Die AfD bei 18-20%: “Die Menschen” haben falsche Wahlpräferenzen – von der Hilflosigkeit, der Polit-Darsteller

Was ist eines der wichtigsten, wenn nicht DAS wichtigste Thema derzeit?

Krieg in der Ukraine?
Nein.

Der Niedergang der deutschen Wirtschaft?
Nein.

Die Enteignung der Bürger via Inflation und Steuerlast?
Nein.

Postkoloniale, postnatale und zeitversetzte Diskriminierung von Leuten, die sich mit Buchstaben identifizieren und grundsätzlich Opfer weißer Männer sind?
Nicht einmal das.

Das derzeit wichtigste Thema:

Die AfD kommt je nach Umfrage auf 18%, 19% oder 20%.
Ja.
Um es zu wiederholen: Die AfD kommt je nach Umfrage auf 18%, 19% oder 20%.
Das also ist das wichtigste Problem für Polit-Darsteller.
Falls Sie es nicht glauben: Hier der Nachweis.

Prinzipiell lassen sich politikwissenschaftliche Theorien darüber, warum ein Akteur eine Parteipräferenz für Partei X und nicht für Partei Y hat, in mehr oder weniger drei Klassen teilen:

  • Theorien, die eine Parteiidentifikation annehmen, eine Art affektive Bindung an eine Partei, die auf einem Sammelsurium von Gründen basiert und, weil sie affektiv ist, dann, wenn sie einmal etabliert ist, erheblicher Anstrengungen bedarf, um gelöst zu werden. Wen es interessiert, der sollte nach den Stichworten Party Identification, Re-Alignment und De-Alignment suchen.
  • Theorien, die eine Parteibindung auf eine grundlegende Streitigkeit, ein Cleavage zurückführen, das eine Gesellschaft prägend und somit dauerhaft durchzieht. Die wesentlichen Cleavages in westlichen Gesellschaften trennen Stadt von Land, Arbeiter von Kapital, Kirche von Staat und neuerdings wohl Steuerzahler von aus Steuergeldern Finanzierten. Derartige Parteibindungen sind sehr dauerhaft wie jeder weiß, dessen Opa “SPD” wählt, weil er die Bande immer noch für eine Arbeiterpartei hält. Wer nachlesen will: Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan sind die Suchbegriffe.
  • Theorien, die Wahlentscheidungen eher rational erklären, über “ideologische Nähe”, wie dies Anthony Downs getan hat oder über bestimmte Themen oder Kandidaten, die Themen besonders gut vertreten. Im Gegensatz zu den beiden anderen Theorien, beginnt die Erklärung hier bei den Bedürfnissen von Wählern, sei es das Bedürfnis, das nervige Geschäft politischer Partizipation über Ideologie auf ein paar rudimentäre Punkte zu reduzieren und nach Parteinähe zu suchen, sei es bei klar definierten Präferenzen von Akteuren, die sich nach einer Partei umsehen, die diese Präferenzen am besten zum Ausdruck bringt.
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Wollte man die zunehmende Beliebtheit der AfD erklären, man würde entweder darauf verweisen, dass (1) sich ein Wähler von der Partei mit der er sich bisher identifiziert hat, entfremdet hat, und zwar aus einer Vielzahl von Gründen, die ihm alle ein “schlechtes Gefühl” verschafft haben oder darauf, (2) dass ein neues Cleavage die Gesellschaft in zwei Gruppen teilt, z.B. Steuerzahler und Steuernehmer, wie dies Dr. habil. Heike Diefenbach im Klassenkampf 2.0 dargelegt hat, eine Trennung, die – wie Dr. Diefenbach in Klassenkampf 2.0 Revisited argumentiert, dazu führt, dass Wissen ungleich verteilt ist, zwischen kenntnisreichen Bürgern auf der einen Seite und ideologisch verblödeten Systemprofiteuren auf Seiten der Regierung und Parteien. Ausdruck eines solchen Cleavages wären Konflikte, die sich entlang den falschen Erzählungen zur Effektivität von COVID-19 Shots, zum von Menschen verursachten Klimawandel oder zum großen Nutzen, den wanderende Analphabeten den Gesellschaften, in deren soziales Netz sie einwandern, bringen, entzünden. Schließlich kann (3) eine rationale Abwägung seiner Interessen und dem, was ihm eine Regierung als Politik auftischt, dazu führen, dass sich ein Wähler aufgrund seiner thematischen Präferenzen oder seiner ideologischen Positionierung von seiner bisherigen Partei nicht mehr repräsentiert fühlt und deshalb seine Parteipräferenz ändert.

Was halten Sie für die wahrscheinlichste Erklärung für das derzeitige Hoch der AfD?

Wenden wir uns nun dem zu, was Polit-Darsteller als Ursache des AfD-Hochs ausgemacht haben, ein Hoch, das man nur erklären kann, wenn man in Rechnung stellt, dass

  • sich der Anteil der CDU/CSU über Zeit nur unwesentlich erhöht;
  • sich der Anteil der AfD kontinuierlich erhöht hat;
  • vor allem Grüne und SPD verlieren, die Grünen kontinuierlich, die SPD in Intervallen;

Wie also erklären?
Friedrich Merz:

“Wenn wir eine handwerklich und politisch gut arbeitende Regierung hätten, dann läge die AfD nicht bei 18 Prozent”, so Merz im ZDF-heute-journal. Insbesondere die Grünen nimmt Merz dabei ins Visier. “Die Menschen in Deutschland sind diese Art der Bevormundung einfach leid. Und damit machen sie sich jetzt Luft.””

