Westminster Election: Ewiggestrige streiten mit der Zukunft

Für viele im Vereinigten Königreich ist die Wahl vom 12. Dezember eine Art Schicksalswahl. Es geht nicht nur darum, ob mit Boris Johnson ein Premier im Amt bestätigt wird und eine Mehrheit im Unterhaus erhält, der endlich den versprochenen Brexit über die Bühne bringt. Es geht auch darum, ob die uralten Modelle der Sozialisten, mit denen die Regierungen von Clement Attlee, Harold Wilson und James Callaghan das Land heruntergewirtschaftet haben, die uralten Pläne die Verstaatlichung predigen und das Blaue vom Himmel versprechen, um bei denen, vor allem den Jungen, die noch für die Erzählung vom Paradies auf Erden anfällig und mit dem Appell an den Neid und die Missgunst gewinnbar sind, Punkte zu machen, die Modelle aus den 1970er Jahren, im 21. Jahrhundert umgesetzt werden sollen.

Jeremy Corbyn und seine Corbynista stehen für den Versuch, die Zeit zurückzudrehen und einmal mehr den Sozialismus zu versuchen, der schon in der Vergangenheit heftig und vor allem regelmäßig und mit viel blood, sweat and tears gescheitert ist.

Gegen die ewiggestrigen Sozialisten stehen die Konservativen, die urplötzlich zur treibenden Kraft des Fortschritts geworden sind, wenn sie es nicht ohnehin schon immer waren, immerhin hat Margaret Thatcher den Britischen Aufbruch zu verantworten, der das Land wieder zu einem freien und wirtschaftlich führenden Land gemacht hat.

Wie steht es im Kampf zwischen den Ewiggestrigen und den Fortschrittlichen?



Der Ausgang britischer Wahlen ist für Meinungsforschungsinstitute schon seit Jahrzehnten ein Buch mit sieben Siegeln und häufig ein Fiasko sondersgleichen, was daran liegt, dass das House of Commons (HoC) mit Mehrheitswahlrecht gewählt wird. Im Vereinigten Königreich gibt es 650 Wahlkreise, genannt Constituencies, in denen Kandidaten um einen Sitz im HoC streiten. Eine Constituency umfasst in der Regel zwischen 65000 und 90000, zum Teil darunter, zum Teil darüber, Wähler. Wer die meisten Stimmen der Wähler, die auch wählen, erhält, der ist gewählt, no ifs no buts, wie Johnson sagen würde.

So reichen zuweilen 24.000 Stimmen, um ins Unterhaus gewählt zu werden. Und zuweilen, in den Marginal Constituencies, ist es eng, entscheiden 20, 50, vielleicht 100 Stimmen darüber, welcher, der Kandidaten ins Unterhaus einziehen kann. Kurz: Ein Alptraum für Meinungsforscher, der nur dadurch gelindert wird, dass die meisten Constituencies über Jahrzehnte hinweg im Besitz einer Partei sind. Fast alle Constituencies, die auf Höhe oder unterhalb von London liegen, sind in der Hand der Tories. Mittelengland ist weitgehend in der Hand von Labour, die Schotten wählen mehrheitlich ihre Nationalisten und der Norden von England und Wales sind umstritten, umstritten zwischen Tories und Labour (bzw. Plaid Cymru im Falle von Wales).



So war es früher. Der Brexit bzw. der nicht erfolgte Brexit hat die Karten jedoch neu gemischt und dazu geführt, dass Labour um seine Heartlands bangen muss. Eine Analyse von Datapraxis, eine recht gut gemachte Analyse, die für Labour untersucht, welche Chancen die Partei auf eine Mehrheit hat, kommt zu dem Ergebnis, dass Labour bestenfalls dann, wenn es ein Hung Parliament gibt, wenn also keine Partei die Mehrheit von 326 Sitzen im Unterhaus erringen kann, eine Chance hat, an die Regierung zu gelangen und auch diese Chance ist “slim”: “we at Datapraxis believe there is absolutely no chance of a Labour majority. The likeliest scenario remains a significant Tory majority”.

