Freiheit – Man muss sie ständig aufs Neue ERKÄMPFEN

Freiheit.
Liberté – der erste der drei Grundwerte der französischen Revolution, die freilich weniger in Freiheit als in totalitäre Terrorherrschaft gemündet ist

Im Regierungsprogramm der CDU/CSU, unter dem Deutschland derzeit leidet, findet sich der Begriff der Freiheit 21 Mal (auf 76 Seiten), zumeist als Religionsfreiheit (sechs Mal), nicht einmal als INDIVIDUELLE Freiheit. Freiheit, die nicht als Wahlfreiheit (von Eltern), Barrierefreiheit (!sic) oder Pressefreiheit bestimmt ist, findet sich ausschließlich als Floskel in der folgenden Form:

“Wir müssen Flagge zeigen für Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaat und Europa. Über Parteigrenzen und parteipolitische Interessen hinweg. CDU und CSU sind dazu bereit.
[…]
Ein Europa der Freiheit, der Sicherheit und der Prosperität, die es – falls erforderlich – auch gemeinsam verteidigen kann.”

Die SPD bringt den Begriff der Freiheit auf den 116 Seiten ihres Regierungsprogramms immerhin 30 Mal unter. Abermals nur als bedingte Freiheit (als gewährtes Recht) oder als Floskel. Die SPD, als Medienkonzern, ist vornehmlich mit Informations- und Medienfreiheit (6 Nennungen) beschäftigt, selbst Meinungsfreiheit wird im Kontext von Medien diskutiert. Ansonsten gibt es Gebühren-, Barriere- (zweimal), Wahl- und Schulgeldfreiheit. Auch bei der SPD ist das Wissen um INDIVIDUELLE Freiheit nicht vorhanden. Nicht einmal dann, wenn von Grundfreiheiten die Rede ist: Was eigentlich die Aufzählung individueller Freiheitsrechte erwarten lässt, bezieht sich auf die Europäische Union und dort auf wirtschaftliche Freiheiten, die im freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital bestehen.



Ein paar Kostproben der Freiheitsfloskeln, die die SPD bemüht. Wer bei wem abschreibt, die SPD bei der CDU oder umgekehrt, ist eigentlich egal:

“Die SPD steht wie keine andere Partei für die europäische Idee. Diese Idee eines geeinten Europas ist für mehr als 500 Millionen Menschen das Versprechen auf ein Leben in Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand.
[…]
Wir wollen das Freiheitsversprechen des Netzes zurückgewinnen.
[…]
Wir wollen ein modernes und weltoffenes Deutschland – mit einer Gesellschaft, die zusammenhält, und in der wir in Frieden und Freiheit zusammenleben – über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.”

Man muss aus all dem den Eindruck gewinnen, er drängt sich förmlich auf, dass Parteien in Deutschland der Ansicht sind, Freiheit gebe es nur bedingt, wobei das “Geben” wichtig ist, denn Freiheit wird individuellen Bürgern in dieser Vorstellungswelt durch ihren Staat, seine Regierung gegeben, zugestanden, im Bereich von Gebühren, Forschung, Wissenschaft, Meinung, ja selbst beim Schulgeld.

Wir verwenden den Rest dieses Posts, um den Begriff “Freiheit” aus der Leere politischer Regierungsprogramme zu reißen und ihm die Bedeutung zuzuweisen, um die ihn die Parteien offenkundig berauben wollen.



Die radikale Form von Freiheit findet sich bei Thomas Hobbes. Er ist nicht nur aus diesem Grund, einer unserer Lieblingsphilosophen. Im 14. Kapitel seines Leviathan definiert er Freiheit als die “Abwesenheit äußerer Hindernisse”. Diese äußeren Hindernisse können Freiheit bedingt, aber nicht vollständig streitig machen. Hobbes denkt hier an konkrete Randbedingungen, die durch physiologische Notwendigkeiten gesetzt werden, z.B. die Suche nach Nahrung, den Zugang zu Trinkwasser. Er denkt an Grenzen, die die Natur zieht (z.B. durch die üble Einrichtung eines kalten Winters und die Nahrung zerstörende Unwetter usw.). Wichtig ist die Einbettung dieser “Abwesenheit äußerer Hindernisse” in das, was er als das “natürliche Recht” benennt: “die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt, seines eigenen Lebens einzusetzen”.

