Politikjournalisten: Vor allem links
Wer sind eigentlich die Journalisten, die im Politikteil von Zeitungen oder in den Redaktionen von Fernsehen und Hörfunk durch das Material gehen, das dpa liefert und die die Agenda darüber, was in Deutschland über Politik berichtet wird und vor allem, was nicht berichtet wird, bestimmen?
Angesichts der Kritik an der Berichterstattung deutscher Medien, wie sie nicht zuletzt im Begriff der Lügenpresse ihren Niederschlag gefunden hat, ist die Frage, wer steht eigentlich hinter den politischen Nachrichten, die deutschen Medienrezipienten zugemutet werden, eine so wichtige Frage, dass man sich fragt, warum sie nicht ständig gestellt wird.
Die Antwort auf diese Frage ist auch aus anderen Gründen wichtig.
Ein Blick in Stefan Hradils Lehrbuch über soziale Ungleichheit zeigt warum, beschreibt Hradil soziale Ungleichheit doch anhand nicht nur der Merkmale von Einkommen und Geschlecht, den beiden einzigen, die Sozialwissenschaftler heute noch zu kennen scheinen, sondern anhand von Kriterien wie: Bildung, Macht, Prestige, Arbeitsbedingungen, Wohnbedingungen, Zugehörigkeit zu Randgruppen usw.
Macht ist dabei ein besonders interessantes Konzept, schon weil es aus der öffentlichen Diskussion weitgehend verschwunden ist. Niemand fragt sich z.B. welche gesellschaftlichen Gruppen die Macht im Bundestag innehaben, die Macht, anderen Gruppen ihre Gesetzgebungsvorlieben aufzuzwingen. Dasselbe gilt für Journalisten: Kaum jemand fragt sich, welche gesellschaftlichen Gruppen die Macht haben, anderen Gruppen ihre Nachrichtenvorlieben und Interpretationsvorlieben aufzuzwingen.
Insofern ist es erfreulich, dass der Deutsche Fachjournalisten Verband im Jahre 2009 eine Befragung in Auftrag gegeben hat, deren Ergebnisse im Mai 2010 veröffentlicht wurden (Lünenborg & Berghofer, 2010). Die Ergebnisse sind also noch nicht so alt, dass man sie als veraltet ansehen muss, schon weil das deutsche Arbeitsrecht dafür sorgt, dass Journalisten, die sich in eine feste Anstellung gerettet haben, in dieser festen Anstellung auch verbleiben, bis sie von selbst gehen.
Folglich kann man die Ergebnisse, die Magreth Lünenborg und Simon Berghofer für den Deutschen FachjournalistenVerband gesammelt haben, als im Wesentlichen auch heute noch gültig ansehen.
Die beiden Forscher haben eine schriftliche Form der Befragung gewählt und 5.417 Politikjournalisten um Teilnahme an ihrer Befragung gebeten. Das erste, was man über Politikjournalisten lernen kann, ist, dass sie gerne die Informationen von anderen gebrauchen, aber nicht gerne Informationen von sich zur Verfügung stellen. Ganze 916 Politikjournalisten haben an der Befragung teilgenommen, was 17,3% der Angeschriebenen entspricht. Das ist eine Rücklaufquote die viele schriftliche Befragungen regelmäßig “nur” erreichen, was schon mehrfach zu der Frage geführt hat, ob schriftliche Befragungen (per eMail oder Post) überhaupt sinnvoll sind. Aber so lange der Papst der schriftlichen Befragung Don Dillman mit immer neuen Ideen kommt, wie man die Rücklaufquote erhöhen kann, garantiert über 80%, ist die postalische oder schriftliche Befragung nicht tot zu bekommen.
An der Freien Universität in Berlin, wo Lünenborg und Berghofer die Befragung durchgeführt haben, scheinen die Ideen von Dillman noch nicht angekommen zu sein, folglich ist es bei 17,3% Ausschöpfungsquote geblieben, aber, und das ist das Gute, mit 916 Antwortern lässt sich schon einiges an Information über diejenigen gewinnen, die in Deutschland über politische Ereignisse z.B. im Inland berichten (auch wenn die 916 Antworter auf 789 schrumpfen, wenn die Gelegenheitsjournalisten ausgeschlossen sind).
