Wir wissen nicht, wen Sie wählen wollen, aber unser Prominenter empfiehlt …. Prominente als Wahlhelfer!?

von Dr. habil. Heike Diefenbach

Das Phänomen ist nicht neu: Vor Wahlen zum Landtag, zum Bundestag, vor Europawahlen werben Parteien Prominente an, damit diese sich als Wahlhelfer für die jeweilige Partei verdingen und für sie auf Stimmenfang gehen. Oder Prominente, die Mitglied in einer Partei sind oder ihr ideologisch nahestehen, werben – unentgeltlich oder für Geld – für die jeweilige Partei. So hat z.B. Günter Grass, vor der Bundestagswahl 2005 für die SPD geworben. Für die Bundestagswahl im Jahr 2017 haben sich Roland Kaiser, Iris Berben und Uschi Glas öffentlich für die SPD ausgesprochen (was anzeigt, in welcher Altersklasse die SPD Wähler für sich zu aktivieren versucht hat), für die CDU bzw. speziell für Angela Merkel haben sich u.a. die Fußballspieler Arne Friedrich und Hans Sarpei öffentlich ausgesprochen.

Und der Versuch, vor Wahlen mit Prominenten für bestimmte Parteien oder Kandidaten zu werben, ist auch nicht auf Deutschland beschränkt, sondern weit verbreitet. Beispielsweise haben in der amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 u.a. Beyoncé und Katy Perry für Hillary Clinton geworben, und u.a. Kirstie Alley und Tom Brady für Donald Trump. In der kanadischen Bundeswahl im Oktober dieses Jahres haben Barack Obama für Justin Trudeau und Pamela Anderson für die Grünen geworben.

Hinter der Idee, (mehr oder weniger) Prominente für Wahlkämpfe zu engagieren bzw. zu instrumentalisieren, steckt die Vorstellung, dass damit Aufmerksamkeit bei der Wählerschaft geweckt würde. Die beiden wichtigsten unausgesprochenen Prämissen hinter dieser Vorstellung sind erstens, dass der Einsatz von Prominenten dazu geeignet wäre, Aufmerksamkeit zu erregen, und dass zweitens Aufmerksamkeit für eine bestimmte Partei oder einen bestimmten Kandidaten zu erregen, positiv für diese Partei oder diesen Kandidaten sein müsse und – irgendwie – zu mehr Wahlstimmen führen würde (oder gar: müsse?!).

Die erste Prämisse, nach der der Einsatz von Prominenten dazu geeignet sei, Aufmerksamkeit zu erregen, ist einigermaßen problematisch: wer „prominent“ ist, ist nämlich durchaus unklar. Deshalb hat Boorstin im Jahr 1967 (57) „a celebrity“ bzw. eine/n „Prominenten“ definiert als „… a person well-known for their well-knownness“, und Rein, Kolder und Soller (1997: 15) haben „a celebrity“ bzw. eine/n Prominenten definiert als jemanden „….whose name has attention-getting, interest-riveting and profit generating value“. Das Problem mit der ersten Definition ist, dass sie vollständig tautologisch ist, das Problem mit der zweiten Definition ist, dass sie ebenfalls tautologisch ist, wo sie sich auf „attention-getting“ und „interest-riveting“ bezieht, und unbrauchbar, wo sie sich auf den „profit generating value“ bezieht, weil dieser ja meist unbekannt ist und bleibt oder bestenfalls nach einer Werbekampagne beurteilt werden kann, aber nicht vorher, so dass sich erst im Nachhinein herausstellt, ob der/die „Prominente“ tatsächlich „prominent“ in Sinn der Definition war oder nicht.

Wenn „Prominenz“ bedeuten soll, dass jemand weiten Teilen der Bevölkerung in irgendeiner Weise bekannt ist, dann war Prominenz vermutlich noch niemals zuvor so fragwürdig wie in heutigen pluralen Gesellschaften, in denen verschiedene kleine oder große Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Lebensstile pflegen und unterschiedlichen Subkulturen angehören. Zur Illustration: Kennen Sie z.B. Sertab Erener? Nein!? Türkischstämmige in Deutschland und anderen europäischen Ländern werden sie wahrscheinlich fast alle kennen (und werden vielleicht auch ihre Konzerte im Dezember in Köln oder Stuttgart besuchen). Oder fragen Sie unter Jugendlichen oder jungen Erwachsenen nach Roland Kaiser oder Iris Berben, die wie gesagt im Bundestagswahlkampf 2017 für die SPD geworben haben, und sie werden normalerweise keinen Wiedererkennungseffekt ernten. Die Frage kann also nicht sein, wer „Prominenter“ ist, sondern nur, wer bei wem prominent ist.

