Journalisten sind Modernisierungsverlierer: Journalistenverband jammert

Gäbe es Sozialismus, eine geregelte Staatspresse, Kaufzwang für Zeitungen und alles, was Journalisten-Darsteller so zusammenschreiben, die Welt wäre für Sebastian Huld wohl in Ordnung (in letzter Zeit häufen sich die Sebastians im Zusammenhang mit Unfug, Korrelation, Kausalität, Zufall?). Huld schreibt im Blog des Deutschen Journalistenverbands und hat dort gerade einen Jammerartikel veröffentlicht, der es mit jedem Jammertext der Genderista aufnehmen kann. Hauptgegenstand: Journalisten sind Modernisierungsverlierer.

Das würde Huld natürlich so nie schreiben, denn mit dem Begriff Modernisierungsverlierer, der – seit ihn Dr. habil. Heike Diefenbach (Hallo Marburg: unser Think Tank!) für uns wiederentdeckt hat, bei uns immer beliebter wird -, verbindet sich natürlich die Prämisse des persönlichen Scheiterns. Modernisierungsverlierer sind Individuen, die auf der Strecke bleiben, die es nicht schaffen, sich an die veränderten Randbedingungen, den WANDEL anzupassen. Modernisierungsverlierer sind spröde Personen, deren Ambiguitätstoleranz so gering ist, dass sie lieber mit dem sinkenden Schiff untergehen, als den Kahn zu wechseln.  Viele Journalisten sind Modernisierungsverlierer, die die Zeichen der Zeit missgedeutet haben und nun den Absprung nicht schaffen.




Wenn Huld das Gleiche schreibt, dann liest sich das wie folgt:

“In diesen Tagen bangen einmal mehr zahlreiche Journalistinnen und Journalisten zusammen mit ihren Redaktionskollegen um ihre Arbeit. Die “Westdeutsche Zeitung” streicht rigide zusammen, was von dem einst stolzen Regionalblatt über ist. Die Mitarbeiter der “Mopo” erfahren aus der Zeitung, dass eine Komplettschließung ihrer Redaktion droht. Die Medienvielfalt schrumpft weiter, im Lokalen sieht es düster aus. Ein Ende ist nicht absehbar.”

Die Medienvielfalt ist der Witz des Jahrhunderts. Suchen Sie einen kritischen Text zum Klimawandel in der “Medienvielfalt”, die vornehmlich darin besteht, dass derselbe Text unter einem anderen Zeitungslogo erscheint, und Sie wissen, was es mit der deutschen Medienvielfalt auf sich hat.

Medienvielfalt ist für Journalisten-Darsteller, die den Anschluss verpasst haben, ein magischer Begriff. Wenn man ihn intoniert und lange genug schwingen lässt, so die Hoffnung, dann findet sich ein staatlicher Rietter, z.B. ein Sozialdemokrat, der sich daran erinnert, dass die SPD ein Presseimperium hat, und lässt Steuergelder rüberwachsen, damit die Modernisierungsverlierer noch etwas länger den Anschluss verpassen können.

Was den Modernisierungsverlierer aber insbesondere auszeichnet, ist seine vollkommene Unfähigkeit, die Probleme, mit denen er sich konfrontiert sieht, also die (berufliche) Unsicherheit, die ihn getroffen hat, richtig zu attribuieren. Statt sich zu fragen, warum die Absatzzahlen von Zeitungen an allen Orten sinken (Tipp: Es könnte etwas mit der Qualität des Angebots zu tun haben), statt sich zu fragen, ob Printmedien noch zeitgemäß sind (Tipp: Es könnte etwas mit der Konkurrenz durch das Internet zu tun haben), statt sich zu fragen, ob man selbst einen Anteil am Niedergang der Nachfrage nach journalistischen Erzeugnissen hat (Tipp: sycophantism does not sell), wird die Schuld bei anderen gesucht. Warum muss sich die Welt auch ändern? Warum schreitet die Zeit voran? Warum gibt es technische Entwicklung? Was waren das noch Zeiten, als sich die Bürger aus ihrer Tageszeitung informieren (konnten) mussten? Können wir nicht das Internet verbieten?



