Ein Stammleser hat uns geschrieben und von einem Fehler, den er am 10. Dezember begangen hat, berichtet. Er hat Nachrichten im Fernsehen angesehen. Bei RTL, bei der ARD. Breit hätten beide über die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo berichtet. Am Rande hätten beide Sender erwähnt, dass in Stockholm am selben Tag die Nobelpreise für Physik, Chemie, Medizin, Literatur und Ökonomie verliehen wurden (der zuletzt genannte Preis geht nicht auf Alfred Nobel, sondern auf die Schwedische Reichsbank zurück, die ihn 1968 durch eine große Spende an den Fund, aus dem die Nobelpreise finanziert werden, ermöglich hat). Keiner der Preisträger sei namentlich erwähnt worden.
Alle wissenschaftlichen Preisträger, denen der Nobelpreis verliehen wurde, haben einen Beitrag zum Wissensgewinn geleistet und die Menschheit vorangebracht. Sie haben neue Methoden gefunden, Grundlagen geschaffen, Gravitationswellen (mit)entdeckt, ein cryo-Elektronen-Mikroskop entwickelt oder ein Protein isoliert, dass die innere Uhr in Zellen betreibt, die es Organismen ermöglicht, sich an die Drehung der Erde anzupassen. Sie alle haben etwas Produktives geleistet. Etwas, das der ARD und RTL keine namentliche Erwähnung wert ist.
Namentlich erwähnt und breitgetreten wird dagegen der Friedensnobelpreis, der an die in Australien gegründete Organisation ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) verliehen wird, mithin eine Organisation, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, eine Technologie zu beseitigen, die Destruktives will.
ICAN ist eine Meta-NGO, die Organisationen aus rund 100 Ländern bündelt, deren Ziel darin besteht, Atomwaffen abzuschaffen. Ein nobles Ziel. Ein Ziel, das wohl niemand in Frage stellen wird? Wer könnte die Existenz von Atomwaffen verteidigen wollen?
Wir.
Und zwar aus zwei Gründen.
1)
Dass nicht nur Europa seit 1945 eine lange Phase des Friedens und der Prosperität erleben konnte, hat nicht zuletzt seine Ursache in der Existenz von Atomwaffen. Die gegenseitige nukleare Drohung hat den Frieden in Europa gesichert. Davon zeugen die vielen Stellvertreterkriege, die in Ländern geführt wurden, die über keine nuklearen Waffen verfügen. Davon zeugen eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten, die u.a. auf der Spieltheorie und insbesondere dem Chicken-Game basieren. Dafür spricht auch der Ausgang der Kuba-Krise. Ohne nukleare Drohung wäre es sicher zu einer konventionellen Konfrontation zwischen den beiden damaligen Großmächten USA und Sowjetunion gekommen. Wer die Erde von Atomwaffen befreien will, macht sie entsprechend zu einem unsicheren Platz.
Dass dem so ist, ist leicht zu zeigen. Wer wäre nicht gerne Mäuschen, wenn die Herrschaften von ICAN versuchen, Kim jong-un dazu zu überreden, seine Atomwaffen zu verschrotten? Oder man stelle sich die Überzeugungsmission von ICAN vor, wie sie bei Benjamin Netanyahu vorstellig wird oder bei Donald Trump oder Xi Jinping. Der Friedensnobelpreis wurde somit an eine Organisation vergeben, die keinerlei Effekt auf den Gang der Dinge haben wird. Bezeichnend für eine Zeit, in der die Symbolik mehr wiegt als die Realität.
Hey, wir sind gut, naiv und gefährlich, denn hätte ICAN Erfolg, die Erde wäre ein unsicherer Platz, schon weil Menschen nicht gut sind bzw. das sind, was man bei ICAN für gut hält..
2)
Im Zusammenhang mit dem Umweltschutz wird ständig argumentiert, dass wir den Planeten den nachfolgenden Generationen in gutem Zustand übergeben müssten. Diese Form ethischer Argumente zu machen ist immer gefährlich, denn Ethik ist etwas, was nicht auf Inhalte beschränkt ist. So kann man im Hinblick auf die nachfolgende Generation argumentieren, dass jeder Mensch seinem Leben verpflichtet ist und nicht dem Leben anderer. Selbsterhalt war für alle Philosophen die erste Menschenpflicht und das erste Menschenrecht. Warum sollte man am Erhalt des Selbst Abstriche machen, um zukünftigen Generationen vielleicht, vielleicht auch nicht einen besseren Start in ihr Leben zu ermöglichen?
Weil Menschen sozial und nächstenlieb und sorgend sind, so lautet die Antwort.
Die 1862 Apollo Gruppe wurde übrigens von Karl Wilhelm Reinmuth entdeckt, einem Heidelberger Astronom, der von 1914 bis in die 1950er Jahre 395 sogenannte kleinere Planeten, die weder Planet noch Komet sind und sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne befinden, entdeckt hat. Reinmuth hat keinen Nobelpreis für Physik erhalten. Er ist ohne Nobelpreis weitgehend dem Vergessen anheim gefallen. Kein Unterschied also, zu den Nobelpreisträgern, die der ARD oder RTL keine Namensnennung wert sind.
Holen wir das nach:
Nobelpreis für Physik
Rainer Weiss, geboren 1932 in Berlin, arbeitet am MIT;
Gary C. Barish, geboren 1936 in Omaha, arbeitet am CalTech
Kip S. Thorne, geboren 1940 in Logan, arbeitet am CalTech
Nobelpreis für Medizin
Jeffrey C. Hall, geboren 1945 in New York, University of Maine
Michael Rosbash, geboren 1944 in Kansas City, Brandeis University
Michael W. Young, geboren 1949 in Miami, Rockefeller University
Nobelpreis für Chemie
Jacques Dubochet, geboren 1942 in Aigle (CH), University of Lausanne
Joachim Frank, geboren 1940 in Siegen, Columbia University New York
Richard Henderson, 1945, Edinburgh, Laboratory of Molecular Biology, Cambridge
Sie alle haben die Menschheit vorangebracht. Bleibt zu hoffen, dass nicht zukünftige Generationen Gefallen daran finden werden, technologische Entwicklungen zu verteufeln und dem Irrglauben zu opfern, Menschen wären durchweg gut und sozial und würden keiner Fliege etwas zu leide tun und sich dann, wenn etwas verboten wäre, z.B. Atomwaffen, dieselben nicht verschaffen.
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