdiener also in keiner Weise verbessert oder verändert. Er ist einfach verpufft.

Das war vorherzusehen. Ökonomische Studien finden diese Ergebnisse seit Jahrzehnten.

Politiker hätten das wissen können, wenn sie es hätten wissen wollen.

Aber sie wollen es nicht wissen. Sie wollen bei „den Menschen“ den „Eindruck erwecken“, wie Bundeskanzlerin Merkel sich ausdrückt, dass man die Situation von sozial Schwachen verbessert habe. Dass man das nicht getan hat, interessiert niemanden. Es geht um die Symbolik und darum, einen Eindruck zu erwecken.

Wer Lust hat, sich in die Forschung zum Mindeslohn einzulesen, der kann dies mit den folgenden Arbeiten tun (31 und 34 von der Liste sind jeweils ein guter Einstieg in die Forschung, die die negativen Beschäftigungswirkungen von Gewerkschaften zeigt):

  1. Wirtschaft f DummiesAbowd, John M., Kramarz, Francis & Margolis, David N., 1999: Minimum Wages and Employment in France and the United States. Washington: National Bureau of Economic Research (NBER), Working Paper No. 6996.
  2. Baker, Michael, Dwayne, Benjamin & Shuchita, Stanger, 1999: The Highs and Lows of the Minimum Wage Effect: A Time-Series Cross-Section Study of the Canadian Law. Journal of Labor Economics 17, 2: 318-350.
  3. Bauer, Thomas K., Kluve, Jochen, Schaffner, Sandra & Schmidt, Christoph M., 2009: Fiscal Effects of Minimum Wages: An Analysis for Germany. German Economic Review 10, 2: 224-242.
  4. Bellante, Don, 2007: The Non Sequitur in the Revival of Monopsony Theory. Quarterly Journal of Austrian Economics 10, 2: 15-24.
  5. Brown, Charles, 1999: Minimum Wages, Employment and the Distribution of Income. In: Ashenfelter, Orley & Card, David E. (eds.): Handbook of Labor Economics. Amsterdam: Elsevier, 2101-2163.
  6. Burkhauser, Richard V., Couch, Kenneth A. & Wittenburg, David C., 2000: A Reassessment of the New Economics of the Minimum Wage Literature With Monthly Data from the Current Population Survey. Journal of Labor Economics 18, 4: 653-680.
  7. Burkhauser, Richard V., Couch, Kenneth A. & Wittenburg, David C., 1996: ‚Who Gets What’ From Minimum Wage Hikes: A Re=Examination of Card and Krueger’s Distributional Analysis in Myth and Measurement: The New Economics of the Minimum Wage. Industrial and Labor Relations Review 49, 3: 547-552.
  8. Card, David & Krueger, Alan B., 1995: Myth and Measurement: The New Economics of the Minimum Wage. Princeton: Princeton University Press
  9. Card, David & Krueger, Alan B., 1995a: Time-Series Minimum-Wage Studies: A Meta-analysis. American Economic Review 85, 2: 238-243.
  10. Dolado, Juan, Kramarz, Francis, Machin, Stephen, Manning, Alan, Margolis, David, Teulings, Coen, Saint-Paul, Gilles & Keen, Michael, 1996: The Economic Impact of Minimum Wages in Europe. Economic Policy 11, 23: 317-372.
  11. Fitzenberger, Bernd, 2008: Anmerkungen zur Mindestlohndebatte: Elastizitäten, Strukturparameter und Topfschlagen. Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung 42, 1: 85-92.
  12. Fitzenberger, Bernd & Kohn, Karsten, 2006: Skill Wage Premia, Employment and Cohort Effects: Are Workers in Germany All of the Same Type. Bonn: Institute for the Study of Labour, IZA DP No. 2185.
  13. Franz, Wolfgang, 2007: Der trügerische Charme des Mindestlohns. Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung 4: 431-438.
  14. Galindo-Rueda, Fernando & Pereira, Sonia, 2004: The Impact of the National Minimum Wage on British Firms. Final Report of the Low Pay Commission on the Econometric Evidence From the Annual Respondents Database. London: London School of Economics.
  15. Hammermesh, Daniel, 1995: ‚Myth and Measurement:’ The New Economics of the Minimum Wage. Comment. Industrial and Labor Relations Review 48, 4: 830-834.
