“Extreme Opponents of genetically modified food know the least but think they know the most”. Die Überschrift des Beitrags von Philip M. Fernbach, Nicholas Light, Sydney E. Scott, Yoel Inbar und Paul Rozin sagt bereits alles: Je extremer die Opposition zu und die Ablehnung von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln ausfällt, je mehr Aktivismus betrieben wird, um gentechnisch veränderte Nahrungsmittel zu verhindern, um so weniger wissen die Gegner genetechnisch-veränderter Nahrungsmittel über Gentechnik und genettechnisch veränderte Nahrungsmittel. Und am wenigsten wissen diejenigen, die am meisten Opposition zeigen, die Aktivisten.
Die Ablehnung gentechnisch-veränderter Nahrungsmittel ist somit ein Glaubensgelübde. Sie ist nicht rational begründet und basiert auf sehr wenigen bzw. gar keinen Wissensbeständen, obwohl extreme Gegner von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln sich ganz sicher sind, dass sie besonders gut über genetechnisch veränderte Nahrungsmittel Bescheid wüssten. Zu diesem Ergebnis sind Fernbach und Kollegen mit Hilfe quantitativer Forschungsmethoden gekommen, die sie in den USA, Deutschland und Frankreich zur Anwendung gebracht haben. In allen drei Ländern waren die Ergebnisse identisch: Je größer die Ablehnung gentechnisch veränderter Nahrungsmitteln, desto mehr glauben die Gegner von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln zu wissen, aber desto weniger wissen sie.
Um ihr Wissen über Gentechnik zu dokumentieren, wurden die Befragten in Deutschland, Frankreich und den USA z.B. gebeten, zu entscheiden, ob Aussagen, wie die beiden folgenden richtig sind oder falsch: „Normale Tomaten haben keine Gene, aber gentechnisch veränderte Tomaten haben Gene“ oder „Der Sauerstoff, den wir einatmen, stammt von Pflanzen“.
Nun stellt sich die Frage, warum die überzeugt Inkompetenten nicht lernen, warum sie nicht auf Informationen, die leicht z.B. im Internet zu finden sind, zurückgreifen und ihre falsche Überzeugung revidieren. Die Antwort auf diese Frage kann man auf drei Weisen geben.
Mit Leon Festinger kann man auf kognitive Dissonanz verweisen und annehmen, dass die psychologischen Kosten einer Revision der eigenen, falschen Überzeugung so hoch sind, dass die Überzeugten es vermeiden, mit widersprüchlichen Informationen überhaupt konfrontiert zu werden und sie, wenn sie dennoch mit ihnen konfrontiert werden, entweder nicht zur Kenntnis nehmen oder für irrelevant erklären.
Sozialpsychologische Erklärungen lassen immer einen gewissen Spielraum der Unsicherheit, denn die Frage, warum man Information unterdrücken sollte, die der eigenen Überzeugung widerspricht, mit dem Verweis auf eine psychologische Prädisposition (also einen entsprechenden psychologischen Schaden) zu beantworten, scheint irgendwie die Erklärung am Ende auch zu ihrem eigenen Ausgangspunkt zu machen.
Die Rational-Choice Theorie hilft hier weiter: Für diejenigen, die ihren Widerstand gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel öffentlich gemacht haben, die als Aktivisten gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel agitieren, sind die realen sozialen Kosten, die eintreten, wenn sie ihre Ablehnung revidieren, sehr hoch. Je nachdem, wie sehr sich die Aktivisten als 100%-Überzeugte inszeniert haben, versucht haben, andere zu missionieren oder andere, die ihre Meinung nicht teilen, diskriminiert haben, reichen die Kosten von Lächerlichkeit bis zu sozialer Ausgrenzung. Auch die ökonomischen Kosten können sehr hoch sein, dann nämlich, wenn der Aktivismus gegen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel eine Einkommensquelle ist.
Die Diskreditierung – der eigenen Überzeugung widersprechender Informationen – bleibt jedoch nicht ohne psychologische und soziale Folgen. Eine Isolierung von der direkten Umwelt ist häufig die Folge, und aus der Notwendigkeit eigene Überzeugung von falsifizierenden Information abzuschirmen, resultiert nicht selten ein Fundamentalismus. Richtet sich der Fundamentalismus auf die Außenwelt, ist er ein aktiver Fundamentalismus, der benutzt wird, um sich von Dritten abzugrenzen, z.B. von jenen, die gentechnisch veränderte Lebensmittel begrüßen. In diesen Fällen spricht Douglas Pratt von einem rechthaberischen Fundamentalismus, der sich durch folgende Merkmale auszeichnet:
- Der Kernbestand der eigenen Überzeugung, das, was das vermeintliche Wissen ausmacht, die Greenpeace-Broschüren z.B., die vor genetechnisch veränderten Nahrungsmitteln warnen, werden zur Bibel, die Wort für Wort und Satz für Satz Wahrheit beschreibt.
- Der selbstsichere Fundamentalist wird in seiner Selbstsicherheit durch gemeinschaftliche Strukturen unterstützt, z.B. in Form einer Glaubensgruppe, die sich von der Außenwelt abgrenzt und sich um einen gemeinsamen Bestand an unverrückbaren Wahrheiten sammelt.
- Die Inklusion der Gruppe führt zu einer Feindschaft und Radikalisierung gegenüber abweichenden Meinungen, alles, was liberal erscheint, wird dämonisiert und abgelehnt. Die eigene Überzeugung gilt als wahr, umfassend und undiskutiertbar. Die Abgeschlossenheit der eigenen Glaubensgruppe geht bereits mit einer Abwertung von Anderen, einher, die geringschätzig als Ungläubige, Maskulisten, Genderkritiker, Umweltvergifter oder Unmenschen bezeichnet werden.
Fernbach, Light, Scott, Inbar und Rozin scheinen diese Form des Fundamentalismus in ihren „extreme opponents“, die nichts wissen, aber denken, sie wüssten alles, gemessen zu haben.
Literatur:
Dunning, David, Johnson, Kerri, Ehrlinger, Joyce & Kruger, Justin (2003). Why People Fail to Recognize Their Own Incompetence. Current Directions in Psychological Science 12(3): 83-87.
Fernbach, Philip M., Light, Nicholas, Scott, Sydney E., Inbar, Yoel & Rozin, Paul (2019). Extreme Opponents of Genetically Modified Foods Know the Least But Think They Know the Most. Nature Human Behaviour
Pratt, Douglas (2010). Religion and Terrorism: Christian Fundamentalism and Extremism. Terrorism and Political Violence 22(3): 438-456.
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