74,4% der befragten Politikjournalisten tun dies übrigens, um “Kritik an Missständen zu üben”. 41,5% sind gar sozial engagiert und wollen sich für Benachteiligte in der Bevölkerung einsetzen, was dann wohl diejenigen sind, die die entsprechenden Journalisten auf Grundlage welcher Kriterien auch immer zu Benachteiligten erklärt haben. 40,3% der befragten Politikjournalisten erinnern sich daran, dass da ja noch etwas war, was man als die eigentliche Aufgabe von Journalisten ansehen kann, nämlich: “Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu kontrollieren”.
Hier ist es an der Zeit, einen Einschub im Hinblick auf ein vollkommen unsinniges Item zu machen. Die befragten Politikjournalisten wurden von den Freien universitären Forscher aus Berlin gebeten, ihre Zustimmung zu vorgegebenen Aussagen zum Ausdruck zu bringen. Ein Item, das drei Stimuli “Politik, Wirtschaft und Gesellschaft” enthält, ist hier natürlich sinnlos, denn man weiß nicht, welchem Stimulus die Befragten zustimmen. Wollen sie nun die Politik, die Wirtschaft, die Politik und die Wirtschaft kontrollieren? Was gesellschaftliche Kontrolle angeht, so ist dies ein Punkt, an dem man sich fragt, ob Lünenborg und Berghofer von allen guten Geistern verlassen sind. Politikjournalisten haben nicht die Gesellschaft zu kontrollieren, sondern Serviceleistungen für die Gesellschaft zu erbringen. Aber scheinbar herrscht hier die Eliteneinbildung vor, man müsse dem deutschen Michel auf die Finger schauen und ihn in Print- oder sonstigen Medien darüber belehren, was gut für ihn ist (und was nicht). Dass dem so ist, zeigt sich am Item “normalen Leuten eine Chance geben, ihre Meinung … zum Ausdruck zu bringen”. Wie nett, dass Journalisten sich herablassen, “normalen Leuten” trotz aller Defizite den Ausdruck ihrer Meinung zu erlauben. Es gibt Prämissen hinter Forschung, bei denen einem die Haare zu Berge stehen und einen das Grauen überfällt …
Doch weiter im Text.
Der durchschnittliche Politikjournalist verdient 2.900 Euro netto, wobei die Spannweite von mehr als 7.000 Euro netto bis weniger als 1.000 Euro netto reicht. Ob die Qualität des Politikjournalismus auch mit dem Einkommen wächst, wurde leider nicht untersucht.
Deutsche Politikjournalisten sind im Durchschnitt 46 Jahre alt, haben zu zwei Dritteln einen Hochschulabschluss, sind verheiratet oder fest gebunden und haben in der Mehrzahl Kinder. Das ist nicht weiter schlimm, so lange die Politikjournalisten ihre familiären Vorlieben nicht in ihre Berichterstattung z.B. darüber, ob eine Erhöhung des Kindergeldes angebracht wäre oder nicht, einfließen lassen.
Das wollen sie natürlich nicht. Vielmehr will der Politikjournalist von heute “komplexe Sachverhalte erklären und vermitteln“. Wer würde einer solchen Aussagen nicht zustimmen? Schließlich ist damit Prestige verbunden, sagt die Zustimmung doch über den Zustimmer, dass er in der Lage ist, komplexe Sachverhalte zu erfassen, zu verstehen, aufzubereiten und an andere, weniger komplexe Denker weiter zu geben. Man fragt sich hier einmal mehr, was die beiden Frei Universitären eigentlich erforschen wollten und hat massiv den Eindruck, dass sie den befragten Politikjournalisten vor allem Gelegenheit geben wollten, um sich zu produzieren bzw. sich selbst zu feiern.
Was erwartet man von Journalisten? Neutrale Berichterstattung? Genau: 82,7% der Befragten wollen neutral Bericht erstatten und präzise. Was ist noch im Erwartungskanon? Die Realität so abbilden wie sie ist? Haben wir auch im Angebot: 79,3% der Politikjournalisten wollen ihren Rezipienten die Realität so vermitteln wie sie ist bzw. wie sie sich ihnen darstellt.
