ARD-Bias: Adjektive verraten das Vorurteil

Vermutlich werden es Redakteure bei der ARD, beim ZDF, Deutschlandfunk weit von sich weisen, dass sie einen Bias in ihrer Berichterstattung haben, einen ideologischen Bias, dass sie Informationen durch Selektion und Darstellung verzerren, versuchen, Einfluss auf die Richtung der Urteilsbildung bei ihren Konsumenten zu nehmen.

Und doch: Sie haben einen Bias.

Zuweilen reicht ein kleines Adjektiv, ein kleines wertendes Adjektiv, um diesen Bias deutlich zu machen.

Machen wir zunächst einen Ausflug zu Max Weber und seiner analytischen Kategorie des Idealtypus.

Ein Idealtypus, so schreibt er, „wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankengebilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es ist eine Utopie, und für die historische Arbeit erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbilde steht …“ (191).

Ein Idealtypus kann somit als eine Art Maßstab angesehen werden, an dem eine historische Begebenheit, eine Beobachtung, ein Ereignis oder ein Verhalten gemessen wird. Ein Strafgesetz basiert auf einem Idealtypus menschlichen Verhaltens. Es beschreibt die Abweichung von einer Verhaltenskonvention, von der schon bei der Beschreibung klar ist, dass es sich um eine Utopie handelt, denn wenn es keine Diebe gäbe, müsste man Diebstahl nicht unter Strafe stellen. Der Idealtyp des nicht diebischen Menschen ist eine Utopie.

Idealtypen sind ein nützliches Mittel, um einen Bias in einer Berichterstattung darzustellen.

Ein Beispiel für einen Idealtypus in der Berichterstattung.

Ein Kunde kauft ein Produkt, das nach einer Nutzung von mehr als 2 Jahren schadhaft wird. Er fordert den Kaufpreis zurück. Der Händler weigert sich, den Kaufpreis in voller Höhe zu erstatten und bietet dem Kunden aus Kulanz an, die Hälfte zurückzuerstatten, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Kunde das schadhafte Produkt genutzt hat, bis es eben schadhaft wurde und die Garantie abgelaufen ist. Unser Kunde zieht vor Gericht. Ein Richter spricht ihm zwei Drittel des Kaufpreises zu.





Unser Kunde hat somit einen Erfolg vor Gericht errungen. Er erhält mehr, als ihm angeboten wurde, wenngleich er nicht vollständig erhält, was er gefordert hat. Eine korrekte Berichterstattung über diesen Umstand, der Idealtypus einer korrekten Berichterstattung würde der Tatsache, dass der Kunde mehr erhalten hat, als ihm der Verkäufer angeboten hat, aber weniger als er gefordert hat, insofern Rechnung tragen als er zumindest von einem Teilerfolg, wenn nicht einem überwiegenden Erfolg sprechen würde.

Bei der ARD ist das anders.

Hier werden Adjektive, wertende Adjektive eingestreut, um eine Entwicklung in ihr Gegenteil zu verkehren bzw. so zu tun, als gäbe es sie gar nicht.

Ersetzen wir den Käufer durch die AfD, den Verkäufer durch den Landeswahlausschuss in Sachsen und das Zivilgericht, durch den Sächsischen Staatsgerichtshof.

Im ersten Schritt kürzt der Sächsische Landeswahlausschuss die Landesliste der AfD auf 18 Kandidaten zusammen. (Wir haben davon berichtet.)

Die ARD berichtet auch davon. Sie titelt … „nur noch 18 Kandidaten auf der AfD Landesliste“.

„Nur“, ein Wörtchen, das nach Ansicht von Marketers magisch wirkt: Nur „5,99 (anstatt 6,00) Euro“ und dessen Magie man durch das Wörtchen „noch“ steigern kann: „Nur noch 3 Tage …“ was auch immer es ist, das Kunden zur Handlung bewegen sollen. Die ARD nutzt das „nur noch“ in seiner negativen, fast hämischen Variante: „Nur noch zwei Unterstützer, die XY die Treue halten“, „Nur noch zwei Monate, und dann gehen die Briten im Chaos unter“. Nur noch 10% wollen AfD wählen…



Bereits diese Überschrift lässt Zweifel an der zumindest dem Versuch, objektiv zu berichten, gewidmeten Berichterstattung zu. Der Zweifel wird zur Gewissheit, wenn man die Uhr weiterdreht und vom 5. Juli, als das „nur noch“ fast triumphierend verkündet wurde, zum 16. August springt. Zwischenzeitlich hat der Sächsische Verfassungsgerichtshof deutlich gemacht, dass er gedenkt, mehr als 18 AfD-Kandidaten zur Landtagswahl in Sachsen zuzulassen. Bei der ARD ist diese Absicht angekommen und fast neutral berichtet worden.

In jedem Fall kann man dieser Berichterstattung entnehmen, dass die ARD Redakteure beschäftigt, die trotz aller ideologischen Verblendung Grundrechenarten beherrschen und deshalb wissen, dass 30 Kandidaten auf einer Liste „mehr“ Kandidaten sind als 18.

Diese Wissensinsel, die man am 25. Juli im Angebot der ARD findet, versinkt schnell im Morast ideologischer Dumpfheit, denn das letztendliche Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes, mit dem die 30 Kandidaten der AfD-Liste bestätigt werden, es wird von der ARD wie folgt kommentiert:

Das „nur“, das am 5. Juli 18 Kandidaten bewertet hat, bewertet am 16. August 30 Kandidaten, ganz so, als hätten 12 mehr Kandidaten keine Veränderung in der Bewertung zur Konsequenz. Die Absicht, den Teilerfolg der AfD vor Gericht als Niederlage zu berichten, steht bei der ARD offenkundig höher im Kurs als eine einigermaßen konsistente Berichterstattung, die der Tatsache Rechnung trägt, dass 30 Kandidaten nun einmal mehr als 18 sind und dass dann, wenn 18 „nur“ sind, 30 nicht auch „nur“ sein können.


Das Zitat von Max Weber stammt aus: Die ‘Objektivität’ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: Weber, Max (1988). Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen: JCB Mohr, S.191.



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