Kann Sozialismus richtig sein?

Ein Beitrag von Frank Schirrmacher in der FAZ, bei dem es sich um eine mehr oder weniger eingedeutschte Variante eines Beitrags von Charles Moore im Telegraph handelt, sorgt derzeit für Diskussionsstoff. Die These des Beitrags von Schirrmacher lautet in aller Schlichtheit, “der Neoliberalismus” habe das bürgerliche Denken okkupiert und nutze bürgerliche Ideen wie Freiheit, Autonomie, Selbstbestimmung bei gleichzeitiger Zähmung des Staates, um eine Agenda der Bereicherung der Reichen auf Kosten der Armen durchzusetzen. Beleg für diese These ist Schirrmacher die Bankenkrise, die gezeigt habe, dass “Banken die Gewinne internationalen Erfolgs” wie er durch die Globalisierung ermöglicht worden sei, an sich reißen, “und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen”. Damit stimmt Schirrmacher in den Chor derjenigen ein, die Banken als Inbegriff neoliberaler Wirtschaftsordnung sehen und die Bankenkrise als Krise des Neoliberalismus interpretieren.

Der Kern der Kritik Schirrmachers am Neoliberalismus ist somit ein Verteilungsargument: Profiteure heimsen Gewinne ein und sozialisieren Verluste. Die Behauptung scheint bestens durch die staatlichen Rettungsaktionen belegt, wie sie in den Jahren 2008 und 2009 in westlichen Industrienationen notwendig waren, um manche Banken vor der Pleite zu retten. Diese Rettung wurde damit begründet, dass die Banken systemrelevant seien, eine Pleite der Banken einen “meltdown” des gesamten Finanzsystems nach sich ziehen werde. Horrorszenarien wurden von den Politikern beschrieben, die zur Rettung der Banken in Reihe anstanden, dass viele der Politiker in den Aufsichtsräten der Banken sitzen, die in Schieflage geraten sind, sei nur am Rande erwähnt. In jedem Fall machte das Bonmot vom too big to fail die Runde, und die Politiker handelten entsprechend, schon weil die Mehrzahl der in Deutschland zu rettenden Banken sich im öffentlichen Eigentum befinden.

Also wurde im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) eingerichtet, der sich im Wesentlichen in zwei Bereiche gliedert: die Übernahme von Garantien für und die Rekapitalisierung von Banken. Der Fonds hat einen Umfang von 400 Milliarden Euro. Bis zum 30. September 2009 wurden Mittel in Höhe von 203.83 Milliarden Euro abgerufen, davon 174.58 Milliarden Euro als Garantieleistung und 29.3 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung. Zu den Banken, die bislang zu Schuldnern des SoFFin geworden sind, gehören u.a. die HRE (100% Bundeseigentum), die Bayern LB, die HSH Nordbank, die Commerzbank AG (25% + eine Aktie in Bundeseigentum), die Volkswagen Bank, die IKB Deutsche Industriebank, die Aareal Bank, die West LB, sowie die Düsseldorfer Hypothekenbank.

Es gehört unausweichlich zu einem neoliberalen Weltbild, dass Unternehmungen nicht nur profitabel sein, sondern auch insolvent werden können. Beides beschreibt den Grundmechanismus dessen, was Hayek die spontane Ordnung des Marktes genannt hat: Die spontane Ordnung des Marktes resultiert aus der Anwendung evolutionär erfolgreicher Verhaltensregeln durch die Marktakteure. Evolutionär erfolgreich können nur Verhaltensregeln sein, die letztlich zu Ergebnissen führen, mit denen die Akteure zufrieden sein können. Das Scheitern von Unternehmen am Markt ist somit eine Grundbedingung des ökonomischen Fortschritts – werden Unternehmen daran gehindert oder davor geschützt, Pleite zu gehen, wird der wichtigste der Marktmechanismen, nämlich der Preismechanismus ausser Kraft gesetzt. Es ist aus neoliberaler Sicht also falsch, Banken zu retten, denn wie jeder Unternehmer, so gehen auch Banken Risiken ein und wenn Banker zu große Risiken eingehen, dann müssen sie mit den Folgen leben.

