Lebenszufriedenheit und Luftverschmutzung – kommt zusammen, was zusammen gehört?
Wie zufrieden sind Sie alles zusammen genommen mit ihrem Leben? Sind Sie 1 “sehr zufrieden” oder 10 “sehr unzufrieden” oder finden sie sich irgendwo dazwischen? Diese Frage, die in so vielen standardisierten Fragebögen gefragt wurde, dass man besser die standardisierten Fragebögen zählt, die sie nicht enthalten, hat Myriaden von Sozialforschern dazu angeregt, nach Variablen zu suchen, die einen Effekt auf die Lebenszufriedenheit ausüben. Im Rahmen dieser “data-speek-to-me” Ansätze ist zwar wenig Theoriebildung erfolgt, aber viel mit Plausibilitäten gearbeitet worden, am deutlichsten wohl verkörpert im “The Spirit Level”, in dem der Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Gini-Koeffizient (ein Maß für soziale Ungleichheit) gemessen wurde, was die Frankfurter Rundschau zu der unglaublich dummen Schlagzeile “Gleichheit ist Glück” motiviert hat.
Zwischenzeitlich ist so ziemlich alles, was an sozio-demographischen Variablen in Fragebögen erhoben wird, mit der Lebenszufriedenheit korreliert worden. Als Ergebnis wissen wir nunmehr, dass Arbeitslose weniger, Personen mit über dem Median liegenden Einkommen mehr, verheiratete mehr, ledige weniger, Rentner weniger, Jüngere mehr, Gesunde mehr, Kranke weniger, Bewohner eines Landes mit hoher Inflation weniger, Bewohner eines Landes mit geringer Inflation mehr Lebenszufriedenheit zeigen als andere. Und obwohl ich der Letzte bin, der die Befriedigung, die man als Sozialforscher erlebt, wenn das Statistikprogramm Sternchen hinter dem Koeffizienten ausgibt oder der P-Wert eine Signifikanz anzeigt, nicht nachvollziehen kann, so muss ich doch an dieser Stelle die unvermeidliche Warum-Frage stellen. Warum sind Arbeitslose weniger mit Ihrem Leben zufrieden als nicht-Arbeitslose?
Und ich höre schon die Leser rufen, aber das ist doch klar, weil sie arbeitslos sind und deshalb nicht arbeiten und kein Geld verdienen und deshalb sich nichts leisten können und weil sie sich nichts leisten können, sind sie mit ihrem Leben unzufrieden. Ist das so? Ist Lebenszufriedenheit also in erster Linie ein Ausdruck materieller Bedürfnisbefriedigung? Dann darf man Reiche nicht besteuern, denn das reduziert ihre Lebenszufriedenheit. Oder ist Zufriedenheit nicht vielmehr ein relatives Konzept, das etwas mit Anstrengung und Ergebnis zu tun hat? Wie auch immer, man müsste eine Theorie finden, die den Zusammenhang zwischen was auch immer und Lebenszufriedenheit über das Stadium der mehr oder weniger Plausibilität hinausbefördert.
Leider verharrt auch die Arbeit von Maike Schmitt im Stadium der Plausibilität. Schmitt untersucht die Frage, wie das objektiv vorhandene Maß an Luftverschmutzung, gemessen in CO2, NOx und Ozon (O3) sich auf die Lebenszufriedenheit der im SOEP-Befragten auswirkt. Das ist ein mutiges Unterfangen, denn die Verbindung zwischen erklärenden Variablen (CO2, NOx und Ozon) und Lebenszufriedenheit ist noch schwieriger herzustellen, als sie das sowieso schon ist [Die Probleme, die sich mit dieser Art von Analyse verbinden, sind mannigfaltig. Daten über Luftverschmutzung liegen nur für geographische Gebiete und für bestimmte Tage vor. Entsprechend müsste man erklären, wie die Luftverschmutzung am 7. März 2006 im südlichen Baden Württemberg mit der Lebenszufriedenheit von Elfriede Petermann aus Freiburg von “7” zusammenhängt, die diese am 9.März in der entsprechenden SOEP-Befragung angegeben hat. Nicht leicht, das ganze]. Aber es ist doch plausibel anzunehmen, dass Umweltverschmutzung mit Lebenszufriedenheit zusammenhängt und zumindest für Ozon, wenn schon nicht für CO2 und NOx kann Schmitt das auch zeigen. Aber was bedeutet diese Korrelation?