Und fragt man weiter danach, wer bei wem warum prominent ist, ist man bei der zweiten der oben genannten Prämissen angekommen, nämlich derjenigen, nach der Aufmerksamkeit für eine bestimmte Partei oder einen bestimmten Kandidaten zu erregen, positiv für diese Partei oder diesen Kandidaten sein müsse und zu mehr Wahlstimmen führen würde. Diese Prämisse ist wenig plausibel. Wenn z.B. es Barack Obama tatsächlich gelungen sein sollte, bei Kanadiern, die sich klar auf Seiten der Konservativen verorten und daher ihre Stimme bei der kanadischen Bundeswahl nicht für die Partei Trudeaus abzugeben planten, Aufmerksamkeit zu erregen, dann werden diese Wähler vermutlich nicht davon Abstand nehmen, die Konservativen zu wählen und statt dessen ihre Stimme der Partei Trudeaus zu geben, nur, weil Barack Obama für Trudeau votieren würde. Eher im Gegenteil: Jemand, der den Konservativen nahesteht, ihnen ihre Stimme zu geben plant, wird von der Tatsache, dass Obama für Trudeau wirbt, eher unbeeindruckt sein, denn dass jemand, der dieselbe oder eine sehr ähnliche Politik verfolgt hat wie Trudeau letzteren „gut“ findet, ist nicht besonders verwunderlich und daher auch nicht besonders beeindruckend, weder für jemanden, der eine andere Politik bevorzugt, noch für diejenigen, die diese Politik ohnehin befürworten: Wer die Politik, für die Obama stand, befürwortet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit ohnehin die Politik Trudeaus befürworten, und deshalb ist für seine Wahlabsicht die Werbung, die Obama für Trudeau macht, ohnehin nicht ausschlaggebend.

Warum also sollte es sich für Parteien oder Kandidaten lohnen, d.h. in mehr Wählerstimmen niederschlagen, wenn Prominente sich als Werbe“fritzen“ für Parteien oder Kandidaten verdingen oder engagieren?

Eine Antwort auf diese Frage könnte lauten, dass zumindest bestimmte Prominente für Sachkompetenz und Integrität bekannt sind und ihre Einschätzung oder Empfehlung deshalb Gewicht bei Wählern hat (Jackson & Darrow 2005). Ein rationaler Wähler, der Sachkompetenz und Integrität in Rechnung stellt, ist aber eben das, rational, und wird sich deshalb kaum auf die Empfehlung einer einzigen Person (oder weniger Person, die alle im Wesentlichen miteinander übereinstimmen,) verlassen, auch dann nicht, wenn er ihrem Urteil zu vertrauen können glaubt. Als rationaler Wähler wird er sich den Argumenten verschiedener Personen widmen und sie gegeneinander abwägen wollen, statt seine Urteilsfähigkeit sozusagen abzutreten an eine Person, die er kompetent und glaubwürdig findet, und es ihr zu überlassen, die Entscheidung zu treffen, die er selbst treffen soll.

Eine andere Antwort könnte darin bestehen, dass Wählern überhaupt nicht zugestanden wird, ein rationales Urteil fällen zu wollen oder zu können, und daher durch den Einsatz von Prominenten versucht wird, die emotionale Seite der Wähler anzusprechen. In diesem Fall müssten Prominente nicht sachkundig oder integer sein, sondern sympathisch, witzig, attraktiv, altbekannt und beliebt oder sonstwie persönlich ansprechend (außer durch Sachkenntnis und Integrität). Aber warum sollten Wähler, die auf emotionale Ansprache reagieren, stärker von Prominenten angesprochen werden können als von ihren unmittelbaren Bezugspersonen oder Rollenmodellen aus ihrem Alltagsleben wie Familienmitgliedern, Freunden, Kollegen etc.

