Rostocker Ehrendoktorposse: Showdown um Snowden

Die Philosophische Fakultät der Universität Rostock hat durch den Rektor der Universität Rostock, Prof. Dr. Wolfgang Schareck, gerade die maximale Strafe für Unkenntnis der rechtlichen Regelungen, auf denen der Universitätsbetrieb in Rostock basiert, erhalten: Er hat die Entscheidung des Fakultätsrats der Philosophischen Fakultät Rostock, Edward Snowden den Ehrendoktortitel der Fakultät für Philosophie zu verleihen, beanstandet, den Rat der Fakultät aufgefordert, die Entscheidung aufzuheben und im Falle einer Weigerung, die letztliche Entscheidung im Rahmen der Rechtsaufsicht an das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern verwiesen.

Da versuchen sich Sozialwissenschaftler einmal leutselig zu geben und auf einen Wagen des Volkszorns aufzuspringen, da wollen sie einen mutigen Mann, der in weiten Teilen der USA als Landesverräter gilt, einmal für sein Engagement mit einem Ehrendoktortitel auszeichnen, und was passiert: Ihr Beschluss wird ihnen vom Rektor um die Ohren gehauen.

Uni RostockDabei haben die Mannen von der Philosophischen Fakultät alles ihnen nur mögliche getan, um die Weitergabe von Informationen durch Edward Snowden zu einer herausragenden wissenschaftlichen Leistung, zu einer Aktion von “wissenschaftliche(r) Bedeutung” zu stilisieren. Sieben Professoren, von Ulrich Beck und Micha Brumlik zu Claus Leggewie und Wolfgang Hoffmann-Riem wurden verschlissen, um die wissenschaftliche Bedeutung der Übergabe von Informationen an Zeitungen zu begründen. Was hat es gebracht? Nichts.

Auch der Versuch, Snowden als Vertreter einer uramerikanischen Freiheitskultur, als in der Tradition US-amerikanischer Bürgerrechtler wie Malcolm X und Dr. Martin Luther King stehend, aufzubauen, ihn zu einem amerikanischen Patrioten zu erklären und seine moralische Integrität und die ethische Dimension seines Handelns zur Grundlage der Verleihung einer Ehrendoktorwürde zu benutzen, hat nichts geholfen, ebenso wenig wie der Verweis darauf, dass man “wissenschaftliche Leistung nicht losgelöst von moralischen, ethischen und zivilgesellschaftlichen Dimensionen des sozialen Handelns und der Persönlichkeit des zu Ehrenden beurteilen” könne.

Am Ende mussten sich die eminenten Professoren, die gemeinsam mit u.a. ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern den Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät in Rostock besetzen, von ihrem Rektor belehren lassen, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein Ehrendoktortitel nur “aufgrund besonderer wissenschaftlicher Leitungen” verliehen werden dürfe und dass die “Übergabe eines umfangreichen Datenbestandes an ausgesuchte Medien mit dem Ziel einer Veröffentlichung und Auswertung dieses Datenbestandes durch diese Medien und zu dem Zweck, einen möglicherweise auch wissenschaftlichen Diskurs mit Blick auf die Aktivitäten verschiedener Geheimdienste und ihrer gesellschaftlichen, rechtlichen und sonstigen Implikationen … nicht als wissenschaftliche Leistung gewertet werden” könne.

TopitschDie ganze Angelegenheit ist mittlerweile über den Punkt der Peinlichkeit hinaus und man fragt sich, welche Funktion manche Positionsinhaber an Universitäten denselben eigentlich zuweisen. Wenn die Fakultätsräte der Philosophischen Fakultät in Rostock tatsächlich der Ansicht sind, dass man “wissenschaftliche Leistung nicht losgelöst von moralischen, ethischen und zivilgesellschaftlichen Dimensionen des sozialen Handelns” beurteilen könne, dann befördern uns der Herr Dekan Hans-Jürgen von Wensierski und die beiden Prodekane Frau Gesa Mackenthun und Elisabeth Prommer damit um 100 Jahre zurück in die Vergangenheit, und just in die Zeit, als man sich in Deutschland gegen das, was damals als Afterwissenschaft, heute als Pseudowissenschaft bekannt ist, gewehrt hat.

Damit war alles gemeint, was sich an Universitäten breit gemacht hat, ohne über eine wissenschaftliche Methode zu verfügen: Alfred Dippe hat 1895 in seinem Buch “Sozialismus und Philosophie auf den deutschen Universitäten”, festgestellt: “Die Wissenschaft der Sozialdemokratie ist Afterwissenschaft, weil sie der logisch scharfen Kritik nirgends standhalten kann”. Damit war gleichsam ein Startschuss gegeben, ein Startschuss für den Kampf von Wissenschaftlern gegen in bestimmter Gesinnung betriebene Wissenschaft, die eine solche schlicht nicht sein kann, weil Gesinnung sich auf die Wahrnehmung auswirkt und dafür sorgt, dass Forschungsergebnisse verzerrt werden. Nicht nur das: Bestimmte Fragestellungen tauchen im Rahmen einer bestimmten Gesinnung überhaupt nicht auf, oder wann hätte man jemals einen sozialistisch gesinnten Pseudowissenschaftler darüber forschen sehen, wie Transferzahlungen an vermeintlich Arme deren sozialen Aufstieg verhindern und die so oft bejammert Klassengesellschaft zementieren? Wann hätte man je einen Genderisten darüber forschen sehen (oder überhaupt forschen sehen), welchen Schaden der Genderismus im Motivationsgewebe der deutschen Gesellschaft hinterlässt?

