Irrationalismus ist ein Verbrechen!

Die Offene Gesellschaft wird 70 Jahre.

Geschrieben in Neuseeland und während des Zweiten Weltkriegs hat Karl Raimund Popper sein epochales Werk im Jahre 1945 bei Routledge in London in zwei Bänden und unter dem Titel “The Open Society and Its Enemies” veröffentlicht.

Open society originalWir nehmen dieses Jubiläum zum Anlass, um eine Passage aus der Offenen Gesellschaft wiederzugeben, in der sich Popper mit dem Irrationalismus auseinandersetzt, jenem Irrationalismus auf dem alle Glaubenssystem basieren und jener Irrationalismus, der auch Ideologien wie den Sozialismus und den Feminismus mit ihrer Ablehnung von Vernunft und Rationalität hervorgebracht hat. In dieser Passage führt Popper aus, warum Irrationalismus ein Verbrechen ist und erklärt u.a., warum Irrationalisten über kurz oder lang bei Hass, Zwang und Gewalt ankommen müssen: Bei Hass auf alle, die ihre Ideologie nicht teilen und bei Zwang und Gewalt all denen gegenüber, die sich nicht bekehren lassen wollen.

Geschrieben unter dem Eindruck der Herrschaft von Sozialismus (in u.a. der Sowjetunion) und Nationalsozialismus (in Nazi-Deutschland) ist die Analyse weiterhin aktuell, denn sie kann 1:1 auf den Genderismus und auf Gutmenschen im Allgemeinen übertragen werden.

Die zitierte Passage entstammt dem 24. Kapitel der Offenen Gesellschaft, Band II.

“Untersuchen wir zuerst die Konsequenzen des Irrationalismus. Der Irrationalist behauptet, dass Gefühle und Leidenschaften, nicht aber die Vernunft, die wichtigsten Triebkräfte der menschlichen Handlungen sind. Die Antwort des Rationalisten, dass wir dennoch mit aller Kraft versuchen sollten, diese Situation zu verbessern, und dass wir versuchen sollten, dem Verstand eine möglichst große Rolle zuzuteilen, wir der Irrationalist (wenn er sich zu einer Diskussion herablässt) entgegenhalten, dass eine solche Einstellung hoffnungslos unrealistisch ist. Denn sie zeigt nicht die Schwachheit der ‘menschlichen Natur’ in Betracht, die schwache intellektuelle Ausrüstung der meisten Menschen und die Tatsache, dass die meisten Menschen ganz offenkundig von Gefühlen und Leidenschaften abhängen.

Offene GesellschaftEs ist meine feste Überzeugung, dass dieses irrationale Hervorheben von Gefühlen und Leidenschaften schließlich zu etwas führen muss, das man nur als ein Verbrechen bezeichnen kann. Diese Überzeugung lässt sich begründen durch den Hinweis, dass eine solche Einstellung (…) zu einem Appell an die Gewalt und an gemeine Kraftanwendung als den letzten Richter in jeder Auseinandersetzung führen muss. Denn die Tatsache, dass ein Disput entstanden ist, bedeutet, dass positive Gefühle und Leidenschaften, wie die Verehrung, die Liebe, die Ergebenheit einer gemeinsamen Sache gegenüber, die im Prinzip zu seiner Überwindung beitragen könnten, sich unfähig gezeigt haben, das Problem zu lösen. Aber wenn das der Fall ist – was bleibt da dem Irrationalisten anderes übrig, als an andere und weniger konstruktive Gefühle und Leidenschaften zu appellieren – an die Furcht, den Hass, den Neid und schließlich an die Gewalt? Diese Tendenz wird durch eine andere und vielleicht noch wichtigere Einstellung verstärkt, die gleichfalls mit dem Irrationalismus verbunden ist, nämlich durch den Nachdruck, den er auf die Ungleichheit der Menschen legt.