Beide Antworten auf die Frage, warum Wähler ihre Stimme einer Partei oder einem Kandidaten geben sollten, für den eine prominente Person wirbt, sind also einigermaßen zweifelhaft oder unbefriedigend, und deshalb ist es kein Zufall, dass das Zutrauen in die Effektivität von Polit-Werbung nur mit Bezug auf eine bestimmte Klientel formuliert wird, nämlich mit Bezug auf Personen, deren Einstellungen und Präferenzen noch wenig gefestigt oder leicht veränderbar sind, die von Idolen oder Rollenmodellen leicht beeinflussbar sind oder nicht über hinreichend Willen, Interesse oder Engagement verfügen, um sich selbst sachkundig zu machen und zu einer eigenständigen rationalen (hier: Wahl-/)Entscheidung zu kommen. Diesen Kriterien entsprechen am ehesten Erst- oder junge Wähler, und deshalb ist es kein Zufall, dass in der Literatur fast ausnahmslos auf die Effektivität von Polit-Werbung bei dieser Wählergruppe abgestellt wird:

„First, young people’s adulation of celebrities makes them an attractive target for celebrity appeals … Second, young voters’ attitudes and preferences regarding political candidates are often unstable … , which make them a campaign target. Third, although they show lower involvement and interest in politics and elections, communicating with the right message and through the right medium can increase young voters’ engagement in the political process … Fourth, encouraging young voters to vote is important because their voting behaviors can become habitual …” (Chou 2015: 524).

Gerade der im Zitat zuletzt genannte Punkt dürfte erklären, warum der Beeinflussung junger Wähler durch Polit-Werbung mit Prominenten viel Bedeutung beigemessen wird: ist ein junger Mensch erst einmal auf emotionaler Ebene erfolgreich angesprochen und dadurch zu einer bestimmten Wahlentscheidung gebracht worden, geht es „nur“ noch darum, sie als möglichst unhinterfragte Vorgabe für zukünftige Wahlentscheidungen zu etablieren und zur gewohnheitsmäßigen Entscheidung zu machen – so die Idee.

Um so überraschender ist, dass es bislang nur wenige Untersuchungen darüber gibt, ob, wie oder wie stark Polit-Werbung mit Prominenten junge Menschen emotional ansprechen kann oder sie sogar zu einer entsprechenden Wahlentscheidung bringen kann. Die wenigen Studien, die es gibt, weisen darauf hin, dass dies nur in geringem Ausmaß in speziellen Kombinationen von Prominentenmerkmalen und den Merkmalen der jungen Menschen gelingt.

So konnten Jackson und Darrow (2005) zwar zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, die Zustimmung anglophoner, kanadischer Studenten der Politikwissenschaft mit bestimmten politischen Slogans dadurch zu erhöhen, dass Prominente aus dem Bereich der Pop-Musik und des Sports für diese Slogans werben (Jackson & Darrow 2005), aber der Effekt war nicht bei allen Prominenten zu beobachten: Während einige Prominente für alle Studenten in der Studie einen positiven Effekt auf deren Zustimmung zu bestimmten politischen Slogans hatten, hatten einige Prominente aus dem Bereich der populären Musik nur dann diesen Effekt, wenn die Studenten in der Studie Fans ihrer Musik waren.

Chou hat im Zusammenhang mit einer realen Wahl in Taiwan 60 Jungwähler die u.a. die Attraktivität und den politische Sachverstand mehrerer prominenter Werber für verschiedene Parteien einschätzen lassen, ihre eigene Parteienpräferenz und ihre Kontaktinformationen erfragt, um nach der Wahl ihre tatsächliche Wahlentscheidung erfragen zu können. Die Studie ergab das Folgende:

„… political ads endorsed by political figures or idols (versus regular citizens) improve young voters’ attitudes toward the ad, endorser, and party and increase turnout intentions. Additionally, idol endorsements increase intentions to vote for the advertised party more than regular citizen endorsements” (Chou 2015: 537).”

Soweit stimmen die Befunde mit der Idee überein, dass junge Menschen durch Polit-Werbung durch Prominente für bestimmte Parteien gewonnen werden können. Aber auch in der Studie von Chou zeigte sich, dass die Dinge nicht so einfach liegen, denn

„… voters respond better to ads featuring political figure endorsements that recommend a preference-inconsistent party, but they respond better to ads featuring idol endorsements in ads for a preference-consistent party” (Chou 2015: 537).

Prominente aus dem Bereich der Kultur hatten also einen größeren Effekt auf die Jungwähler als Prominente aus dem Bereich der Politik, wenn die Parteipräferenz des Jungwählers mit der Partei übereinstimmte, für die der Prominente warb, aber bei entsprechender Nicht-Übereinstimmung hatten Prominente aus dem Bereich der Politik einen größeren Effekt.