Das Problem, das Huld mit seiner Schuldsuche hat, sie muss einen Sündenbock erbringen, und muss vollständig ausschließen, dass Zweifel an der Qualität des journalistischen Angebots oder der Journalismus-Darsteller aufkommen können. Seine Lösung ist die Lösung, die Genderista auch immer wählen, um den eigenen Misserfolg anderen in die Schuhe zu schieben. Während bei Genderista immer das “Patriarchat” schuld ist, ist es bei Huld der Kapitalismus:

“Vor diesem Hintergrund ist das Nachrichtengeschäft mit seinen hohen Kosten und überschaubaren Margen schlicht uninteressant geworden, wie auch der gegenwärtige Umbau des Springer-Konzerns unter der Beteiligung von KKR demonstriert. Das Zeitungssterben ist keine Medienkrise. Es ist die Folge eines Wirtschaftssystems, das sein angestammtes Gesellschaftssystem, die Demokratie, nicht braucht. Das Zeitungssterben ist Ausdruck einer tiefgreifenden Systemkrise.”

Der grandiose Journalismus, der Deutschen derzeit so intensiv zugemutet wird, dass ihn immer weniger als Tages- oder Wochenzeitung kaufen wollen, er ist zwar rentabel, so behauptet Huld, aber nicht rentabel genug für die Raubtierkapitalisten, die alles, was unter 10%-Rendite erwirtschaftet plattmachen. Man kann, auch im Jahre 2020 noch die Floskeln absondern, die nahezu unverändert im Rahmen der russischen Revolution und in den folgenden Jahren der kommunistischen Umweltzerstörung abgesondert wurden. Man kann es, wenn man ein Modernisierungsverlierer ist. Man kann auch im Jahre 2020 dem magischen Glauben anhängen, dass ein rationaler Unternehmer ein Unternehmen, das eine Rendite abwirft, zerstört, weil ihm die Rendite nicht groß genug ist. Und natürlich bleibt der Unfug unbelegt.

Statt eines Belegs für seine wilde Behauptung, huldigt Huld seinen Tagträumen , Träumen über ein Paradies, das er nie besessen, aber dennoch verloren hat, Träume über eine bessere Vergangenheit, die er zwar nicht durchlebt hat, die aber dennoch besser war, sozialistische Träume eines Lebens ohne Mehrwert, eines Lebens ohne Wandel, eines Leben ohne Streben, … vom Tod. Morbide Todessehnsucht ist ein weiteres Kriterium, das den Modernisierungsverlierer in der Regel auszeichnet. Bei Huld nimmt es die folgende Form an:

“Das Zeitungssterben ist keine Medienkrise. Es ist die Folge eines Wirtschaftssystems, das sein angestammtes Gesellschaftssystem, die Demokratie, nicht braucht. Das Zeitungssterben ist Ausdruck einer tiefgreifenden Systemkrise.”

Das nun ist – in a nutshell – wie wir sagen, der Grund dafür, dass niemand mehr journalistische Erzeugnisse der Qualität “Huld” kaufen will. Es ist sanctimonious crap und falsch. Legionen von Politikwissenschaftlern haben sich mit der Frage beschäftigt, in welchem Verhältnis Demokratie und Kapitalismus zueinander stehen, denn erfolgreiche Staaten, so haben diejenigen unter den Menschen, die des Wahrnehmens ihrer Umgebung fähig waren, schnell gemerkt, sind demokratisch verfasst. Und alle Demokratien haben sich durch ein kapitalistisches Wirtschaftssystem ausgezeichnet. Scheinbar, so haben sie gedacht, gibt es das eine nicht ohne das andere. Die berühmte These von Seymour Martin Lipset, die der jammernde Huld natürlich nicht kennt, dass nämlich Kapitalismus zwangsläufig zu Demokratie führt. Lipset hat die These 1959 aufgestellt. Sie ist nicht unwidersprochen geblieben. Sklar (1987) hat die Kausalität umgedreht und argumentiert, dass Kapitalismus nur im Rahmen einer entwickelten Demokratie möglich sei. Barro (2000) hat etwas Leben in die Bude gebracht und festgestellt, dass für wirtschaftliches Wachstum Demokratie nicht notwendig sei. 



