Kleiner König Kalle Zürn – Zoff unter Politikwissenschaftlern

Die Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft, schon dem Namen nach eigentlich eine Todgeburt, da politische Wissenschaft ein Widerspruch in sich ist: Entweder man macht Politik oder man macht Wissenschaft, diese Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), sie ist (kurz) zum Leben erwacht.

Plakat_Sicherheit_A2_PRAES5.inddDer Kampf um die Ressourcen der DVPW hat die kurzen Zuckungen, die an Lebendigkeit erinnern, verursacht. Nicht nur das, die Wahlen des Vorsitzenden zum Vorstand und zum Beirat, sie haben eine gewisse groteske Note, ein humoreskes Bouquet, das man richtig genießen muss.

Politikwissenschaftler sind ja eigentlich die Hüter der politischen Ordnung. Sie studieren die politische Ideengeschichte und forschen in Demokratie und suchen nach der besten aller Regierungsformen. Die Demokratie, sie hat sich dabei in der Regel als Frontrunner herauskristallisiert, weshalb die Freude feudaler, absolutistischer oder gar totaler Herrschaft unter den Politikwissenschaftlern langsam in die Minderheit geraten sind.

Es gab gar zarte empirische Blüten, die vornehmlich in Mannheim und Köln geblüht haben, empirische Blüten der Erforschung von Wahlentscheidung, politischer Kultur und politischer Handlung.

Wie so viele Sozialwissenschaften, so ist auch die Politikwissenschaft über die Jahre in die Bedeutungslosigkeit gesunken. Bekannte Politikwissenschaftler, die etwas zur gesellschaftlichen Entwicklung zu sagen haben, kann man an den Fingern einer Hand abzählen. Um die Politikwissenschaftler zu zählen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, eine Kritik der Regierung(sform) vorzunehmen und auf Fehlentwicklungen des derzeitigen Deutschen Demokratischen Versuchs aufmerksam zu machen, benötigt man nicht einmal mehr eine Hand.

Umso erstaunlicher ist es, dass auf dem 26. Kongreß der DVPW Leben in die Bude gekommen ist, dass gestritten wurde, gestritten um, nun, nicht um die Inhalte und den Gegenstand und das Außenbild der Politikwissenschaft – es gibt Wichtigeres. Gestritten wurde um Posten, um Pöstchen, das Pöstchen des Vorsitzenden und die Pöstchen des Vorstands.

Dabei gab es eigentlich gar nichts zu streiten, glich doch die Wahl des Vorsitzenden der Wahl des Generalsekretärs zum Zentralkomitee der SED in der DDR: Ein Kandidat, viele Wähler. Michael Zürn, Direktor der Abteilung “Global Governance” am Berliner Wissenschaftszentrum (WZB) war der einzige Kandidat, und entsprechend gelang es ihm, die Mehrheit der Anwesenden für sich zu begeistern. Nicht in dem Maße wie dies Erich Honecker gelungen ist, die 99% sind Michael Zürn versagt geblieben, aber immerhin 54% der anwesenden Mitglieder der DVPW haben sich für Zürn entscheiden.

Nun ist Michael Zürn angetreten, um die DVPW, jenes schwerfällige Gremium, das nur anlässlich von Kongressen in einen Zustand übertritt, den man als Lebenszeichen interpretieren könnte, zu reformieren, um ihm “Strahlkraft” zu verleihen, Strahlkraft, wie man sie mit mehr als einem Kongress gewinnen könne, so Zürn. “Politikwissenschaftler zum Kongress zur Strahlkraft”, so kann man den Zwei- oder Dreijahrsplan von Zürn auf ein Motto bringen, mit dem er der DVPW dauerhaft Lebenszeichen einhauchen wollte.

Wollte, ist das operative Wort hier, denn er tut es nicht. Er wurde gewählt und ist erzürnt nach zwei Stunden Amtszeit zurückgetreten. Michael Zürn wird entsprechend in das Guiness Buch der Rekorde eingehen, als der Vorsitzende der DVPW, der es am wenigsten lang in seiner Funktion ausgehalten hat.

Grund für den zeitigen Rückzug von Zürn ist sein absolutistischer Herrschaftsanspruch, sein feudaler Führungsstil, der bei den alten Kempen der Demokratie und bei denen, die sich an ihre politische Theorie erinnert haben, die Politikwissenschaftler wie Giovanni Sartori, Dolf Sternberger oder Peter Graf von Kielmansegg umfasst, auf wenig Gegenliebe gestoßen ist.

Wollte Michael Zürn doch durchsetzen, dass die Wahlmarionetten im Saal seine und keine anderen Kandidaten in den Vorstand wählen. Nur mit seinen Kandidaten gibt es Reform, so sein Ultimatum, das ungehört verhallt ist. Und weil seine Kandidaten alle und ohne Ausnahme durchgefallen sind, abgewählt wurden, deshalb ist der als feudaler Herrscher gescheiterte Michael Zürn erzürnt zurückgetreten, einen Luxus, den sich Ludwig der XIV nicht erlaubt hätte – was den Unterschied in Statur wohl gut beschreibt.

Ob es ein Zufall ist, dass ein Kandidat aus Berlin, der am dortigen WZB beschäftigt ist, eine demokratische Wahl zu beeinflussen sucht und den Wählern vorschreiben will, wen sie gefälligst zu wählen haben, konnten wir in der Kürze der Zeit nicht klären. Nur soviel: Die feudalen Anwandlungen des ungeliebten Königs aus dem WZB, sie scheinen ins Bild, das wir ansonsten aus Berlin und von der dortigen Wissenschaftslandschaft gewinnen, zu passen.

Die DVPW befindet sich derzeit also im Interregnum.

Wer sich als aufstrebender Politikwissenschaftler fühlt, wer denkt, er kann die Fäden auch dann in der Hand behalten, wenn andere als seine Kandidaten gewählt werden, wer die DVPW in dieser Zeit des globalen Wandels, der Unsicherheit, die Liebgewonnenes bedroht und Trägheit gefährdet, aus der Gefahr der Mobilität retten und zur gewohnten Immobilie entwickeln will, der hat jetzt die, also DIE Gelegenheit dazu, denn: Es wird händeringend ein Vorsitzender für die post-Zürn Ära gesucht.

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