Darüber hinaus stellte Chou fest:

„… under the party-inconsistency … condition, regular citizen endorsements generate similar effects to idol … endorsements, but worse effects than political figure …  endorsements” (Chou 2015: 537).

und umgekehrt:

Wenn die Parteipräferenz eines Jungwählers nicht mit der Partei übereinstimmte, für die geworben wurde, hatte Werbung durch nicht-prominente Bürger einen ähnlich starken Effekt wie Werbung durch Prominente aus dem Bereich der Politik, aber einen weniger starken Effekt als die Werbung durch Prominente aus dem Bereich der Kultur.

Und was das tatsächliche Wahlverhalten betrifft, so stellte Chou fest:

„… compared to regular citizen endorsements, both idol … and political figure endorsements … increased the likelihood that participants would vote for the advertised party; however, the effects for the latter were not significant” (Chou 2015: 536).

Parteien-Werbung durch Prominente aus dem Bereich der Politik hatte in dieser Studie also keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit dem tatsächlichen Wahlverhalten der Jungwähler.

Außerdem hat sich gezeigt, dass auch mit Bezug auf den Effekt von Parteien-Werbung durch Prominente auf die tatsächliche Wahlentscheidung von Jungwählern die Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung der Parteienpräferenz mit der Partei, für die der Prominente wirbt, eine Rolle spielt:

  • Bei Nicht-Übereinstimmung betrug die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Jungwähler die beworbene Partei wählt, gut 33 Prozent, wenn die Partei von einem Prominenten aus dem Bereich der Politik beworben wurde, 20 Prozent, wenn die Partei von einem Prominenten aus dem Bereich der Kultur beworben wurde, und 10 Prozent, wenn die Partei von einem nicht-prominenten Bürger beworben wurde (Chou 2015: 536).
  • Bei Übereinstimmung zwischen Parteipräferenz des Jungwählers und der beworbenen Partei betrug die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Jungwähler die beworbene Partei tatsächlich wählt, 89 Prozent, wenn die Partei von einem Prominenten aus dem Bereich der Kultur beworben wurde, und gut 58 Prozent bzw. 55 Prozent, wenn die Partei von einem nicht-prominenten Bürger bzw. von einem Prominenten aus dem Bereich der Politik beworben wurde (Chou 2015: 536).
Quelle

Man beachte, dass gerade einmal gut die Hälfte der Jungwähler die Partei gewählt haben, die sie präferierten [!], wenn für diese Partei durch einen Prominenten aus dem Bereich der Kultur oder einen nicht-prominenten Bürger geworben wurde. Dieser Befund wirft die Frage auf, ob Polit-Werbung durch Prominente aus dem Bereich der Kultur oder durch nicht-prominente Bürger für eine Partei, die ein Jungwähler präferiert, einen negativen Effekt hat, also den Effekt, den Jungwähler von der Wahl der so beworbenen Partei, für die er (bislang) eine Präferenz hatte, abzuschrecken. Möglicherweise ist es (gerade?) für den Respekt von Jungwählern vor sich selbst wichtig, sich als nicht durch Politik-Fremde/s mit Bezug auf politische Entscheidungen manipulierbar zu zeigen. Diese Erklärung stünde im Einklang mit dem Befund, dass die Werbung durch Prominente aus dem Bereich der Politik keinen vergleichbaren negativen Effekt auf die Wahlentscheidung von Jungwählern hat: für den Jungwähler wird das eigene Urteilsvermögen in Sachen Politik durch die Einschätzung eines Prominenten aus dem Bereich der Politik, der dieselbe Parteipräferenz hat wie der Jungwähler, nicht zweifelhaft. Wenn das so ist, bedeutet es, dass Prominente aus dem Bereich der Politik keinen positiven Einfluss auf das Wahlverhalten von Jungwählern haben, aber zumindest keinen (so) negativen Einfluss wie Prominente aus dem Bereich der Kultur; Prominente aus dem Bereich der Politik leiten das Wahlverhalten von Jungwählern nicht an, sondern scheinen von Jungwählern – umgekehrt – als externe Bestätigung der eigenen Parteipräferenz bzw. des eigenen Wahlvorhabens angesehen zu werden. Leider nimmt Chou zu diesem Befund, über dessen Erklärung ich hier spekuliert habe, selbst keinerlei Stellung.