“It is observed that current O3 pollution significantly decreases individual LS [Life satisfaction] … The reason why only O3 has a significant effect might be the fact that the pollution levels are closest to its critical thresholds and even exceed them” (21).
Das mag in der Tat so sein. Es mag auch nicht so sein. Vor allem zeigt ein Blick in die unvermeidliche logistische Regression, dass nicht nur Ozon, sondern auch Alter (steigend positiv), Haushaltseinkommen (steigend positiv), Arbeitslosigkeit (negativ), Behinderung (negativ), verheiratet sein (positiv) und Windgeschwindigkeit (negativ) sich auf die Lebenszufriedenheit auswirken. Entsprechend muss man feststellen, dass die Luftverschmutzung nur für ledige Alte, mit geringem Einkommen, die arbeitslos sind und eine Behinderung haben und nur bei hoher Windgeschwindkeit einen negativen Effekt auf die Lebenszufriedenheit der Befragten hat.
Können Sie daraus Sinn machen? Eben!
Ich auch nicht. Und deshalb wäre es sinnvoll, selbst bei aller Verliebtheit in die eigenen Daten, vielleicht doch eine Theorie zu Rate zu ziehen und sich irgendwie eine Verbindung zu überlegen, die es ermöglicht, aufgefundene Effekte auch sinnvoll und im Hinblick auf die unvermeidliche “Warum”-Frage zu beantworten.
Um auch konstruktiv zu sein, schlage ich vor, die näheren Lebensumstände von Menschen, die Art ihres Lebens zu untersuchen (wohnen sie beengt, werden sie von ihrem Nachbarn genervt, vom x-Amt mit Briefen drangsaliert, leben sie an einer stark befahrenen Straße, fängt das Kind in der Wohnung darunter immer nachts um 2 Uhr an zu schreien usw.). Ich bin mir sicher, die Lebensumstände von Menschen haben einen stärkeren Einfluss auf ihre Lebenszufriedenheit als ein CO2-Level, dessen Vorhandensein sie nicht zur Kenntnis nehmen, außer wenn es in der Tagesschau gemeldet wird. Abgesehen davon stellt sich die Frage, warum Sozialforscher so große Angst davor haben, die konkreten Lebensumstände von Menschen zu untersuchen. Die Größe der Wohnung, die Anzahl der Nachbarn, die Konflikte mit Nachbarn und vieles mehr wird auch im SOEP erfragt, nur es auszuwerten traut sich offensichtlich niemand – am Ende kommt noch ein Ergebnis heraus, das dem “Menschen sind soziale Wesen”-Mythos widerspricht.l
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“Ist Lebenszufriedenheit also in erster Linie ein Ausdruck materieller Bedürfnisbefriedigung?”
Natürlich nicht. Der CO²-Level ebenfalls nicht. Aber auch die Lebens-Umstände entscheiden nicht darüber.
Eigentlich sollte im christlichen Abendland auch mal die Frage aufgeworfen werden, welchen Stellenwert “Glück” oder “Lebenszufriedenheit” eigentlich in der individuellen Werte-Hierarchie einnehmen. Dann würde sich nämlich herausstellen, daß gewisse Menschen, nämlich die überzeugten Christen, u.U. gar nicht “glücklich” oder “mit ihrem Leben zufrieden” sein wollen, wenn sie glauben, daß diese Zustände der Aussicht auf das “ewige Leben” im Wege stehen.
Waren z.B. die Menschen glücklich, die andere Menschen ohne Zwang ins KZ begleitet haben? Oder die Urchristen, die sich bewußt der Verfolgung ausgesetzt haben? Nein, “glücklich” wurden sie damit nicht. Sie haben physisch genauso gelitten wie alle diejenigen Menschen, die unfreiwillig verfolgt wurden. Aber sie waren “selig”, d.h. erfüllt von einer höheren Art von Glück, die ein Mensch, der nur an das irdische Leben glaubt, gar nicht kennt.