Nur: Wie stellt sich die Realität dar?
Zuweilen stellt sich die Realität etwas eingefärbt dar, z.B. wenn Journalisten behaupten, dass Frauen bei der Bezahlung gegenüber Männern benachteilgt werden. Wenn man die Realität tatsächlich so abbilden will, wie sie ist, dann kann man den Unsinn vom Gender Pay Gap nicht berichten, denn es gibt kein Gender Pay Gap. Einfärbung erfährt die Realität auch regelmäßig da, wo politische Interessen ins Spiel kommen, wie z.B. beim Konflikt in der Ukraine, wo die Frage, wer die Guten sind und wer die Bösen zu entscheiden ist. Gleiches gilt für Kernkraft, je nach Anfälligkeit für Panik und je nach dem Ausmaß an Kenntnissen in Wahrscheinlichkeitsrechnung stellt sich die Einschätzung von Kernkraft anders dar. Oder wie ist es mit der wertfreien Vermittlung von guten Botschaften wie der, dass in Baden-Württemberg Kinder in allen Schulklassen mit der Erkenntnis beglückt werden sollen, dass Homosexualität ganz normal ist, gerade im Zeitalter von HIV/Aids?
Die Einfärbung der Wahrnehmung und Vermittlung von Realität führt zur Frage der politischen Zuordnung, die Politikjournalisten für sich vornehmen. An der entsprechenden Frage nach der Parteineigung, die im Fragebogen der Freien Berliner verwendet wurde, haben wir ausnahmsweise nichts auszusetzen, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass man bei der Frage: “Welcher Partei neigen Sie zu?”, nicht viel Fehler machen kann.
Und wem neigen Politikjournalisten zu? Welches Parteibuch haben sie oder welches Parteibuch würden sie haben wollen, oder wo erhoffen sie sich eine nachjournalistische Zukunft?
46,6% der Politikjournalisten, die an der Befragung teilgenommen haben, geben an, einer Partei der Linken nahe zu stehen, 36,1% geben an, keiner Partei geneigt zu sein, 9% zieht es zu CDU/CSU, 7,4% zur FDP und 0,9 zu sonstigen Parteien.
Das ist eine eindeutige Verteilung, die zeigt, dass die deutschen Medien von Personen beherrscht werden, die dem linken politischen Spektrum zuzuordnen sind. Der Sozialdemokratische Pressekonzern Deutschlands, eine deutsche Besonderheit, die eine Partei (Mehrheits-)Anteile an einer Vielzahl von u.a. Zeitungen halten sieht, scheint sich zu bewähren.
Natürlich wirkt sich die Parteineigung nicht auf die Berichterstattung aus, die deutschen Medienkonsumenten täglich zugemutet wird. Die entsprechende Berichterstatung ist ehrlich, ausgewogen, kritisch, engagiert, neutral und präzise, ganz so, wie die befragten Politikjournalisten dies in der Befragung angegeben haben, was ein Problem empirischer Sozialforschung deutlich macht, das eigentlich hinlänglich bekannt ist, nämlich das Problem sozialer Erwünschtheit: Befragte antworten nicht, wie es ist, sondern wie sie denken, dass es sein soll, besonders wenn es sie selbst betrifft – sie lügen, mit anderen Worten.
Lünenborg, Magreth & Berghofer, Simon (2010). Politikjournalistinnen und -journalisten. Aktuelle Befunde zu Merkmalen und Einstellungen vor dem Hintergrund ökonomischer und technologischer Wandlungsprozesse im deutschen Journalismus. Berlin: Freie Universität Berlin, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Arbeitsstelle Journalistik.
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Die BILD hatte zu Schröders Zeiten mal eine Umfrage unter den eigenen Journalkisten durchgeführt (anonym), was so gewählt wird. Ergebnis: rot-grün.
Fleischhauer hat schon recht, wenn er meint, daß die (akademischen) Journalisten heutzutage erstaunlich wenig vielfältig sind. Obwohl Diversität doch angeblich so hoch im Kurs steht? Aber nicht politisch! Da ist Einfalt vorgegeben.
Ein älterer Veteran sagte der JF mal, daß die heutige Generation junger Reporter die “Generation G” sei. Gender, Greenpeace, Gerechtigkeit (i.S. von Sozialismus).