Jahrzehnte der politikwissenschaftlichen Diskussion, die ebenso wie der gesellschaftliche Wandel, den er bejammert, an Huld vorbeigegangen sind, haben zu der Erkenntnis geführt, dass drei Zutaten den Link zwischen Demokratie und Kapitalismus herstellen, alle drei sind sie gleichermaßen Bestandteil dessen, was man als demokratisches System bezeichnen würde und Voraussetzung für einen erfolgreichen Kapitalismus:

  • Rechtsstaatlichkeit 
  • Gewährleistung von Eigentum
  • Bekämpfung von Korruption

[Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein Streit darüber geführt wird, ob Individualrechte, also im wesentlichen Freiheitsrechte ein notwendiger Bestandteil von Kapitalismus sind. Wir sind der Überzeugung, dass dies der Fall ist. Barro (2000) hat dagegen argumentiert und darauf verwiesen, dass es wirtschaftlichen Erfolg auch in Diktaturen gibt. Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass die entsprechenden Diktaturen allesamt nicht stabil sind und man in anderen Verfassungen, wie z.B. der Theokratie des Iran kaum von kapitalistischen Systemen sprechen kann. Ergo, sehen wir die Verbindung zwischen Demokratie und Kapitalismus wie Lipset als interdependent, es gibt das eine nicht ohne das andere. For the sake of argument stellen wir diese Überzeugung hier zurück und begnügen uns mit den drei genannten Faktoren!] 

Quelle

Diese drei Faktoren machen aus Demokratien wirtschaftlich erfolgreiche Demokratien und sie sind gleichzeitig die Voraussetzung für einen erfolgreichen Kapitalismus. Es sei Huld zugestanden, dass es politische Systeme geben mag, die Rechtsstaatlichkeit, Gewährleistung von Eigentum und Bekämpfung von Korruption zum Kern ihrer Verfasstheit machen, und kein demokratisches System sind, vielleicht eine Form der Monarchie, indes: es gibt kein Beispiel, das dauerhaft gewesen wäre. Dauerhaft ist nur die Verbindung aus Demokratie und Kapitalismus, alle anderen Formen der Kooperation zwischen politischem und Wirtschaftssystem, vor allem alle sozialistischen Experimente, sind gescheitert. 

Was sich Huld in seinem Gehirn zusammenträumt, ist also schlicht und ergreifend empirisch nicht möglich. Ein Kapitalismus, der von demokratischen Institutionen losgelöst ist, funktioniert nicht, denn die Garantie der drei notwendigen Faktoren erfolgt in Deutschland nun einmal im Rahmen eines demokratischen Systems. Es täte manchem Journalisten-Darsteller sicherlich gut, zuweilen das freie affektive Fabulieren zugunsten des Denkens aufzugeben und sich zu fragen, wie ein wirtschaftliches von einem politischen System losgelöst werden kann? Es spricht derzeit alles dafür, dass die staatlichen Eingriffe und das Zerstörungswerk, das z.B. die Berliner Landesregierung an Eigentumsrechten leistet, während die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland einem großflächigen Angriff durch politisch Korrekte ausgesetzt ist, dazu führen werden, die alte Verbindung zwischen politischem System und Wirtschaftssystem wieder in Erinnerung zu bringen: Denn gehen die drei gemeinsamen Faktoren, dann ist Kapitalismus nicht möglich. Was bleibt ist die übliche sozialistische Gleichheit im Elend.

Falls es Huld gelingt, diesen Brocken zu verdauen, kann er sich seinem eigentlichen Problem zuwenden: Wandel. Die Welt wandelt sich. Die Nachfrage nach bestimmten Produkten schwindet. Das ist ein normaler Lebenszyklus in kapitalistischen Systemen, wie Huld schon daran merken könnte, dass die Nachfrage nach Schreibmaschinen regelrecht eingebrochen ist. Ob er wegen dieses Einbruchs auch eine Systemkrise ausruft und den von ihm entdemokratisierten Kapitalismus verantwortlich macht oder ob seine Jammerlichkeit darauf zurückzuführen ist, dass er selbst betroffen ist und Angst vor Veränderung, Angst vor dem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt und Angst davor hat, sich beidem stellen zu müssen, wir wissen es nicht zu 100%, aber wir haben eine recht plausible Vermutung.


Barro, Robert J. (2000). Rule of Law, Democracy, and Economic Performance. In: M. A. Miles et al. (Hrsg.). 2000 Index of Economic Freedom. Washington, D.C.: The Heritage Foundation, pp.31-51.

Lipset, Seymour Martin (1959). Some social requisites of democracy: economic development and political legitimacy. American Political Science Review 53(3): 69-105.

Sklar, Richard L. (1987). Developmental democracy. Comparative studies in society and history 29(4): 686-714.




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