Alles Johnson oder was?

Das genau ist die Frage, die uns bewegt. Grund ist die folgende Umfrage für den Wahlkreis Wrexham, einer von uns also, eine welsh constituency.

Wrexham ist, was man früher eine Festung für Labour bezeichnet hat. Seit 1935 ist der Wahlkreis in Labour Hand. Und jetzt meldet Survation, ein Meinungsforschungsinstitut, Folgendes:

Ein Erdrutsch zu Gunsten der Tories, die wie Datapraxis in seiner Analyse schreibt, in 32 Red Wall Constituencies on the March sind. Mit anderen Worten, Labour droht ein Meltdown in 32 seiner ehemaligen Hochburgen:

21 der ehemaligen Labour Hochburgen wechseln zu den Tories, wenn die Prognose von Datapraxis zutrifft. Dem stehen 17 Constituencies gegenüber, in denen Labour eine Hochburg der Tories schleifen könnte, wenn alles gut laufen würde, was es, wie Datapraxis prognostiziert, aber nicht wird. Alle 17 Constituencies von Camborne & Redroh über Milton Keynes (I knew there was a Milton Keynes, kleiner Gag für Eingeweihte) bis zu unserem welsh Vale of Glamorgan, die Wahlkreise bleiben blau in der Wahlkreiskarte.

Die Unsicherheit, die sich mit Prognosen verbinden, wird dadurch gesteigert, dass niemand wirklich weiß, ob und wenn ja wie viele Wähler sich taktisch verhalten werden. Die Libdims, die in den letzten Wochen nur auf dem absteigenden Ast waren, haben mit Plaid Cymru in Wales Absprachen, damit beide Parteien sich keine Stimmen wegnehmen und in anderen Wahlkreisen werben eine Reihe von Internetseiten, die größte davon wird von George Soros finanziert, dafür, die eigene Stimme an die Partei zu geben, die den Tories am gefährlichsten werden könnte. Genutzt hat dies bislang nichts. Es spiegelt sich nicht in den Umfragen wieder. Wenn es einen Effekt hatte dann den, die Remainer unter den Tories davon zu überzeugen, dass sie zur Wahl gehen müssen, um Boris Johnson eine komfortable Mehrheit zu verschaffen.

Die derzeitige Prognose des Ausgangs der Westminster Wahl vom Donnerstag sieht wie folgt aus:

Electoral Calculus, die wohl beste Adresse für solche Rechnereien, sagt eine Mehrheit von mindestens 46 Sitzen für die Tories voraus. Das ist der schlechteste Fall, der für die Tories eintreten kann. Der beste Fall, der eintreten kann, ein landslide, sieht die Tories 441 Sitze gewinnen. Das wäre dann eine zwei Drittel Mehrheit und ist entsprechend unwahrscheinlich.


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Aber, wie gesagt, das einzige, was sicher ist, ist die Unsicherheit derartiger Prognosen, die noch gesteigert wird, wenn die letzten Entwicklungen eingerechnet werden. Die neueste Hochrechnung von Britain Elects, in die alle Umfragen eingehen, die von einzelnen Meinungsforschungsinstituten durchgeführt werden, zeigt etwas, was es in diesem Stadium des Wahlkampfes bislang noch nicht gegeben hat: Der Anteil der Tories steigt und der berühmte last-minute Labour surge bleibt aus, im Gegenteil, Labour verliert. 

Es sieht also danach aus, als wäre Boris Johnson nicht nur der aktuelle, sondern auch der neue Prime Minister, der mit einer komfortablen Mehrheit im HoC ausgestattet ist.

Und wenn man als Wahlforscher ganz verzweifelt ist, dann kann man immer noch bei Paddy Power nachsehen, wie die Odds stehen, wen die Buchmacher als wahrscheinlichsten Sieger der Westminsterwahl sehen.

Es ist eben doch alles Johnson … no ifs no buts.



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