Diese Freiheit ist bedingungslos. Die Idee, dass ein Staat seinen Bürgern die Inhalte vorgibt, die Meinungsfreiheit umfassen sollen und die Benutzung anderer, die er Hatespeech nennt, verbieten will, wäre für Hobbes zutiefst befremdlich, nicht weil er die Möglichkeit ausgeschlossen hätte, dass Dritte ihre Macht einsetzen, um bestimmte Individuen zu unterdrücken, sondern weil er der Ansicht war, dass keine Unterdrückung dauerhaft erfolgreich sein kann, weil eben jeder Mensch das Recht auf alles hat. Das schließt explizit das Recht ein, andere Menschen zu töten. Folglich kann kein Mensch und wenn er noch so erfolgreich darin ist, andere zu unterdrücken, jemals sicher sein, dass nicht im nächsten Moment jemand auftaucht und ihm den Schädel einschlägt. Diese Unsicherheit ist der Grund für Hobbes, das Leben von Menschen als einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz zu bezeichnen. Denn es ist ein Krieg jedes vollumfänglichen Rechteinhabers gegen jeden anderen vollumfänglichen Rechteinhaber, der zwangsläufig in den Krieg eines jeden gegen jeden einmündet: Der Mensch als des Menschen Wolf, ein weiteres der Bonmots, die Thomas Hobbes geprägt hat.

Nun gibt es einen Ausweg aus dieser Misere: VERNUNFT.

Die Vernunft ermöglicht es unterschiedlichen Menschen zur selben Gewissheit darüber zu kommen, dass menschliches Zusammenleben die Bereitschaft dazu, anderen nicht den Schädel einzuschlagen (suche Frieden und halte ihn ein), voraussetzt. Aber nicht nur das. Das zweite Gesetz der Natur, wie Hobbes es nennt, ist seine Variante eines Kategorischen Imperativs, die freilich ein Jahrhundert vor der Kantschen Variante formuliert wurde:

“Jedermann soll freiwillig, wenn andere ebenfalls dazu bereit sind, auf sein Recht auf alles verzichten, soweit er dies um des Friedens und der Selbstverteidigung willen für notwendig hält, und er soll sich mit soviel Freiheit gegenüber anderen zufrieden geben, wie er anderen gegen sich selbst einräumt.”

Eine faszinierende Formulierung, die vollkommen selbstverständlich die Agency für das eigene Leben bei den einzelnen Menschen belässt. Jeder einzelne Mensch muss für sich entscheiden, ob er besser damit fährt, auf ein paar Freiheiten zu verzichten und im Gegenzug eine Garantie für ein Leben in Frieden und damit einhergehend, Prosperität und Sicherheit erhält. Hobbes formuliert hier die Grundlage seines Gesellschaftsvertrags, denn er hat keinen Zweifel, dass ein rationaler Mensch bereit ist, ein paar seiner Freiheiten zu opfern, um im Gegenzug Sicherheit zu gewinnen, wobei die Sicherheit zwei Gegenstandsbereiche hat, Sicherheit des Lebens und des Eigentums.

Wie weit moderne Gesellschaften doch von dieser Normalität des menschlichen Lebens entfernt sind.
Parteien denken, Freiheitsrechte seien Bestandteil ihres Deputats, das sie aushändigen oder verweigern können. Junge Menschen laufen durch Straßen und fordern, die Freiheit einzelner durch Gesetze gegen Klimawandel einzuschränken. Ganze Zweige der Sozialindustrie haben sich darauf spezialisiert, Freiheitsberaubung zu betreiben, z.B. indem sie Vorschriften für das richtige Leben, die korrekte Form der Bewegung, Steuern auf Alkohol, Verbote von Tabakprodukten und vieles mehr betreiben.

