Deutsche: Extremisten in der Wertegemeinschaft – welche westlichen Wert werden eigentlich derzeit verteidigt?

Floskeln gehören zum Handwerkszeug eines Polit-Darstellers wie die Maurerkelle zu dem eines Maurers. Ohne Floskeln ist ein Polit-Darsteller nahezu sprachlos, in jedem Fall aber bar aller Mittel, sich als XY zu inszenieren. Floskeln erfüllen nicht nur den Zweck, die eigene politische Inszenierung zumeist mit einem Appell an Emotionen zu unterfüttern, sie dienen auch dazu, Zugehörigkeit zu schaffen, denn was wäre ein Polit-Darsteller, der sich ja als Führer empfindet [aus welchen Gründen auch immer] ohne diejenigen, die sich von ihm führen lassen wollen? Ergo bietet er den Willigen eine gemeinsame, oft genug geteilte “Floskelbasis” an, über die man die Phantasie nähren kann, man habe etwas Verbindendes.

“Westliche Werte” ist eine solche Floskelbasis. Westliche Werte umfassen so ziemlich alles, was man im Hinblick auf menschliches Zusammenleben und politische Ordnung ideologisch aufblasen und als den einzig richtigen Wert ausgeben kann. “Westliche Werte” sind ein offener Appell an Zusammengehörigkeit, denn wer ist nicht Anhänger von Demokratie, Offenheit, Toleranz, Diversität, … ergänzen Sie eines der Plastikwörter, die heute so umfassend in Gebrauch sind. Westliche Werte sind In-Group bildend. Man selbst ist ein Guter mit westlichen Werten, anders als die Unguten mit russischen oder iranischen oder anderen Werten.

Indes, die Frage, wieviel Fundament diese westlichen Werte in der Bevölkerung haben, nein, wie viel Fundament sie in den Bevölkerungen weltweit haben, ist eine Frage, die – dem Floskelcharakter geschuldet – bislang nicht gestellt wird, nicht gestellt wurde.

Aber nun gibt es einen Beitrag im Wirtschaftsdienst.
Diesen Beitrag:

Menkhoff, Lukas (2023). Strange World: Only a Minority Shares Germany’s “Values”. Wirtschaftsdienst 103(8): 546 – 552.

Menkhoff interessiert sich nicht für die westlichen Werten, über die Polit-Darsteller Floskeln bilden, Menkhoff interessiert sich für Werte und Einstellungen, wie sie in Bevölkerungen tatsächlich vorhanden sind. Und um sein Interesse zu befriedigen, benötigt er Daten, Daten, die Werte und Einstellungen in unterschiedlichen Bevölkerungen zum Gegenstand haben. Daten, wie sie u.a. der World Value Survey und die European Value Study bereitstellen. Beide liefern kombiniert Daten für rund 150.000 Befragte in 90 Ländern der Erde, auf deren Grundlage Menkhoff untersucht, in welcher Weise die Einstellungen und Werte der deutschen Befragten mit Einstellungen und Werten von Befragten aus den im Datensatz verbleibenden 89 Ländern kongruent sind.

Sein Ergebnis: Deutschland ist ein Ausreißer-Wert unter den Bevölkerungen.

Die erste Analyse, die das zeigt, stellt die Mittelwerte auf Fragen “nach den wichtigsten Dingen des Lebens” für deutsche Befragte, den Mittelwerten für Befragte aus den anderen 89 Ländern gegenüber. Im Ergebnis [berücksichtigt sind nur statistisch signifikante Unterschiede] legen deutsche Befragte mehr Wert auf Freunde und Freizeit und Politik, weniger auf Arbeit und Religion, als die Befragten aus den 89 verbleibenden Ländern.

[Die Kodierung geht von positiv nach negativ, geringere Mittelwerte geben damit die Zuweisung einer höheren Bedeutung an.]

Freunde, Freizeit, Politik, das deutsche Set der im Leben wichtigen Dinge, steht dem internationalen Set von Arbeit und Religion gegenüber.

Ein Ergebnis, das sich mehr oder weniger durch die Analyse von Menkhoff zieht.

Die nächste Frage, die Menkhoff untersucht, hat einen linksidentitären Hintergrund, umfasst also vier der Dinge, die Linken so wichtig sind, dass sie sie ständig im Munde führen: Genderismus, LSBTusw, Rassismus, ergänzt um Abtreibung. Und in allen vier Bereichen sind deutsche Befragte weltweite Ausreißer, man könnte auch sagen, Extremisten. Die folgenden Abbildungen, die die Durchschnittswerte für 90 Länder und die entsprechende Verteilung auf sehr pfiffige Art visualisieren, zeigen diese sehr deutlich. Geht es um die Zustimmung zur Frage, ob Stellen bevorzugt mit Männern besetzt werden sollen, wenn Arbeitsplätze knapp werden, dann finden sich deutsche Befragte im Bereich von einer Standardabweichung vom Gesamtmittelwert, bei “Homosexualität” (Wann kann Homosexualität gerechtfertigt werden?) und Rassismus (Hätten Sie ein Problem mit einem Nachbarn anderer Herkunft?) weicht die Position deutscher Befragter noch weiter von der Verteilung in den restlichen 89 Ländern ab, nicht ganz so extrem ist die Position deutscher Befragter im Hinblick auf Abtreibung (Wann kann Abtreibung gerechtfertigt werden?)