Geht es Ihnen auch so, dass Ihnen übel wird, wenn sie einen Polit-Darsteller von “den Menschen” reden hören?
Nach Ansicht von Merz sind also die Dilettanten aus den Reihen der Grünen dafür verantwortlich, dass die AfD zulegt. Indes, AfD UND CDU sind Opposition. Es gibt keinen Mechanismus, der Wähler, die bislang die Regierung unterstützt haben, die Grünen unterstützt haben, direkt zur AfD wechseln lassen würde. Normalerweise wechseln Wähler zu der ideologisch näheren der Oppositionsvarianten und das wäre eigentlich die CDU, die indes überhaupt nicht in der Lage zu sein scheint, vom Niedergang der Grünen [und der SPD und der FDP] zu profitieren, was darauf verweist, dass die CDU unter denen, die den Regierungsparteien den Rücken kehren, nicht als Alternative angesehen wird. Ein vernichtendes Ergebnis für die CDU und ein Hinweis darauf, dass wir es mit der Herausbildung eines neuen Cleavage zu tun haben.

Der Erklärungsvorschlag von Friedrich Merz müsste somit um den Dilettantismus der CDU, wenn Dilettantismus das Motiv ist, Regierungsparteien den Rücken zu kehren, die Unzufriedenen einzusammeln, ergänzt werden.

Olaf Scholz:

“Bundeskanzler Scholz hatte sich am Samstag bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung “Die Zeit” zu dem Thema geäußert. Dort verwies er vor allem auf andere Länder, in denen rechtsextreme Parteien ebenfalls stärker geworden seien. Er sprach von “Schlechte-Laune-Parteien” und erklärte die Entwicklung auch mit Unsicherheiten in einer “Zeit der Umbrüche” mit vielen gleichzeitigen großen Problemen. Scholz nannte Corona, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Klimawandel.”

Dieser Erklärungsversuch passt zum angestaubten Image, das Olaf Scholz verbreitet. Launen sind nichts dauerhaftes, sonst wären sie keine Launen. Eine Laune kommt und geht, aber der Stimmverlust von Regierungsparteien und der Gewinn der AfD sind kontinuierlich, also keine Launen, sondern dauerhafte Probleme. Aber vermutlich hat Scholz Recht, die Abkehr von Wählern hat mit der absurden und suizidalen Politik zu “Corona”, dem “Krieg in der Ukraine” und dem “Klimawandel” zu tun. Dass es in keinem dieser Fälle darum geht, eine rationale Politik zum WOHLE des DEUTSCHEN VOLKES, auf das [das Wohl, nicht das Volk] Scholz einen Amtseid abgelegt hat, umzusetzen, schreckt Wähler ab. Eine Erklärung, die zum Klassenkampf 2.0 Revisited passt, eine Erklärung, die ebenfalls mit Parteipräferenzen und Themenpräferenzen vereinbar ist, denn welcher Wähler wählt schon in vollem Bewusstsein eine Partei, die darauf aus ist, ihn maximal zu schädigen?

Und um diesen Unsinn mit der Unsicherheit ein für alle Mal zu beerdigen: Jede Zeit ist eine Zeit der Umbrüche. Zu jeder Zeit verändert sich etwas, kommt Neues hinzu, geht Altes verloren. Wandel ist stetig und erst dann am Ende, wenn wir tot sind. Da die ARD-Tagesschau heute einen Beitrag mit “Wenn der Kanzler Puls hat” überschrieben hat, ist die Frage, ob Scholz durchweg lebendig ist oder als Zombie ein Dasein führt, offenkundig noch nicht geklärt.

Bijan Djir-Sarai:

“Widerspruch kommt vom Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai. “Politik bekommt ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn wir die Menschen nicht mitnehmen.” Die Selbstkritik gelte für alle Parteien. “Wenn die Menschen das Gefühl haben, die Politik hat sich von der Realität entfernt, dann bekommt die Politik ein Glaubwürdigkeitsproblem.” Alle Parteien seien aufgerufen, sachlich und nüchtern die Herausforderungen anzupacken und Lösungen anzubieten.”

Das vielleicht ärgerlichste Menschenbild kommt aus den Reihen der Liberalen, die doch tatsächlich der Ansicht sind, Bürger wären kleinen Kindern vergleichbar, die bei der Patschhand genommen und geführt werden wollen, geführt, von einem Haufen aus Polit-Darstellern, unter dem sich kaum einer findet, der intellektuell mit dem Durchschnittsbürger mithalten kann. Offenkundig hat Djir-Sarai etwas nicht mitbekommen und denkt immer noch, er gehöre zu einer Klasse der Hohepriester die die Heilige Schrift auslegen und die, von Zeit zu Zeit, wie ein Schullehrer mit Schülern konfrontiert sind, die die Auslegung nicht verstehen und deshalb Nachhilfe benötigen.

Wieso hat die FDP noch mehr als 5%?

Wenn man die Versuche, eine tektonische Veränderung in der Wählerpräferenz in Deutschland zu erklären, Revue passieren lässt, dann ist in der Tat der Realitätsverlust, der Polit-Darsteller von eben dieser trennt, besonders eindrücklich, denn zwischen der Vorstellung die sich Polit-Darsteller von “den Menschen” machen und dem, was “die Menschen” sind, gibt es kaum noch eine Schnittmenge. Die alten Floskeln, die Scholz und Co. absondern, sie wirken wie eine rituelle Beschwörung, mit der ein Schamane versucht, dieses Mal nicht sich, sondern alle Anwensenden in Trance zu versetzen.

Die politische Klasse ist out of date.

Die neueste Umfrage von INSA sieht übrigens so aus:

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