Ab und zu findet man in der sonst eher tristen Landschaft deutscher wissenschaftlicher Veröffentlichungen etwas Unerwartetes, eine Perle, wenn man so will, eine Studie, in der etwas abseits vom mainstream untersucht wird, der in den einst kritischen deutschen Sozialwissenschaften, zur meistbefahrenen Route geworden ist. Als Konsequenz gleichen sich die Überschriften der Artikel in sozialwissenschaftlichen Periodika, führen zumeist schon beim Betrachten des Titels zu Gähnen und vorauseilender oder antizipativer Langeweile.
Friedrich Heinemann und Eckhard Janeba machen hier eine Ausnahme. Bereits der Titel ihres “Discussion Paper” schläfert nicht ein, sondern macht wach: “The Globalization of Tax Policy: What German Politicians Believe” . Wow! Da hat jemand Politiker befragt. Da gibt es Sozialwissenschaftler, die daran interessiert sind zu untersuchen, wer da eigentlich im Parlament sitzt, Sozialwissenschaftler, die Daten über die vermeintlichen Volksvertreter sammeln. Nicht nur das, Heinemann und Janeba haben sich ein “heikles” Thema vorgenommen: Globalisierung (und Steuerwettbewerb). Kaum ein Thema wird in Deutschland mit so viel Emotion und so wenig Sachverstand behandelt, wie die – je nach politischem Lager – schreckliche oder vorteilhafte Globalisierung. Entsprechend spannend ist es zu untersuchen, ob die Volksvertreter, die gemeinhin von sich annehmen, sie seien besser informiert als diejenigen, die sie vertreten (wie sonst sind Äusserungen wie: “Die Bürger müssen verstehen”, zu verstehen?) in ihrem Herangehen an “Globalisierung (und Steuerwettbewerb)” in der Lage sind, informiert und kompetent über Globalisierung zu urteilen.
Sie sind es nicht: “…the essential result is the clear and overwhelming impact of ideology on the perception of globalization restrictions” (Heinemann & Janeba, 2007, S.17). Egal, ob Politiker danach befragt werden, ob Unternehmenssteuern für die Standortentscheidung von Unternehmen wichtig sind, ob Unternehmen Profite aus Hochsteuer- in Niedrigsteuerländer verschieben, ob Wähler ihre eigene Steuerbelastung mit der von z.B. Holländern, Schweden oder Briten vergleichen, die Befragten Parlamentarier antworten in schöner Eintracht mit der von ihrem jeweiligen Lager propagierten Ideologie. Nicht Ratio oder Wissen entscheidet über Bewertungen und Einstellungen von Politikern, nein, Ideologie entscheidet, so dass Heinemann und Janeba als Hauptergebnis ihrer Studie einen “strong ideological bias in the legislators’ views” (22) feststellen. Dieses Ergebnis ist ein “full blow” für die Gewissensfreiheit von Abgeordneten. Man kann die Gewissensfreiheit getrost abschaffen, denn die Abgeordneten haben ihre Gewissen mit der Parteiideologie ersetzt. Das Gute daran ist, dass die Parteidisziplin auch gestrichen werden kann, denn die Gleichschaltung ist zu perfekt, als dass es noch des Zwangs befürfte. Wer sich die Ergebnisse von Zimmermann und Janeba in Tabelle 4 ansieht, kann nicht anders als darüber zu staunen, wie sehr die Einschätzung der erfragten Globalisierungsfolgen anhand von bloßer Parteimitgliedschaft vorhergesagt werden kann. Abgeordneter X ist Mitglied der Grünen, also wird er behaupten, das Unternehmenssteuern bei der Standortwahl von Unternehmen überhaupt keine Rolle spielen. Abgeordneter Y ist Vertreter der Linken Liste, also ist er davon überzeugt, dass Unternehmen ihre Profite in Steueroasen verschieben. Abgeordneter Z gehört zur Regierungsfraktion, folglich weiß er, dass seine Bürger sich kaum in Nachbarländern über die dortigen Steuern informieren. Dass ihre Bürger zu träge sind, um sich Vergleichsangebote im Hinblick auf die Steuerlast aus anderen Ländern zu besorgen, darüber herrscht übrigens weitgehend Einigkeit unter den Volksvertretern.
Diese Vorhersagbarkeit der deutschen Politik, diese parteipolitische Gleichschaltung der Meinungen ist einfach nur erschreckend, kann aber dahingehend positiv gewendet werden, dass sie es ermöglicht, den Bundestag von 612 auf fünf Abgeordnete zu verkleinern. Da sowieso alle Fraktionsangehörigen derselben Meinung sind, reicht es doch, wenn man je einen Parteivertreter für seine Meinung bezahlt. Das freiwerdende Kapital kann man nutzen, um sinnvolle Forschung, z.B. über die Folgen von Steueroasen zu finanzieren, damit die fünf verbleibenden MdBs eine Chance haben, sich eine informierte Meinung zu bilden, jenseits von aller Parteiideologie.
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Allerdings wo kriegt man nen guten her? 🙁
Traurige Zustände in der Bundesrepublik