  16. Kim, Taeil & Taylor, Lowell J., 1995: The Employment Effect in Retail Trade of California’s 1988 Minimum Wage Increase. Journal of Business and Economic Statistics 13, 2: 175-182.
  17. Leigh, Andrew, 2007: Does Raising the Minimum Wage Help the Poor? Economic Record 83, 263: 432-445.
  18. Machin, Stephen, Manning, Alan & Rahman, Lupin, 2003: Where the Minimum Wage Bites Hard: Introduction of Minimum Wages to a Low Wage Sector. Journal of the European Economic Association 1, 1: 154-180.
  19. Machin, Stephen & Wilson, Joan, 2004: Minimum Wages in a Low-Wage Labour Market: Care Homes in the UK.. Economic Journal 114, 494: C102-C109.
  20. Manning, Alan, 2003: Monopsony in Motion: Imperfect Competition in Labor Markets. Princeton: Princeton University Press.
  21. Metcalf, David, 1999: The Low Pay Commission and the National Minimum Wage. Economic Journal 109 (453): F46-F66.
  22. Müller, Kai-Uwe & Steiner, Viktor, 2009: Labor Market and Income Effects of a Legal Minimum Wage – A Microsimulation Study for Germany. Paper proposed for the IZA Conference “The Economics of the Minimum Wage” Berlin, June 21-23, 2009.
  23. Neumark, David, 2001: The Employment Effects of Minimum Wages: Evidence from a Prespecified Research Design. Industrial Relations 40, 1: 121-144.
  24. Neumark, David, Schweitzer, Mark E. & Wascher, William, 2005: The Effects of Minimum Wages on the Distribution of Family Incomes: A Nonparametric Analysis. Journal of Human Resources 40, 4: 867-894.
  25. Neumark, David & Wascher, William, 2007: Minimum Wages and Employment. IZA Discussion Paper No. 2570. Bonn: Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit/Institute for the Study of Labour (IZA).
  26. Neumark, David & Wascher, William, 2002: Do Minimum Wages Fight Poverty? Economic Inquiry 40, 3: 315-333.
  27. Neumark, David & Wascher, William, 1994: Employment Effects of Minimum and Subminimum Wages. Reply to Card, Katz and Krueger. Industrial and Labor Relations Review 47, 3: 497-512.
  28. Neumark, David & Wascher, William, 1992: Employment Effects of Minimum and Subminimum Wages: Panel Data on State Minimum Wage Laws. Industrial and Labor Relations Review 46, 1: 55-81.
  29. Nickell, Stephen, 1997: Unemployment and Labor Market Rigidities: Europe versus North America. Journal of Economic Perspectives 11 (3): 55-74.
  30. Nickell, Stephen & Bell, Brian, 1995: The Collapse in Demand For the Unskilled and Unemployment Across the OECD. Oxford Review of Economic Policy 11, 1: 40-62.
  31. Nickell, Stephen, Nunziata, Luca & Ochel, Wolfgang, 2005: Unemployment in the OECD Since the 1960s. What Do We Know? Economic Journal 115: 1-27.
  32. Ragnitz, Joachim & Thum, Marcel, 2008: Beschäftigungswirkungen von Mindestlöhnen – eine Erläuterung zu den Berechnungen des ifo Instituts. ifo Schnelldienst 61, 1: 16-20.
  33. Ragnitz, Joachim & Thum, Marcel, 2007: Zur Einführung von Mindestlöhnen: Empirische Relevanz des Niedriglohnsektors. Ifo Schnelldienst 60, 10: 33-35.
  34. Scarpetta, Stefano, 1997: Assessing the Role of the Labour Market Policies and Institutional Settings on Unemployment: A Cross-Country Study. OECD  Economic Studies 26: 43-96.
  35. Spriggs, William E. & Klein, Bruce W., 1994: Raising the Floor: The Effect of the Minimum Wage on Low-Wage Workers. Washington: Economic Policy Institute.
  36. Straubhaar, Thomas, 1996: Schutzzoll auf Arbeit – das neue Gesicht des Protektionismus. List Forum 3: 209-221.
  37. Yelowitz, Aaron S., 2005: How Did the $8.50 Citywide Minimum Wage Affect the Santa Fe Labor Market. Washington: Employment Policies Institute.

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