Hat dies auf psychosputnik rebloggt.
Dieses linke Gesinnung erklärt viel. Z.B. die eher mangelhafte Bereitschaft über die Negativaspekte der Energiewende zu berichten. Ausgewogene Berichte über Chancen und Risiken der Kernenergie muss man mit der Lupe oder gleich mit dem Mikroskop suchen, genau so wie Berichte über den Klimawandel, die auf die einfach Tatsache hinweisen, dass Klimavorhersagen reine Kaffeesatzleserei sind.
Was gibt es Ausgewogenes über die Atomkraft aka Kernenergie zu berichten?? Genügen die bisherigen Ereignisse noch immer nicht? Wenn bei A.S. in der Nähe eines in die Höhe geht, höre ich jetzt schon das Jammern — aber bis dahin schaut man fleissig nach Chancen. 🙂
Z.B. dass es neben den Risiken auch Gründe für die Kernenergie gibt. Das man sich entscheiden muss: Atomenergiefrei oder CO2 frei oder unzuverlässige Stromversorgung. Zusammen ist das nicht zu haben. Da gibt’s etwas, das nennt sich Physik. Da gibt’s Gesetze, die keiner Mehrheitsentscheidung unterliegen.
Z.B. auch, das jede alternative Technologie mit Risiken verbunden ist. Wenn in Ägypten z.B. der Assuan Staudam bricht würden die sicher mit einer Atom-Havarie tauschen wollen.
Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.
Hat dies auf Zeitzentrum rebloggt.
Deshalb kommen die auch so gut mit Jazenjuk, Obama und seinen Despoten zurecht.
Die Einbildung nährt die Einbildung.
Olivgrün, Blaßrosa und die “Linke” in einen Topf zu werfen und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen, hat was 😀
So sieht es also aus. Schade, dass man von dieser herbeigeschriebenen Gewichtung in der Berichterstattung, der daraus folgenden Beeinflussung in Politik & Gesellschaft jedoch leider überhaupt nichts bemerkt! Wenn dem wirklich so wäre, sähe unsere Presse sehr viel besser gestellt aus. Oder leben die Journis ihre Gesinnung bei ihrer Arbeit nicht aus? Mir fällt leider weder übertrieben Linkes in Artiklen noch Gesellschaft wie auch in Politik mit echter Wirkung auf, wenn dem so wäre, wie anders stünde es mit unserer Gesellschaft, dem Zusammenleben. Wer wirklich glaubt, Texte in den Zeitungen und Taten in Politik seien mehrheitlich rötlich gefärbt, der ist mit blauer, gelber, brauner, schwarzer & was da sonst noch so leuchtendem Filter ausgestattet. Ich sehe jedenfalls nichts überaus Menschliches in der gegenwärtigen Poltik und Berichterstattung, worauf sich Linkssein einmal gründete. Aber Hauptsache der Feind ist klar ausgemacht, so lässt sichs leichter leben, statt mal zu schauen, stimmen meine, diese Eindrücke wirklich.
Wenn Sie nichts sehen, dann kann natürlich auch nichts da sein. Dennoch: vielen Dank für diesen überaus erhellenden Kommentar aus der Welt des Glaubens an das Heil.
Aha. Über die AFD und die Linke wird vergleichbar berichtet? Legt man Frau Wagenknechts Worte genau so auf die Goldwaage wie die Worte von Bernd Lucke?
Noch deutlicher ist das erkennbar beim Vergleich der Berichte über „Hooligans gegen Salafisten“ und die Antifa in Leipzig (als Legigagegner). Bei den Hooligans wurde wochenlang über ein einziges umgeschmissenes Polizeiauto berichtet. Dass die Antifa dagegen Brandsätze auf Züge wirft und Signalanlagen zerstört wird kaum thematisiert. Viel deutlicher geht’s kaum noch.
„Ich sehe jedenfalls nichts überaus Menschliches in der gegenwärtigen Poltik und Berichterstattung, worauf sich Linkssein einmal gründete.“
Wenn Sie Neid, Missgunst und das Verlangen nach fremden Eigentum auch als „menschlich“ definieren kann man Links und Menschlich kombinieren. Sonst nicht.