Jedenfalls zeigen sowohl die Studie von Jackson und Darrow als auch die Studie von Chou, dass Zusammenhänge zwischen Polit-Werbung durch Prominente und Wahlabsicht oder Wahlverhalten von Jungwählern nur teilweise bestehen bzw. qualifiziert sind durch weitere Größen wie den Bereich, aus dem ein Prominenter kommt, den Präferenzen für bestimmte Prominente oder den speziellen Bereich, den sie repräsentieren, und die Übereinstimmung zwischen bei Jungwählern bestehenden Parteipräferenzen und der beworbenen Partei. Polit-Werbung durch Prominente als solche hat also keinen allgemeinen positiven Effekt auf das Wahlverhalten von Jungwählern, und insofern muss Polit-Werbung durch Prominente zur Beeinflussung von Jungwählern im Großen und Ganzen als Geldverschwendung betrachtet werden. Chou versucht, angesichts der ernüchternden Ergebnissen seiner Studie für die Werbebranche zu retten, was vielleicht zu retten ist und nimmt zu seinen Ergebnissen wie folgt Stellung:

“… political endorsement ads influence young voters’ real voting behaviors. Although some effects are only directionally consistent, even tiny changes are valuable for candidates, and these can alter election results when competition is fierce” (Chou 2015 : 538),

oder auf den Punkt gebracht: Polit-Werbung durch Prominente kann – im Sinn von: möglicherweise, in bestimmten Konstellationen – das Wahlverhalten von Jungwählern beeinflussen, und wenn der Wettbewerb stark ist, dann hilft jedes kleine Bisschen weiter, und das muss als Legitimationsversuch für Polit-Werbekampagnen mit Prominenten genügen. Tatsächlich zeigen die Befunde, wie gesagt, dass sich solche Kampagnen nicht lohnen, zumindest dann nicht, wenn das Ziel ist, zu erreichen, dass Jungwähler tatsächlich die beworbene Partei wählen.

Und was ist mit Erwachsenen bzw. der Gesamtheit aller Wähler? Sind Polit-Werbekampagnen mit Prominenten bei ihnen wirksamer? Die Frage kann auf der Basis einer Meta-Analyse zur Wirksamkeit von Polit-Werbung durch Prominente auf der Basis von 46 Studien, die Knoll und Matthes (2017) durchgeführt haben, verneint werden:

„Findings revealed strong positive and negative [!] effects when theoretically relevant moderators were included in the analysis … Furthermore, celebrity endorsements performed worse compared to endorsements of quality seals, awards, or endorser brands” (Knoll & Matthes 2017:55),

Und

“[t]he analysis revealed a zero overall effect of celebrity endorsements on consumers’ responses. Yet there were strong effects on some dependent measures and under some conditions” (Knoll & Matthes 2017: 66).

Wer für Parteien, bestimmte Politiken oder Kandidaten für politische Ämter werben will, wäre also gut beraten, in andere Arten von Werbung als die mit Hilfe von Prominenten zu investieren. Vielleicht sollte man es zur Abwechslung (wieder) einmal mit Argumenten für oder gegen bestimmte politische Programme oder konkrete Politiken versuchen. Es mag für das sogenannte Establishment zu einer Identitätskrise führen, einsehen zu müssen, dass „da draußen“ keine mehr oder weniger einfältigen, ungebildeten oder gar dummen Behältnisse lebendiger Art wandeln, in die man mit der ein oder anderen Manipulationsstrategie einfüllen kann, was man bei Gelegenheit gerne wieder herausfließen lassen will; aber wenn es nicht gänzlich irrelevant werden will, wird es seine Einschätzung der „normalen Bürger“ ändern und versuchen müssen, Ideologie und Emotion zu überwinden und vernünftige Argumentation zu erlernen, um dem Niveau und den Ansprüchen der „normalen Bürger“ – und ja, auch der jungen Bürger, die anscheinend einen gewissen Anspruch an die eigene Rationalität und das eigene Urteilsvermögen haben (s.o.) – in Zukunft genügen zu können.


Literatur:

Boorstin, Daniel. J., 1962: The Image or What Happened to the American Dream. Harmondsworth: Penguin.

Chou, Hsuan-Yi, 2015: Celebrity Political Endorsement Effects: A Perspective on the Social Distance of Political Parties. International Journal of Communication 9(2015): 523-546.

Jackson, David J. & Darrow, Thomas I. A., 2005: The influence of Celebrity Endorsements on Young Adults’ Political Opinions. Harvard International Journal of Press/Politics, 10(3), 80–98.

Knoll, Johannes & Matthes, Jörg, 2017: The Effectiveness of Celebrity Endorsements: A Meta-analysis. Journal of the Academy of Marketing Science, 45(1), 55-75.

Rein, Irvin J., Kotler, Phillip & Soller, Martin R., 1997: High Visibility: The Making and Marketing of Professionals into Celebrities. Lincolnwood, IL: NTC Publishing Group.



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