Heute ist man fast schon ein Fall für die Psychiatrie, wenn man darüber spricht. Aber bis vor einigen Jahrhunderten war klar, daß ein Mensch, der nur dem irdischen Glück nachjagt, “verloren” ist. Damals war die Unterscheidung zwischen einem “bloß irdischen” und einem wahren oder dauerhaften, “himmlischen” Glück ganz normal. Und man wußte, welcher Art von Glück man vernünftigerweise nachzueifern hatte.
Ich vermute, daß die Zahl der wahren Christen seitdem nicht geringer geworden ist. Nur ist das Christentum nicht mehr staatsgetragen; es hat sich vom Staate emanzipiert. Inzwischen emanzipiert es sich auch immer von den Kirchen. Insgesamt ist es stiller geworden. Aber die Evolution des ewigen Lebens, d.h. der nicht-sexuellen Fortzeugung, kommt dadurch keineswegs zum Stillstand; sie schreitet fort. Und ich glaube: Wer nicht rechtzeitig auf den Zug springt, der riskiert, irgendwann – d.h. im nächsten oder übernächsten Leben – definitiv abgehängt zuwerden.
Wenn für Kohlenstoffdioxid nicht die im Netz allgemein akzeptierte Schreibweise CO2 verwendet wird, dann doch bitte die korrekte chemische Nomenklatur mit tiefgesetzter (!) Ziffer 2!
Danke für den Hinweis, aber es hat so nicht funktioniert. Der hier verwendete HTML-Editor läßt nicht alle Möglichkeiten zu, die ich z.B. auf meinen Netzseiten durch rein manuelle Eingabe nutze.
“Der eindimensionale Mensch” (Marcuse) hat den großen Nachteil, daß er sich als das Opfer der Lebensumstände sieht. Er kann nicht differenzieren zwischen dem, was er ist und dem, was er erlebt. Das kann nur “Der ganze Mensch” (Martin Dammholz, Haug Verlag), der – regelhaft bis zur Pubertät – aufgestiegen ist zu seiner höheren Bewußtseins-Ebene, wo er die reine, bedingungslose Liebe IST, ebenso wie das bedingungslose Glücklichsein, die bedingungslose Zufriedenheit mit seinem wahren – FEINstofflichen – Sein.
Dieses bedingungslose Glücklichsein wird nicht beeinträchtigt durch die Unzufriedenheiten mit Zuständen auf der GROBstofflichen Ebene. Der bedingungslos glückliche – GANZE, höherdimensionale – Mensch ist absolut FREI; und damit auch frei in der Wahl, welchen grobstofflichen Dingen / Zuständen er sich zuwenden will, um sie zu ändern, oder sie in Gelassenheit so anzunehmen, wie sie gerade sind.
Für diejenigen, welchen ein Verständnis des Christentums bis jetzt noch fehlt, es aber – auch im vorliegenden Zusammenhang – erwerben möchten, empfehle ich wärmstens die Lektüre von Clive Staples Lewis: Pardon, ich bin Christ (1942-1944; deutsch 1977, 20. Taschenbuchauflage 2009). Lewis (1898-1963) war Professor für Literatur in Cambridge und befreundet u.a. mit Tolkien, dem Autor von “Herr der Ringe”. Das o.a. Buch geht zurück auf Radio-Vorträge. Besonders das letzte Kapitel (“Jenseits der Persönlichkeit oder Deutungsversuche zur Trinitätslehre”) geht sehr tiefgründig, und doch allgemeinverständlich, auf die Grundfragen des Christentums ein.
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“Ist Lebenszufriedenheit also in erster Linie ein Ausdruck materieller Bedürfnisbefriedigung?”
Natürlich nicht. Der CO²-Level ebenfalls nicht. Aber auch die Lebens-Umstände entscheiden nicht darüber.
