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Selbständige sind die offeneren und umgänglicheren Menschen

Es gibt Forschungsergebnisse, da wird einem so richtig warm ums Herz. Ein solches Ergebnis haben Michael Fritsch und Alina Sorgner, beide abhängig an der Friedrich Schiller Universität Jena beschäftigt, gerade veröffentlicht: Selbständige sind die offeneren und umgänglicheren Menschen, so lautet meine selfemploymentZusammenfassung der Ergebnisse, und natürlich kann ich das als Selbständiger beurteilen. Ich halte mich nämlich auch für einen offenen und umgänglichen Menschen (Nein, ich bin nicht offen für Widerspruch, auch nicht im Kommentarbereich). Die Autoren verstecken dieses herausragende Ergebnis hinter der folgenden, drögen Formulierung: „…we enrich the discussion by showing that personality plays an important role in the development of an entrepreneurial career…“ (26).

Soweit die Behauptungen, nun zum Beleg.

Das berichtete Ergebnis steht am Ende eines Textes, der mit „Stepping Forward: Personality Traits, Choice of Profession, and the Decision to Become Self-Employed“ überschrieben und in der Reihe SOEPpapers erschienen ist. Darin interessieren sich die Autoren für die Determinanten der Entscheidung, sich selbständig zu machen. (Das hätten sie alles einfacher haben können: einfach mich fragen, aber gut, bislang wusste ich nicht, wie repräsentativ ich bin). Dazu entwerfen sie ein Modell (siehe Abbildung), das die Entscheidung, selbständig zu werden, als zweistufigen Prozess beschreibt. Stufe 1 stellt dabei die Berufswahl, Stufe 2 die Entscheidung, sich selbständig zu machen, dar. Wie man sieht, sind Berufswahl und Entscheidung, sich selbständig zu machen, von denselben Variablen oder Determinanten beeinflusst, was ich etwas seltsam finde. Meine Entscheidung dafür, VWL, Politikwissenschaft und später Wissenschaftslehre zu studieren, hatte nichts mit Rollenmodellen zu tun. Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt waren mir herzlich egal, sonst hätte ich etwas anderes, z.B.  BWL oder Jura studiert, und Vorbilder der Selbständigkeit hatte ich auch nicht. Andere werden selbständig, weil sie den Laden von ihrem Vater übernehmen, z.B. als Winzer oder Steuerberater. Und die Entscheidung, sich selbständig zu machen, hat natürlich etwas mit den (Arbeits-)Marktbedingungen zu tun, in meinem Fall ganz konkret, denn die seltsamen Studien, die ich betrieben habe, sind eine Gemengelage mit meiner Persönlichkeit eingegangen, die dazu geführt hat, dass Selbständigkeit schlicht die beste (oder einzige) Wahl war. Insofern macht das Modell der Autoren also intuitiv und an meinem Beispiel Sinn. Schauen wir daher, wie sie es prüfen.

Grundlage der Modell-Prüfung ist einmal mehr das Sozio-Ökonomische Panel (SOEP). Nein, ich habe keine Präferenz für diesen Datensatz. Wer jemals damit gerechnet hat, kann keine Präferenz für die SOEP-Daten haben, aber sie gehören nun einmal zu den wenigen Datensätzen, mit denen man in der Sozialforschungsbrache Deutschland empirisch arbeiten und Modelle prüfen kann. Zu diesem Schluss sind Fritsch und Sorgner wohl auch gekommen, und deshalb haben sie mit dem SOEP gerechnet, und zwar auf einer Basis von 5,100 Befragten, von denen 630 (12,4 Prozent) selbständig sind.

Der erste Schritt der Analysen ist deskriptiv und deshalb interessant, weil die Autoren per t-test untersuchen, wie sich Selbständige von abhängig Beschäftigten unterscheiden. Die Unterschiede sind mannigfaltig:

Bei diesen Ergebnissen, könnte man es eigentlich belassen, denn die multivariaten Analysen, die nachfolgen, bestätigen die Ergebnisse weitgehend. Aber, das Modell war zweistufig und bislang ist nur zusammengestellt, was die Entscheidung, sich selbständig zu machen, bedingt. Welche Rolle der gewählte Beruf dabei spielt, ist bislang noch nicht untersucht. Entsprechend betrachten die Autoren für verschiedene Berufssparten (Management, Dienstleistung, Handel, Gesundheit und Bildung), wie hoch der Anteil Selbständiger ist und wie die Selbständigkeit im entsprechenden Beruf durch Randbedingungen erklärt werden kann.

Es ist dies der Teil der Analyse, der zwar gut aufgebaut und dargestellt ist, in dem der Leser aber derart mit Zahlen und Tabellen in Kleindruck erschlagen wird, dass selbst die Autoren ein Einsehen haben und nur einen (kleinen) Teil der dargestellten Ergebnisse berichten. Hier wäre sicher weniger mehr gewesen. Unter der Fülle der Einzerlergebnisse halte ich die folgenden für besonders interessant:

Aufmerksame Leser werden feststellen, dass die Gewissenhaftigkeit und der Neurotizismus die multivariate Analyse nicht als Einflussfaktoren überlebt haben, so dass als Charaktereigenschaft von Selbständigen die Risikobereitschaft, die Offenheit und die Extravertiertheit bleiben. Die beiden Persönlichkeitsfaktoren Offenheit und Extraversion wurden dabei wie folgt gemessen:

Ja, so ist das mit uns Selbständigen, und ich bin mit einem Forschungsergebnis zum ersten Mal rundum zufrieden!

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