Nazi-Sprache: Wie das Dritte Reich verklärt wird

Sprechen Sie noch selbst – oder wird bereits für Sie gesprochen?

Im ICD-10 unter F42 findet sich die obsessive-compulsive disorder, zu deutsch: Die Zwangsstörung.

“The essential feature is recurrent obsessional thoughts or compulsive acts. Obsessional thoughts are ideas, images, or impulses that enter the patient’s mind again and again in a stereotyped form. They are almost invariably distressing and the patient often tries, unsuccessfully, to resist them. They are, however, recognized as his or her own thoughts, even though they are involuntary and often repugnant. Compulsive acts or rituals are stereotyped behaviours that are repeated again and again.”

Beschrieben wird hier eine zwanghafte Neigung, sich ständig mit denselben Dingen zu beschäftigen, eine Zwangsneurose, der sich ein Patient nicht entziehen kann, wobei das Objekt, das den Zwang ausübt, nicht physisch gegenwärtig sein muss, denn der Kranke trägt es mit sich herum, es fällt ihm ständig ein, er sieht alles vor seinem Hintergrund, bewertet alles auf seiner Grundlage…

Für einige Deutsche vor allem diejenigen, die sich auf der linken Seite des politischen Spektrums finden, ist der Nationalsozialismus Auslöser einer Zwangsstörung, die sie entweder überall Nazis sehen oder alles auf Grundlage ihrer Überzeugung von Nazis umgeben zu sein, beurteilen lässt.

Wenn es einen Erfolg des Nationalsozialismus zu vermelden gibt, dann sicher den, dass er auch fast 80 Jahre nach seinem Ende fortwirkt, auch 80 Jahre nach seinem Ende, wird er von Verschwörungstheoretikern der Linken zur grauen Eminenz hinter politischen Ansichten, die ihnen nicht gefallen, stilisiert. 80 Jahre nach seinem Ende halten Politdarsteller seine Erinnerung so lebendig wie nur möglich, um ihn – wie Geisterheiler – anlässlich jeder Entwicklung, die ihnen nicht gefällt, als Fetisch aus der Tasche zu ziehen und zu beschwören oder zur Gefahr zu stilisieren, die hinter jedem Baum auf den nichtsahnenden Wanderer wartet. Und 80 Jahre nach seinem Ende gibt es Autoren, die nichts Besseres zu tun haben, als in Büchern der Frage nachzugehen, ob wir heute „sprechen wie Nazis“.

Die Anziehungskraft und Faszination, die vom Nationalsozialismus ausgeht, sie ist ungebrochen. Die Beschäftigung mit ihm, sie ist so obsessiv, dass ihm eine eigene, die Zeiten überdauernde Wesenheit angedichtet wird, die sich z.B. in Worten niederschlägt.

Wann haben Sie das letzte Mal von einem Reichsparteitag gesprochen? Nicht unbedingt ein Begriff, der einem außerhalb von Geschichtsunterricht und Büchern über das Dritte Reich häufig begegnet, es sei denn in der Formulierung „innerer Reichsparteitag“. „Reichsparteitag“ ist ein Begriff, den man, wie der Autor Matthias Heine im Interview mit Armin Fuhrer vom Focus meint, nicht „unbedingt benutzen“ müsse, denn „tatsächlich wurde er im Dritten Reich verwendet“. Heine hat ein ganzes Buch voller Begriffe, die er für Nazi-Begriffe hält, geschrieben, die er anderen gerne verbieten würde.

Dass der Versuch, andere zu belehren und sich moralisch zu erhöhen, nicht mit Wissen einhergehen muss, zeigt sich schon an dieser Stelle, denn Reichsparteitag ist ein Begriff, der lange vor dem Dritten Reich verwendet wurde, z.B. von der SPD.

Das hat seine Ursache darin, dass von 1871 an ein Deutsches Reich existent war. Dieses deutsche Reich hatte einen Reichstag. Reichstag war die Bezeichnung für das Parlament im Kaiserreich und in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, obgleich die Nazis keine Verwendung mehr für das Parlament hatten. Im Reichstag saßen Parteien, und wann immer sich die Mitglieder dieser Parteien zu einem landesweiten Parteitag eingefunden haben, war das per definitionem und in der Benennung ein „Reichsparteitag“.

Aber all die vielen Möglichkeiten, den Begriff „Reichsparteitag“ als normalen Begriff in der Verwendung normaler Parteien zu betrachten, schlagen Heine und sein Focus-Sprachrohr Fuhrer aus. Sie wollen den Begriff zum Nazi-Begriff erklärt sehen. Das ist obsessiv und zwanghaft.

Heine hat in seinem Buch eine ganze Reihe von Begriffen auf seinen Index gesetzt. Sie alle zeichnen sich dadurch aus, dass sie Begriffe sind, Worte, denen ein Inhalt zugewiesen wurde, Worte, deren Inhalt deskriptiv ist, nicht normativ, Worte, die ihre Ladung dadurch erhalten, dass Fixierte wie Heine und Fuhrer der Ansicht sind, ihnen würde eine Art Nazi-Agens innewohnen, das sich durch die Benutzung der Worte auf den Benutzenden und die Zuhörer ausbreitet und im Ergebnis ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus zur Folge hat. Ein magisches Weltbild ist eine rationale Angelegenheit im Vergleich zum verbrämten Essentialismus, dem Heine und Fuhrer huldigen.






Dieser verbrämte Essentialismus führt bei Heine dazu, dass er u.a. die folgenden Begriffe aus dem deutschen Wortschatz beseitigen will:

  • Parasit,
  • Schädling,
  • anglo-amerikanisch,
  • Blut und Boden,
  • entartet,
  • Euthanasie,
  • Festung Europa,
  • gesundes Volksempfinden,
  • Gleichschaltung,
  • Herrenrasse,
  • lebensunwertes Leben,
  • Rassenschande,

Überkommt Sie auch so ein seltsames Gefühl angesichts von Personen, die nicht in der Lage zu sein scheinen, in Begriffen Vehikel zu sehen, die der Verständigung dienen, die so fixiert auf eine und nur eine Nutzung von Begriffen sind, dass ihnen gar nicht in den Sinn kommt, dass man Begriffe auch in ganz anderer Weise verwenden kann, z.B. um zu kritisieren, dass sich jemand, der anderen vorschreiben will, wie sie zu reden haben, zwangsläufig über diese anderen stellt, sich zum Herren über diejenigen aufschwingt, die er reglementieren will, am Ende denkt, er sei ein Mitglied einer Art Herrenrasse. Kein Nazi wäre je auf die Idee gekommen, den Begriff der Herrenrasse so zu verwenden. Dennoch kann Heine wohl nur Nazi denken, wenn er Herrenrasse hört.

Neben der Fixierung auf den Nationalsozialismus zeichnen sich pseudo-Moralisten wie Heine auch regelmäßig durch eine erschreckende Unfähigkeit zur Empathie aus. Es soll Menschen geben, die an ihrem Leben so leiden, z.B. weil sie ein unheilbare Krankheit in Beschlag hält, dass sie ihr Leben für nicht mehr lebenswert, für lebensunwert halten (die Nazis sprachen übrigens von unwertem Leben, nicht von lebensunwertem Leben, aber das nur nebenbei). Es ist nicht an Herrn Heine, diesen Menschen die Bewertung des eigenen Lebens zu verbieten.

In den Flickenteppich der Begriffe, die Heine nicht mag, haben sich auch eine ganze Reihe deskriptiver Begriffe verirrt. Schädling beschreibt eine Lebensform, die durch ihre Existenz ihre Umwelt schädig. Ein Parasit lebt von einem Wirt. Gleichschaltung liegt vor, wenn da, wo man aufgrund der Vielfalt der natürlichen Umgebung Differenz erwarten würde, z.B. in Nachrichtenredaktionen, gleichlautende Texte produziert werden. Entartungen sind etwas, mit dem Botaniker nach wie vor zu kämpfen haben. Die Wenigsten werden dann, wenn sie eine Pflanze als entartet bezeichnen, an die Nazis denken. Das tun nur Zwangsneurotiker. Festung Europa ist ein Begriff, der angesichts der Lecks im Mittelmeer überkommen ist und darüber hinaus ein Ehrenabzeichen der Regimentsfarben britischer Einheiten, die im zweitem Weltkrieg gegen Hitlerdeutschland gekämpft haben. Abermals gibt es mehrere Möglichkeiten, einen Begriff zuzuordnen, abermals wählt Heine zwanghaft, den Begriff zum Nazi-Begriff zu erklären. Euthanasie ist ein Begriff, der aus dem Griechischen kommt, er bezeichnet die Tötung, um Leid zu beenden. Den Begriff, weil es im Dritten Reich Mörder gab, die ihre Handlungen als Euthanasie ausgegeben haben, aus dem Wortschatz streichen zu wollen, ist ein Zuviel der nachträglichen Ehre für die Nazis – oder? Bleibt „Blut und Boden“ und somit ein Begriff, dessen Verwendung eine Art Selbstverortung bedeutet, eine ideologische Einordnung. Eine solche Selbsteinordnung ist für alle, die sie gewärtigen, ein eindeutiger Hinweis darüber, mit wem sie es zu tun haben. Warum will Heine die Chance zunichte machen, dass Menschen in Interaktionen aufgrund von verwendeten Begriffen dieselbe abbrechen?

Anglo-amerikanisch, anglo-american, kann nur jemand streichen wollen, der außer dem Kirchturm im eigenen Kaff, bislang noch nichts gesehen hat.

Diese Frage führt zur entscheidenden Frage: Wie kommt man auf die Idee ein Buch zu schreiben, in dem man seine Obsession mit Nazi-Deutschland so weit treibt, dass man Begriffe zu Nazi-Begriffen erklärt, sie mit einem Kult umgibt, der den Vril-Kult der Nazis in den Schatten stellt und zur Krönung des Ganzen die Begriffe aus dem Wortschatz Anderer beseitigen will?

Grundsätzlich gibt es wieder zwei Arten, eine solche Handlungsentscheidung zu erklären: Opportunismus und Krankheit. Entweder Heine will auf der Nazi-Welle schwimmen, dabei die Fahne des Gutmenschen wedeln, um damit bei den besonders Naiven Kasse zu machen oder er hat tatsächlich eine Obsession mit Nazi-Deutschland…


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