Eigentlich sollte im christlichen Abendland auch mal die Frage aufgeworfen werden, welchen Stellenwert “Glück” oder “Lebenszufriedenheit” eigentlich in der individuellen Werte-Hierarchie einnehmen. Dann würde sich nämlich herausstellen, daß gewisse Menschen, nämlich die überzeugten Christen, u.U. gar nicht “glücklich” oder “mit ihrem Leben zufrieden” sein wollen, wenn sie glauben, daß diese Zustände der Aussicht auf das “ewige Leben” im Wege stehen.
Waren z.B. die Menschen glücklich, die andere Menschen ohne Zwang ins KZ begleitet haben? Oder die Urchristen, die sich bewußt der Verfolgung ausgesetzt haben? Nein, “glücklich” wurden sie damit nicht. Sie haben physisch genauso gelitten wie alle diejenigen Menschen, die unfreiwillig verfolgt wurden. Aber sie waren “selig”, d.h. erfüllt von einer höheren Art von Glück, die ein Mensch, der nur an das irdische Leben glaubt, gar nicht kennt.
Heute ist man fast schon ein Fall für die Psychiatrie, wenn man darüber spricht. Aber bis vor einigen Jahrhunderten war klar, daß ein Mensch, der nur dem irdischen Glück nachjagt, “verloren” ist. Damals war die Unterscheidung zwischen einem “bloß irdischen” und einem wahren oder dauerhaften, “himmlischen” Glück ganz normal. Und man wußte, welcher Art von Glück man vernünftigerweise nachzueifern hatte.
Ich vermute, daß die Zahl der wahren Christen seitdem nicht geringer geworden ist. Nur ist das Christentum nicht mehr staatsgetragen; es hat sich vom Staate emanzipiert. Inzwischen emanzipiert es sich auch immer von den Kirchen. Insgesamt ist es stiller geworden. Aber die Evolution des ewigen Lebens, d.h. der nicht-sexuellen Fortzeugung, kommt dadurch keineswegs zum Stillstand; sie schreitet fort. Und ich glaube: Wer nicht rechtzeitig auf den Zug springt, der riskiert, irgendwann – d.h. im nächsten oder übernächsten Leben – definitiv abgehängt zuwerden.
Wenn für Kohlenstoffdioxid nicht die im Netz allgemein akzeptierte Schreibweise CO2 verwendet wird, dann doch bitte die korrekte chemische Nomenklatur mit tiefgesetzter (!) Ziffer 2!
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“Der eindimensionale Mensch” (Marcuse) hat den großen Nachteil, daß er sich als das Opfer der Lebensumstände sieht. Er kann nicht differenzieren zwischen dem, was er ist und dem, was er erlebt. Das kann nur “Der ganze Mensch” (Martin Dammholz, Haug Verlag), der – regelhaft bis zur Pubertät – aufgestiegen ist zu seiner höheren Bewußtseins-Ebene, wo er die reine, bedingungslose Liebe IST, ebenso wie das bedingungslose Glücklichsein, die bedingungslose Zufriedenheit mit seinem wahren – FEINstofflichen – Sein.
Dieses bedingungslose Glücklichsein wird nicht beeinträchtigt durch die Unzufriedenheiten mit Zuständen auf der GROBstofflichen Ebene. Der bedingungslos glückliche – GANZE, höherdimensionale – Mensch ist absolut FREI; und damit auch frei in der Wahl, welchen grobstofflichen Dingen / Zuständen er sich zuwenden will, um sie zu ändern, oder sie in Gelassenheit so anzunehmen, wie sie gerade sind.
Für diejenigen, welchen ein Verständnis des Christentums bis jetzt noch fehlt, es aber – auch im vorliegenden Zusammenhang – erwerben möchten, empfehle ich wärmstens die Lektüre von Clive Staples Lewis: Pardon, ich bin Christ (1942-1944; deutsch 1977, 20. Taschenbuchauflage 2009). Lewis (1898-1963) war Professor für Literatur in Cambridge und befreundet u.a. mit Tolkien, dem Autor von “Herr der Ringe”. Das o.a. Buch geht zurück auf Radio-Vorträge. Besonders das letzte Kapitel (“Jenseits der Persönlichkeit oder Deutungsversuche zur Trinitätslehre”) geht sehr tiefgründig, und doch allgemeinverständlich, auf die Grundfragen des Christentums ein.