Eigentlich sind diese Fragen im deutschen Positivismusstreit hinlänglich bearbeitet worden, aber wie sich zeigt, sind deutsche Sozialwissenschaftler insbesondere resistent gegen Einsichten, die in anderen Wissenschaften als common sense gelten: Wissenschaft ist eine Methode des Erkenntnisgewinns, es ist eine Methode, die bei Problemen beginnt und nach Ursachen sucht. Die Suche muss frei von Einschränkungen und entlang der wissenschaftlichen Methode erfolgen, d.h. es müssen Hypothesen über die Ursachen aufgestellt und es muss der Versuch unternommen werden, diese Hypothesen zu falsifizieren.

Adorno PositivismusstreitEntsprechend ist Wissenschaft unvereinbar mit Gesinnung, und sie ist zuweilen unvereinbar mit den herrschenden moralischen, ethischen und zivilgesellschaftlichen Dimensionen des sozialen Handelns. Sie dient der Erkenntnisgewinnung und manche Erkenntnis mag der herrschenden Moral, Ethik oder anderen zivilgesellschaftlichen Dimensionen widersprechen. Wer das nicht glaubt, der soll an Galileo Galilei denken, der sich in erheblichem Konflikt mit den moralischen und ethischen Vorstellungen seiner Zeit befand, geschweige denn, dass ihm sein etwaiges zivilgesellschaftliches Engagement gut bekommen wäre. Wer es nicht glaubt, der möge sich einen Wissenschafler vorstellen, der sich mit Fragen der gentechnischen Veränderung von Mais, Reis oder Getreide beschäftigt und die entsprechende Forschung vor dem Hintergrund der herrschenden moralischen, ethischen oder zivilgesellschaftlichen Engstirnigkeit beurteilen.

Und damit sind wir am Kern des Problems. Die Wissenschaftsauffassung, die die Fakultätsräte in Rostock an den Tag legen, ist eine Auffassung, die der Wissenschaft schadet, eine Mainstream-Auffassung, eine Art der Wissenschafts-compliance mit dem Zeitgeist. Einmal davon abgesehen, dass Edward Snowden keinerlei Beitrag zu wissenschaftlicher Erkenntnis geliefert hat, denn wollte man dies behaupten, man müsste jeden Archivar, der ein Buch von einem Wissenschaftler aus dem Mittelalter findet, das als verloren galt, mit einem Ehrendoktortitel ausstatten, mag es für Zeitgeist-Reiter, für Personen, die sich einen Vorteil davon versprechen, dass sie ihr Fähnchen in den Wind des Zeitgeistes hängen, einen gewissen Reiz ausüben, Edward Snowden einen Ehrendoktor anzudienen, aber abgesehen von Opportunismus ist es schwierig, ein anderes Motiv, gar ein wissenschaftliches Motiv ausfindig zu machen.

Daraus folgt, dass wissenschaftliche Motive der Entscheidung des Philosophischen Fakultätsrates nicht zu Grunde liegen können, sondern Motive des Opportunismus, vielleicht gepaart mit einer gewissen Mediengeilheit und dem Versuch, eine ansonsten wenig bemerkenswerte Fakultät in die Presse zu bekommen. Zu diesem Zweck wird dann mit hehren Begriffen geworfen, ein Informant der Presse wird zum Wissenschaftler stilisiert, ihm gar ein großes Verdienst um die Wissenschaft attestiert und die Krönung der salbungsvollen Orgie findet sich in der Behauptung, Wissenschaft müsse dem ethisch-moralisch-zivilgesellschaftlichen Zeitgeist entsprechen.

snowdenDas mag für jene Sozialwissenschaftler, die nicht wissen, was eine wissenschaftliche Methode ist und deren Tätigkeit in Weltanschauung besteht, lauter sein, für richtige Wissenschaftler ist es eine Katastrophe und der Gipfel der Heuchelei. Und wie hoch der Gipfel der Heuchelei ist, kann man durch ein einfaches Entfremdungsexperiment deutlich machen: Stellen Sie sich vor, die an die Presse gegebenen Informationen betreffen nicht die NSA und sind nicht politisch korrekt und dem Zeitgeist entsprechend, also z.B. gibt ein Insider Informationen darüber weiter, wie an Universitäten ein schwunghafter Handel mit Titeln betrieben wird, wie Externe sich bei manchen Professoren einkaufen können, um einen Doktortitel zu erwerben oder noch deftiger: Ein Wissenschaftler analysiert all die Doktortitel, die im Rahmen von Genderstudiengängen vergeben werden und zeigt, dass sie auf keinerlei wissenschaftlicher Basis stehen, keine Methode umfassen, keinerlei Erkenntnis erbringen und darüber hinaus irrelevanten Firlefanz zusammenschreiben. Ob die beiden fiktiven Gestalten dann mit einem Ehrendoktortitel aus Rostock rechnen können?

Um es  klar und deutlich zu sagen: Edward Snowden hat eine bewundernswerte Form von Zivilcourage bewiesen, und er verdient dafür, dass er es möglich gemacht hat, die Überwachung von Bevölkerungen durch ihren Staat zu analysieren und zu bewerten, Hochachtung. Es wäre wünschenswert, wenn es mehr Edward Snowdens gäbe, die es sich zum Ziel setzen, all die Strategien und Methoden, mit denen Staaten ihre Bürger gängeln bzw. im Zaum halten wollen, aufzudecken. Snowden ist also aus der Perspektive einer Ethik der Freiheit ein role model, das leider bislang noch darauf wartet, in Deutschland oder in anderen Ländern Schule zu machen. Aber Snowden ist kein Wissenschaftler und entsprechend niemand, dem man für besondere wissenschaftliche Leistungen einenTitel verleihen kann. Auf eine solche Idee kann man nur kommen, wenn man sich der Person Snowdens für seine ganz eigenen Zwecke bedienen will.

 

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