Aus der Gesellschaft der freien Individuen ist eine Gesellschaft geworden, die sich dadurch auszeichnet, dass Völkerstämme ihr Auskommen dadurch gewinnen, anderen ihre Freiheit streitig zu machen.

Diese Perversion von Freiheit ist bereits bei Hobbes angelegt, denn sein Gesellschaftsvertrag, der Freiheitsrechte gegen gesichertes Leben und Eigentum tauscht, basiert eben auf dem Nullsummenspiel zwischen Freiheit und Sicherheit. Mehr Sicherheit bedeutet weniger Freiheit und umgekehrt. Hobbes hat nun gedacht, menschliche Vernunft sei weit genug entwickelt, um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in einer Weise zu finden, die Freiheit maximiert. Er hat seine Rechnung ohne Opportunisten und diejenigen gemacht, deren Selbstwert daraus erwächst, dass sie anderen schaden, die in einer Weise mit dem Versprechen von Sicherheit handeln, in der früher Marktschreier ihren Krötentrunk auf der Basis verbreiteter Angst vor Krankheit vermarktet haben.

Es gibt eine Versprechensindustrie.

Sie verspricht das lange Leben, wenn man nur bereit ist, seine Freiheit, zu essen, zu trinken, zu rauchen usw. aufzugeben und sich einem Regime unterzuordnen. Diejenigen, die es versprechen, die Zucker aus Nahrungsmitteln streichen wollen, Menschen bestimmte Nahrungsmittel gleich ganz verbieten wollen, handeln in Sicherheit. Sie sind, wenn man so will, Sicherheitsunternehmer, die, wegen des Nullsummenspiels, das oben erwähnt wurde, gleichzeitig Freiheitsberauber sind.

Sie verspricht die Rettung des Planeten im Gegenzug für einen bislang nie dagewesenen Verzicht auf Freiheiten, von der Reisefreiheit, über die Konsumfreiheit, die Meinungsfreiheit bis zur Unternehmens- und Wissenschaftsfreiheit. Die Verkäufer der Chimäre der Sicherheit nächster Generationen sind die schlimmsten Freiheitsberauber, und sie sind auch im Hinblick auf das Versprechen von Lebenssicherheit für zukünftige Generationen Scharlatane. Ein Meteorit reicht, um das Versprechen zu pulverisieren.

Sie verspricht die Rettung des eigenen Lebens aus der Bedeutungslosigkeit durch Unterordnung unter ein Sprachregime, eine Unzahl von Verhaltensmaßregeln, die denjenigen auszeichnen, der ein perfekter Jünger des Woke-Kults ist, der Worte mit *_Innen verunstaltet, kein Zigeunerschnitzel mehr bestellt, der das N-Wort nicht benutzt, Rassismus verbal zu jeder Tages- und Nachtzeit bekämpft, sich selbst kasteit, weil er weiße Hautfarbe hat, der dies alles aber vornehmlich deshalb tut, weil ihm ideelle Absolution für die Sünden der Väter versprochen wurde und er hofft, andere, die nicht seinem Kult angehören, die Regeln, die sein Leben bereits beherrschen, vorschreiben zu können.

Wie kann es von der Gesellschaft der selbstbewussten Individuen, die sich frei entscheiden, einen kleinen Teil ihrer Rechte abzugeben, um Sicherheit zu gewinnen, zu einer Gesellschaft der Mimosen kommen, in der sich Unfreie darum bemühen, ihre Unfreiheit weiter zu steigern, eine Gesellschaft in der man jede Form von Freiheit durch einen noch so offensichtlich erlogenen Verweis auf Sicherheit, wie dies im Rahmen von Hatespeech und beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschieht, beseitigen kann?

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