Menkhoff fasst seine Ergebnisse wie folgt zusammen:

“In der Summe wird aus den Antwortverteilungen, wie sie in den Abbildungen 1 und 2 wiedergegeben werden, klar, dass die Wertevorstellungen in der Welt offensichtlich heterogen sind und Deutschland in der Welt nicht„mittig“, sondern eher am Rand platziert ist.”

Ein schöner Euphemismus.

Nun ist Menkhoff Volkswirt, d.h. er interessiert sich nicht für Einstellungen und Werte an sich, sondern dafür, wie sich die von deutschen Polit-Komparsen so oft im Munde geführten und bei Entwicklungshilfe zur Voraussetzung von Hilfe überhaupt gemachten westlichen Werte in der typisch deutschen Ausprägung auf internationale Handelsbeziehungen auswirken, immerhin lebt die deutsche Wirtschaft im Wesentlichen vom Export. Daher ist es interessant zu sehen, in welchen Ländern deutsche Werte und Einstellungen, wie sie gerade dargestellt wurden, geteilt werden:

Wertepartner-Bevölkerungen sind in Skandinavischen Ländern, Neuseeland und den Niederlanden zu finden, weniger Gemeinsamkeit besteht bereits mit den Bevölkerungen der Wertegruppe 2, und mit den Bevölkerungen, die ab Gruppe 3 zusammengestellt sind, gibt es kaum eine Verbindung in Einstellung und Werten. Das ist insofern interessant als in der Ukraine (Gruppe 3) “westlichen Werte” verteidigt werden, wobei man sich zwangsläufig fragen muss, welche Werte das sein sollen, angesichts einer kaum vorhandenen Schnittmenge zwischen deutscher und ukrainischer Bevölkerung. Zu Gruppe 4 gehören auch Länder wie Afghanistan und Syrien. Sie bilden gemeinsam mit dem Irak die Herkunftsländer einer großen Zahl, in Einstellung und Wert mit der deutschen Bevölkerung weitgehend Inkompatibler, die über die letzten Jahre nach Deutschland zugewandert sind.

Ein Rezept für Desaster.

Indes, um es noch einmal zu wiederholen: Menkhoff ist Volkswirt und interessiert sich für die beschriebenen Kompatibilitätsprobleme vor dem Hintergrund einer deutschen Wirtschaft, die auf den Export in Länder angewiesen ist, die die Wertebasis und die Mehrheitseinstellungen der deutschen Befragten in weiten Teilen nicht teilen. Vor diesem Hintergrund plädiert Menkhoff gegen das deutsche Wertewesen, an dem deutsche Polit-Darsteller die Welt genesen lassen wollen und dafür, Werte Werte und Export Export sein zu lassen – oder, wie er das ausdrückt:

Wenn Sie Zeit haben, schauen Sie doch einmal bei unserem ScienceFiles Shop vorbei.

“Gleichzeitig liegt es aber im deutschen Interesse, gleichgültig ob man an die außenwirtschaftlichen Interessen denkt oder an die Sicherung globaler Güter (die breite internationale Kooperation erfordert) denkt, mit den weitaus meisten Ländern Übereinkommen zu finden, trotz aller Konkurrenz …

Solche Übereinkommen werden im Allgemeinen nicht auf dem Maßstab geteilter Werte basieren können. Wertepartnerschaften sind entweder eine ziemlich inhaltsleere Kategorie[,] oder sie sind im internationalen Rahmen, gerade außerhalb Europas, rar. Die (Wirtschafts-)Politik muss sich also in diesem Sinn in einer „fremden“ Welt bewegen und vielleicht ist es ein Stück weit hilfreich zu akzeptieren, dass Menschen in anderen Ländern gegenwärtig meist andere Vorstellungen von einer guten Gesellschaft haben als die in Deutschland. Sicher wäre es aus deutscher Sicht harmonischer und einfacher, wenn alle so „bewerten“ würden wie Deutschland, aber genau dies werden die Menschen in anderen Ländern auch aus ihrer Perspektive denken.”

Menkhoff ist ein Meister des Euphemismus.

Indes, die Inkompatibilität von bestimmten Werten, die man in wirtschaftlichen Beziehungen weitgehend ignorieren kann, sie kann im täglichen Zusammenleben nicht ignoriert werden, wenn man den Inkompatiblen nicht aus dem Weg gehen kann. Die Migrationspolitik westlicher Staaten ist vor diesem Hintergrund und explizit auf Basis der Ergebnisse von Menkhoff eine Zeitbombe, die darauf wartet, in die Luft zu gehen.

Suchen Sie Deckung.


Folgen Sie uns auf Telegram.
Anregungen, Hinweise, Kontakt? -> Redaktion @ Sciencefiles.org
Wenn Ihnen gefällt, was Sie bei uns lesen, dann bitten wir Sie, uns zu unterstützen. ScienceFiles lebt weitgehend von Spenden. Helfen Sie uns, ScienceFiles auf eine solide finanzielle Basis zu stellen.
Wir haben drei sichere Spendenmöglichkeiten:

Donorbox

Unterstützen Sie ScienceFiles


Unsere eigene ScienceFiles-Spendenfunktion

Zum Spenden einfach klicken

Unser Spendenkonto bei Halifax:

ScienceFiles Spendenkonto: HALIFAX (Konto-Inhaber: Michael Klein):
  • IBAN: GB15 HLFX 1100 3311 0902 67
  • BIC: HLFXGB21B24

Print Friendly, PDF & Email
8 Comments

Bitte keine Beleidigungen, keine wilden Behauptungen und keine strafbaren Inhalte ... Wir glauben noch an die Vernunft!

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Entdecke mehr von SciFi

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen