House-Revolte: Ist Rishi Sunak kurz davor, abgesetzt zu werden?

Es gibt Parteien, und es gibt die Conservative Party of the United Kingdom.
Eine Ansammlung partikularer Gruppen, die sich alle unter dem Dach der Conservative Party eingefunden haben, obschon sich die jeweiligen Mitglieder gegenseitig nicht leiden können. Und sie formen unterschiedliche Gruppen von Abgeordneten. Die neuen, die PopCons, kurz für Popular Conservatives wurden vor ein paar Wochen auf Betreiben von Liz Truss gegründet.

  • Die Popular Conservatives wollen die Kontrolle von Verwaltung und Bürokraten über die Leben der Briten beseitigen, die Grenzen sichern, die Steuern reduzieren, den Net Zero Wahnsinn beenden und ansonsten die European Convention on Human Rights verlassen. Die PopCons können wohl auf rund 30 Abgeordnete, die quasi als Erbmasse aus dem Vorgänger der “Free Enterprise Group”, die ebenfalls von Truss gegründet wurde, übernommen wurden, zurückgreifen.
  • Dann gibt es die European Reasearch Group: Sir Jacob Rees-Moog, Suella Braverman und Steve Baker haben sich in dieser Gruppe unter der Führung von Mark Francois gemeinsam mit rund 40 weiteren Abgeordneten eingefunden, um den BREXIT tatsächlich zu verwirklichen, das von Sunak gefeierte und von den Mitgliedern dieser Gruppe für Bullshit gehaltene Windsor Abkommen mit der EU zu beseitigen und, was wohl: Die Grenzen zu sichern.
  • DIE “RED” WALL By RaviC – Own work, CC BY-SA 4.0,

    25 Abgeordnete aus der Red Wall, also Tory Abgeordnete, die 2019 einen Sitz erobert haben, der bis dahin fest in der Hand von Labour war, bilden die New Conservatives. Sie haben sich in den letzten Monaten vor allem durch einen 10 Punkte Plan zu Immigration hervorgetan, in dem u.a. gefordert wird, die Rekrutierung von Ausländern für den NHS zu beenden. Zudem sind die Abgeordneten kritisch gegenüber den Ruanda-Plänen der Regierung Sunak, in der man denkt, die Boote über den Ärmelkanal, die im Durchschnitt mehrere Hundert illegale Migranten pro Tag nach England bringen, dadurch stoppen zu können, dass man eine Handvoll der Ankommenden nach Ruanda ausfliegt, als Abschreckung …

  • Sir Jake Berry führt rund 55 Abgeordnete in der Northern Research Group, in der sich Abgeordnete, die Wahlkreise von der Red Wall in den Norden Englands und die Diaspora in Schottland vertreten, zusammengefunden haben. Ihnen geht es vornehmlich darum mehr Geld in ihre Region zu transferieren, um dringend notwendige Infrastrukturprojekte zu fördern. Aus dieser Gruppe kam der meiste Widerstand gegen Lockdowns und die COVID-19 Politik der Regierungen Johnson und Sunak und gegen die Erhöhung der Unternehmenssteuern durch den Chancellor of the Exchequer Jeremy Hunt.
  • Die Commons Sense Group ist mit 50 Abgeordneten eine weitere Gruppe. Sie richtet sich gegen alles, was dem gesunden Menschenverstand widerspricht, von wokem Unfug, über die Politisierung der Polizei und “two-tier policing”, also differenziertes Vorgehen, je nachdem, wem sich die Polizei gerade gegenübersieht bis zu gefährlichem Blödsinn wie Critical Race Theory als Unterrichtsstoff in den Schulen.
  • Ranil Jayawardena ist der Vorsitzende der Conservative Growth Group, die vielleicht schon wegen des Namens zur relativen Bedeutungslosigkeit verurteilt war. Sie wurde als Reaktion auf Kwasi Kwartengs Mini Budget gebildet, jenes Mini Budget, mit dem das rasante Ende von PM Truss eingeleitet wurde.
  • Alex Chalk and Gillian Keegan sind Mitglieder im One Nation Caucus, der nach wie vor größten Gruppe von konservativen Abgeordneten mit rund 100 Abgeordneten, deren politische Inhalte sich letztlich wenig von dem unterscheiden, was man in Deutschland als sozialdemokratische Politik bezeichnen würde. Sunak war in den letzten Wochen genötigt, diese Gruppe zu hoffieren, die 2011 gebildet wurde als David Cameron PM war, und deren Zahl von Boris Johnson erheblich dezimiert wurde, denn One Nation ist auch der Hort der Remainers, der Tory Abgeordneten, die bis heute nicht ihren Frieden mit dem Brexit gemacht haben.
  • Die Conservative Democratic Organisation setzt sich weitgehend aus Abgeordneten um Lord Peter Cruddas zusammen, die über die Art und Weise, in der Rishi Sunak als PM in Number 10 installiert wurde, verärgert sind. Die Gruppe ist offen für nicht Mitglieder der konservativen Fraktion in Westminister.
  • In der China Research Group haben sich Abgeordnete versammelt, die ein konsequenteres und härteres Vorgehen gegen China fordern.
  • Schließlich gibt es die Net Zero Scrutiny Group, deren rund 50 Mitglieder, die sich um Craig Mackinlay versammeln, alle Net Zero Abgaben gestrichen sehen wollen. Ihnen steht mit dem Conservative Environment Network eine Gruppe von rund 130 Abgeordneten der Tories gegenüber, die  nicht an Net Zero rütteln wollen und nur bereit sind, über die Höhe und Art der aus ihrer Sicht notwendigen Abgaben zu diskutieren.

Das ist die “Conservative Party”. Eine Ansammlung von derzeit noch 346 Abgeordneten, von denen viele nicht wissen, was sie mit anderen gemeinsam haben und von denen die wenigsten noch ein Verständnis davon haben, was mit “konservativer Politik” einst gemeint war.

Es ist kein Wunder, dass sich diese Ansammlung von Abgeordneten in den letzten Jahren in nahezu jedem Punkt, über den man sich zerstreiten kann, zerstritten hat. Es ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass Rishi Sunak nicht viel von dem, was er versprochen hat, zustande gebracht hat, denn ihm fehl jede Führungsqualität, die notwendig wäre, um diesen diversen Haufen zu einer Partei zu einen. Und letztlich ist es kein Wunder, dass den Konservativen die Wähler in Scharen davonlaufen, denn nichts von dem, was 2019 im Party Manifesto versprochen wurde, von der Durchführung des Brexit, der Verwirklichung staatlicher Souveränität, der Sicherung von Grenzen bis zur Verhinderung illegaler Zuwanderung ist in die Tat umgesetzt worden. Es fehlt letztlich am politischen Willen und am Rückgrat, das notwendig wäre, um Politiken durchzusetzen.

Das Ergebnis sieht dann so aus:

Als Truss demontiert und Sunak installiert wurde, wurden nichtzuletzt die schlechten Umfragewerte der Tories als Begründung dafür angegeben, der darin zum Ausdruck kommende Vertrauensverlust der Bevölkerung vorgeschoben. Indes, seit Sunak in Number 10 Downing Street sitzt, ist an Vertrauen nicht viel zurückgekommen, wenn die Wahlabsicht als Indikator genommen wird. Die Conservative Party ist unter Sunak genau da, wo sie war, als Truss zurückgetreten ist.

Not much to show for.

Und es wird immer schlimmer.

Normalerweise, und darauf haben die vielen Analysten, die sich für die Conservative Party ihre Köpfe zerbrechen und die Scherben dann als politische Ratschläge zusammenkleben, gehofft, gibt es ein Gesetz der by-elections, das eine Regierung nach einer Wahl in der Wählergunst bis etwa in die Mitte der Legislaturperiode absinken lässt, um dann, je näher der Wahltermin rückt, in der Wählergunst wieder zu steigen. Eine Entwicklung, die in einer Reihe wissenschaftlicher Beiträge beschrieben wird und sich dadurch auszeichnet, dass sie 2024 nicht stattfindet. Sunak dümpelt mit seiner Partei in der Gegend von 20% bei Fragen nach der Wahlabsicht und – je nach Befragungsinstitut – nurmehr zwischen vier und sechs Prozent vor Reform UK.

Die so genannte Nebenwahl-Theorie kann in den folgenden Beiträgen nachgelesen werden:

Reif, K. (1984). National electoral cycles and European elections 1979 and 1984. Electoral studies, 3(3): 244-255.

Reif, K., Schmitt, H. and Norris, P. (1997). Second‐order elections. European Journal of Political Research 31(1‐2): 109-124.

Šaradín, P. (2012). Regional Elections are really Second Order Elections. Contemporary European Studies 2:5-13.

Teperoglou, E. (2004). Applying the second-order elections model on the European Election of 13 th June 2004 in Greece.

Für Deutschland:

Dinkel, R. (1978). The relationship between federal and state elections in West Germany’. In: Kaase, M. & von Beyme, K. (eds.). Elections and Parties. London: Sage, pp. 53–65

Dinkel, R. (1977). Der Zusammenhang zwischen Bundes- und Landtagswahlergebnissen’. In: Kaase, M. (Hrsg.), Wahlsoziologie heute. Analysen aus Anlass der Bundestagswahl 1976. Opladen: Westdeutscher Verlag, pp.348–59.

Mit dem Wechsel von Lee Anderson zu Reform UK hat sich zudem das Gleichgewicht in der Red Wall verschoben, denn Lee Anderson, Abgeordneter für Ashfield, ist die Integrationsfigur für ehemalige Labour Wähler, die 2019 zu den Tories übergelaufen sind. Man kann entsprechend erwarten, dass die Wähler, die sich von den Tories verraten sehen, weil die Tories Brexit nicht im vorgesehenen Maße umgesetzt, sich von einem von George Soros finanzierten Richtern vollgestopften European Court of Human Rights auf der Nase herumtanzen lassen und keinerlei erfolgreiche Anstrengungen vorweisen können, um den Zustrom illegaler Migraten über den Ärmelkanal zu stoppen, mit Lee Anderson ihre Parteibindung verändern werden.

Mit dem Wechsel von Lee Anderson zu Reform UK, Anderson war immerhin Vize-Parteivorsitzender der Tories, bis die Unstimmigkeiten über die Ruanda-Bill dazu geführt haben, dass er zurückgetreten ist, ein Ereignis, dem wenige Wochen später der Ausschluss von Anderson aus der Fraktion der Tories im House of Commons gefolgt ist, weil Anderson über Sad IQ Khan gesagt hat, der Bürgermeister von London stecke in der Tasche von Islamisten und Sunak sich beeilt hat, nicht etwa seinen Parteifreund, sondern den Labour Bürgermeister von London zu schützen, ist in den Reihen der verbliebenden Tory Abgeordneten Panik ausgebrochen. Panik und Chaos haben nun dazu geführt, dass es eine Reihe von Backbenchern gibt, die einer der rechten Gruppen in der Fraktion der Tories angehören sollen, namentlich genannt wurde bislang nur Andrea Jenkins, die den Vize-Vorsitz in der European Research Group führt, die das Heil der Tories in der Flucht wohin auch immer suchen wollen.

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Eine geradezu irre Idee, für die man vielleicht eine minimale Erfolgschance sehen könnte, wenn die Tories einen Kandidaten als Übergangs-PM präsentieren würden, der Glaubwürdigkeit, Seniorität, Anstand und politische Kompetenz mit Bekanntheit und Popularität verbindet. Indes, der einzige, von dem die entsprechenden Abgeordneten annehmen, dass er sich für einen solchen Deal hergibt und bereit ist, Brutus für Sunak zu spielen, ist: Penny Mordaunt

W25X4C London, UK. 6th July 2019. Sadiq Khan, Mayor of London and Penny Mordaunt, Secretary of State for Defence of the United Kingdom, opening Pride Day in London ahead of the Parade. Credit Thomas Bowles/Alamy Live News

Mordaunt (rechts) ist derzeit Vorsitzender des House of Commons und der Idee, PM und Vorsitzender der Conservative Party zu werden, sicher nicht abgeneigt, quasi als Genugtuung für die Bauchlandung, die sie mit dem letzten Versuch, PM und Vorsitzender der Tories zu werden, als sie sich Liz Truss und Rishi Sunak geschlagen geben musste, erlitten hat. Nach dem Rücktritt von Truss war Mordaunt die erste, die sich als PM angeboten hat. Indes, ihre Absicht, der neue PM zu werden, scheiterte daran, dass sie lediglich 27 der 100 Stimmen erhalten hat, die notwendig sind, um die Kandidatur nicht nur zu erklären, sondern auch eingeräumt zu bekommen. Nun scheint, aus nicht nachvollziehbaren Gründen, Mordaunt den Tory Abgeordneten, die in Panik durch das House of Commons laufen, um sich all die Orte einzuprägen, die sie nach der nächsten Wahl nicht mehr sehen werden, als Retter in der Not aufzuzwingen, eine Hoffnung, die dem Versuch gleicht, eine Flutwelle mit einem Sandsack aufhalten zu wollen.

Über Mordaunt muss man nicht viel wissen.
Sie ist nicht das, was man eine ansprechende Person nennen würde. Das meiste über sie ist gesagt, wenn man weiß, dass sie ein Buch mit dem Titel “Greater: Britain After the Storm” geschrieben hat oder hat schreiben lassen, zu dem Moskito Bill das Vorwort geschrieben hat. Die innige Verbindung zwischen Penny und Bill dürfte das Verhältnis zu WHO und WEF positiv beeinflussen, und man fragt sich, wie die Leute bei der European Research Group so wahnsinnig sein können zu denken, ausgerechnet Mordaunt werde die verlorenen Wähler zurückholen anstatt die verbliebenen endgültig davon zu überzeugen, dass es Zeit ist, zu gehen.

Wenn Sie weitere Informationen zu Mordaunt und dem neuerliche Coup gegen Sunak suchen, dann ist das Video von Mahyar Tousi, das wir unten verlinkt haben, ein guter Startpunkt. Die letzte Wendung in diesem Epos besteht darin, dass PM auf Abruf, Rishi Sunak an Beckbencher appelliert hat, an Bord zu bleiben und seinem Plan zu vertrauen, denn die Wirtschaft in Britannien geht wieder bergauf, wächst vermutlich mit 0,2% und das sollte doch reichen, um Sunak zu vertrauen … oder?

Wir werden es sehen und darüber berichten.


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