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Neue Studie: Linke wollen Hilfe, andere wollen Freiheit

Warum wählen Wähler bestimmte Parteien? Warum sagen manche von sich, sie seien links oder rechts, liberal oder konservativ?

Diese Fragen bewegen die Politikwissenschaft seit langem. Entsprechend der langen Zeit, sind viele Antworten gegeben worden: Parteien und Wähler, so behaupten die einen, verbinde ein rationales Kalkül. Wähler wählten nach Sachthemen und die Partei, die ihre Interessen am besten vertritt. Weit gefehlt sagen andere: Wähler sind keine rationalen Akteure, sondern affektiv Getriebene: Sie wählen Kandidaten, die ihnen sympathisch sind. Wieder andere glauben, Wähler und Parteien befänden sich auf der selben Seite von Konfliktgräben (cleavages), die vor Jahrhunderten ausgehoben worden sind, zwischen Staat und Kirche, Arbeit und Kapitel. Wähler wählen also traditional, weil sie immer so gewählt haben. Schließlich gibt es die Forscher, die als Verbindung zwischen Partei und Wähler die Ideologie sehen, die Inszenierung dessen, woran die einen behaupten, zu glauben, was wiederum die anderen glauben.

Sie alle liegen daneben, wenn man die Ergebnisse einer Untersuchung, die Joshua J. Clarkson und fünf weitere Autoren gerade in den Proceedings of the National Academy of Science veröffentlicht haben: Nicht affektive Bindungen, rationale Wahlen oder traditionales Verhalten sind demnach die Ursachen der Parteiwahl und die Grundlagen einer Verbindung zwischen Wähler und Parteien, sondern ein psychologische Disposition: Wähler wählen Parteien, weil die Politiker der Parteien an eine bestimmte psychologische Disposition appellieren, kurz:

Für Wähler: Linke wollen Hilfe, alle anderen, also nicht-Linke wollen Freiheit.

Für Parteien: Rechte oder konservative oder liberale Parteien appellieren an Freiheit, linke Parteien bieten Hilfe.

Dieses Ergebnis reiht sich in eine Reihe entsprechender Ergebnisse ein, die Folgendes gezeigt haben:

Clarkson et al. (2015) ergänzen die Phalanx dieser Ergebnisse mit einem weiteren Ergebnis: Personen, die sich links einordnen, haben weniger Selbstkontrolle als Personen, die sich nicht links einordnen. Moderiert wird diese Verbindung über die jeweilige Einstellung zum freien WIllen, die Clarkson et al. als locus of control modelliert haben, also als Überzeugung, man sei für die eigenen Handlungen verantwortlich bzw. als Überzeugung, dass man nur im Rahmen vorgegebener Strukturen handeln könne und entsprechend für seine Handlungen nur bedingt, wenn überhaupt verantwortlich sei: Je überzeugter die Probanden in den Experimente von Clarkson et al. davon waren, Herr ihrer eigenen Handlungen zu sein, desto mehr Selbstkontrolle hatten sie. Personen, die sich nicht links auf dem politischen Spektrum einordnen, waren häufiger die  Überzeugung, für ihre Handlungen verantwortlich zu sein:

„Three studies documented a clear difference in self-control as a function of political ideology, as political conservatism (…) was consistently related to greater self-control. Indeed, this enhanced self-control manifested in the form of attention regulation and task persistence. Moreover, these effects not only occurred across not only different indices of self-control but also different paradigms and different participant samples …“ (Clarkson et al., 2015: 3).

Die größere Selbstkontrolle, die nicht-Linke an den Tag legen und die von der Überzeugung, für die eigenen Handlungen verantwortlich zu sein, moderiert wird, mündet somit in größere Persistent und Aufmerksamkeit bei der Lösung von Problemen.

Die Ergebnisse von Clarkson et al. (2015) passen gut zu Beobachtungen, wie man sie im täglichen Leben oder auch im Blog machen kann:

Das soll genügen, um die generelle Tendenz der Ergebnisse, die Clarkson et al. (2015) gerade publiziert haben, deutlich zu machen: Nicht-Linke sehnen sich nach Freiheit und danach, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden, sie wollen Verantwortung für ihr Leben übernehmen und in eigener Regie von den Ergebnissen ihrer Leistung leben. Linke fürchten Freiheit, rufen nach dem Staat und wollen, dass ihr Staat ihnen hilft. Dafür sind sie nur zu bereit, Freiheit zu opfern, im Austausch für Transferzahlungen, nach deren Erhalt sie sich einbilden können, sie hätten einen Selbstwert.

Die Erklärung politischer Präferenzen scheint sehr einfach.

Zur Untersuchung:
Die Untersuchung umfasst drei Experimente mit 147, 176 und 135 Probanden. Die Probanden mussten einen Stroop-Test absolvieren, mit dem das Ausmaß ihrer Selbstkontrolle erhoben wurde. Sie gaben ihre politischen Präferenzen an und beantworteten Fragen, mit denen ihre Einstellung zu freiem Willen und Selbstwirksamkeit gemessen wurden.

Literatur

Carey, Jasmine M. & Paulus, Delroy L. (2013). Worldview Implications of Believing in Free Will and/or Determinism: Politics, Morality and Punitiveness. Journal of Personality 81(2): 130-141.

Carroll, John S., Perkowitz, William T., Lurigio, Arthur J. & Weaver, Frances M. (1987). Sentencing Goals, Causal Attribution, Ideology, and Personality. Journal of Personality and Social Psychology 52(1): 107-118.

Clarkson, Joshua J., Chambers, John R., Hirt, Edward R., Otto, Ashley S., Kardes, Frank R. & Leone, Christopher (2015). The Self-Control Consequences of Political Ideology. Proceedings of the National Academy of Science (PNAS): Online first.

Kemmelmeier, Markus, Danielson, Cherry, & Basten, Jay (2005). What’s in A Grade? Academic Succes and Political Orientation. Personality and Social Psychology Bulletin 31(10): 1386-1399.
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