Man kann natürlich nicht leugnen, dass die menschlichen Individuen wie alle anderen Dinge in unserer Welt, in vielfacher Hinsicht ungleich sind. Noch besteht ein Zweifel darüber, dass diese Ungleichheit sehr wichtig und oft sogar höchst wünschenswert ist. (…). Aber das hat mit der Frage überhaupt nichts zu tun, ob wir uns entschließen sollten, die Menschen insbesondere in politischen Dingen als gleichwertig oder doch wenigstens als annähernd gleichwertig zu betrachten; das heißt, es berührt nicht die Frage, ob wir zugeben sollen, dass die Menschen gleiche Rechte und gleichen Anspruch auf gleiche Behandlung besitzen; und auch die Frage, ob wir die politischen Institutionen dementsprechend einrichten sollten, steht damit in keinem Zusammenhang. Die ‘Gleichheit vor dem Gesetz’ ist keine Tatsache, sondern eine politische Entscheidung, die auf einer moralischen Entscheidung beruht; und sie ist ganz unabhängig von der – wahrscheinlich falschen – Theorie, dass ‘alle Menschen gleich geboren sind’. […] ich lege Wert auf die Feststellung, dass der Irrationalismus es kaum vermeiden kann, in eine Handlung verstrickt zu werden, die der Anerkennung der Gleichberechtigung aller Menschen zuwiderläuft. Das hängt eng damit zusammen, dass er den Gefühlen und Leidenschaften eine so große Rolle zuschreibt; denn wir können nicht jedem Menschen gegenüber dieselben Gefühle empfinden. Gefühlsmäßig sind die Menschen eingeteilt in Individuen, die uns nahestehen, und Individuen, die uns fernstehen. Die Einteilung der Menschheit in Freund und Feind leuchtet allen gefühlsmäßig sofort ein; sie wird sogar im christlichen Gebot ‘Liebe deine Feinde’ anerkannt. Auch der beste Christ, der wirklich diesem Gebot entsprechend lebt (…), kann nicht gleiche Liebe für alle Menschen empfinden. Wir können nicht wirklich ‘in abstracto’ lieben; wir können nur jene Menschen lieben, die wir kennen. Daher kann auch der Appell an unsere besten Gefühle, der Appell an die Liebe und an das Mitleid, nur zu einer Aufteilung der Menschheit in verschiedene Kategorien führen. Und das ist in noch weit höherem Maße der Fall, wenn die niedrigen Gefühle und Leidenschaften aufgerufen werden. Unser ‘natürliche’ Reaktion wird darin bestehen, dass wir die Menschheit in Freund und Feind; in jene Menschen, die unserem Stamme, unserer emotionalen Gemeinschaft angehören, und in jene Menschen, die außerhalb dieser Gemeinschaft stehen; in Gläubige und Ungläubige; in Mitbürger und Fremde; in Klassengenossen und Klassenfeinde [in Feminsten und ‘Maskus’], und in Führer und Geführte.
[…]
Die Abschaffung der rationalistischen Einstellung, des Respekts vor Vernunft, Argument und der Meinung des anderen, das Hervorheben der ‘tieferen’ Schichten der menschlichen Natur [Hervorhebung durch uns], all dass muss zur Ansicht führen, dass das Denken nur eine etwas oberflächliche Manifestation von etwas ist, das in jenen irrationalen Tiefen verborgen liegt. Es muss fast immer eine Einstellung hervorbringen, die die Person des Denkers und nicht seine Gedanken in Betracht zieht. Es muss zum Glauben führen, dass ‘wir mit unserem Blute denken’ oder ‘mit unserem nationalen Gut’ oder ‘mit unserer Klasse’ [oder mit unserem Geschlecht]. Diese Ansicht kann sich in einer materialistischen wie auch in einer sehr spirituellen Form manifestieren; in diesem Fall wird die Idee, dass wir ‘mit unserer Rasse denken’, erstezt etwa durch die Idee der auserwählten oder erleuchteten Seelen, die ‘aus Gottes Gnade’ denken.

offene gesellschaft bdIIIch lehne es aus moralischen Gründen ab, mich von solchen Unterschieden beeindrucken zu lassen; denn all diese intellektuell unbescheidenen Ansichten sind sich darin in entscheidender Weise ähnlich, dass sie einen Gedanken nicht nach seinem eigenen Verdienst beurteilen. Indem sie so die Vernunft abschaffen, spalten sie die Menschen in Freund und Freind; in die wenigen, die an Vernunft den Göttern gleich sind, und in die vielen, die es nicht sind (wie Platon sagt); in die wenigen, die uns nahestehen, und die vielen, die uns fernstehen; in diejenigen, die die unübersetzbare Sprache unserer eigenen Gefühle und Leidenschaften sprechen, und in die übrigen, deren Sprache nicht die unsere ist. Und wenn das einmal geschehen ist, dann ist die politische Gleichberechtigung praktisch unmöglich geworden.

Es ist diese Einstellung – die Ablehnung der Idee der Gleichberechtigung im politischen Leben [wie sie z.B. in Quoten ihren Niederschlag findet], das heißt im Gebiet jener Probleme, die die Gewalt von Menschen über andere Menschen betreffen [Hervorhebung durch uns] – die ich verbrecherisch nenne. Denn eine solche Einstellung liefert eine Rechtfertigung für die Idee, dass Menschen verschiedener Kategorie verschiedene Rechte besitzen [wie z.B. im Professorinnenprogramm]; dass der Herr das Recht hat, den Sklaven in Ketten zu legen; dass einige Menschen das Recht haben, andere als ihr Werkzeug zu verwenden. Schließlich dient sie, wie bei Platon, zur Rechtfertigung des Mordes” (Popper, 1994: 273-276).

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