Aber, so wurde im Moment der Rettung behauptet, es sind die Sparer, die die Zeche zahlen, denn ihre Einlagen gehen mit den Banken unter. Diese Behauptung war zu keinem Zeitpunkt richtig, denn die Einlagen der Sparer sind gleich mehrfach abgesichert, einmal durch das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG), das 1998 in Kraft trat und das durch Einlagensicherungsfonds privater, öffentliche-rechtlicher und genossenschaftlicher Banken ergänzt wird (Abbildung). Wenn die Sparer als Begründung staatlicher Bankenrettung ausfallen, dann fragt sich, warum die großflächigen Rettungsaktionen durchgeführt wurden und was die Begründung für das “too big to fail” ist. Die Antwort, drängt sich eigentlich auf: die Verflechtungen zwischen Staat und Banken sind zu groß, als dass sich Staaten die Insolvenz von Banken leisten können. Einserseits sind in Deutschland die öffentlichen Banken unverzichtbare Finanzierungsquellen für Kommunal-, Landes- und Bundeshaushalte, andererseits gehören Banken zu den größten Gläubiger ihrer Staaten. Es wäre interessant zu sehen was passiert wäre, wenn die Commerzbank angesichts finanzieller Not die deutschen Staatsobligationen, die sich im Besitz der Bank befinden, verkauft (oder angesichts der damaligen Turbulenzen eher verscherbelt) hätte oder die Außenstände von der Bundesregierung kurzfristig eingefordert hätte. In keinem Fall wären die Auswirkungen für die Fähigkeit des deutschen Staates, sich am Finanzmarkt Kredit zu besorgen, sicher positiv gewesen. Dies zeigt, dass zwischen Staat und Banken eine sehr enge, eine zu enge Verflechtung besteht, eine Verflechtung, die mit Sozialismus vereinbar ist, mit Neoliberalismus nicht.

Nimmt man vor diesem Hintergrund auch nur einen Moment eine Perspektive jenseits der Kritik am Neoliberalismus ein, die derzeit “trendy” ist, dann stellt sich die Bankenkrise als Ergebnis staatlicher Intervention dar, die zum Ergebnis hat, dass Banken, die schlecht gewirtschaftet haben, nicht mit der Insolvenz oder erheblichen finanziellen Verlusten dafür bestraft werden. Bestraft werden die Banken, die gut gewirtschaftet haben und deren Geschäftsmodell sich evolutionär bewährt hat. Die Folgen staatlicher Bankenrettung, und somit die Folgen dieses Staatssozialismus sind unübersehbar: nicht funktionsfähige Geschäftsmodelle werden künstlich und mit viel Geld am Leben gehalten, bewährte Geschäftsmodelle werden bestraft. Diese Situation ist mitnichten ein Ergebnis des Neoliberalismus, sie ist ein Ergebnis linker Politik. Dass dem so ist, wird bestens belegt durch einen logischen Fehler in der Argumentation von Schirrmacher: Wenn es nämlich so ist, dass “Banken die Gewinne internationalen Erfolgs” wie er durch die Globalisierung ermöglicht worden ist, an sich reißen, “und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen”, wozu dann eine Bankenrettung? Die an-sich-gerissenen-Gewinne sollten ausreichen, um die Verlust aus der Finanzkrise zu decken! Was also übrig bleibt, ist die Feststellung, dass die Rettung der Banken im Interesse der Staaten und der sie stützenden politischen Akteure lag. Abermals gilt: eine politische Einflussnahme auf den Erfolg eines Unternehmens ist nicht mit Neoliberalismus zu vereinbaren, wohl aber mit Sozialismus.

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