Remote-Hysteria: Muss man Deutschen die Nachrichten verbieten?
In kaum einem anderen Land nahm und nimmt die Berichterstattung über Fukushima, den Tsunami und den nachfolgenden Meltdown des Atomreaktors einen solchen Stellenwert ein, wie in Deutschland. Atomkraft war und ist der Gegenstand, an dem man seine Gutmenschen-Eigenschaften am besten unter Beweis stellen kann, und selbst die im Europäischen Vergleich fast höchsten Stromkosten schrecken deutsche Gutmenschen nicht davon ab, die Konsequenzen dafür, den sehr unwahrscheinlichen Supergau für Deutschland vermeinden zu wollen, sich und anderen zu verordnen (So sind bislang weder im erdbebengefährdeten Bodensee noch im Steinhuder Meer Tsunamis berichtet worden und auch Erdbeben kommen eher selten vor).
Dies hat nichts daran geändert, dass deutsche Medien in einer Art und Weise, die man nur als hysterisch bezeichnen kann, auf die Ereignisse im mehr als 5000 Kilometer entfernten Japan reagiert haben. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, das Fehlen von Massengräbern, die geringe Zahl der Strahlentoten und die geringe Ähnlichkeit mit Hiroshima und Nagasaki sei von den öffentlich-rechtlichen Medienmachern mehr als bedauert worden. Aber: perish the thought. Natürlich sind die Gegner der Atomkraft in Deutschland nur besorgt, besorgt um sich, die Umwelt, die nachwachsende Generation, die Kindeskinder und die Kinder der Kindeskinder. Nur um ihre eigene Stromrechnung und die Stromrechnung von z.B. Alleinerziehenden mit Kind, denen doch ein Armutsrisiko angedichtet wird, ist scheinbar gerade niemand besorgt. Das ist eine andere Baustelle.
In die Reihe der Fern-Hysterie, die medial aus Japan nach Deutschland und zur besten Sendezeit transportiert wurde, passt ein Beitrag von Jan Goebel. Christian Krekel, Tim Tiefenbach und Nicolas R. Ziebarth in der SOEPpapers Reihe des DIW, die immer mehr zu einer Veranstaltung wird, die einem abwechselnd Mitleid und Lach-Tränen verschafft.
Goebel und seine Mitbesorgten haben, wie alle vor Ihnen in der SOEPpapers Reihe, die Daten des SOEPs benutzt, dieses Mal um Dinge, die ihnen plausibel vorkommen, zu untersuchen. Untersuchen ist eigentlich zuviel gesagt, denn der Beitrag besteht aus einer Einleitung, in der die Katastrophe von Fukushima und die hysterischen Reaktionen der Deutschen Bundesregierung sowie deutscher Medien berichtet werden. Es folgt Kapitel 2, in dem alles noch einmal und bis zur ersten Stelle hinter dem Komma der Richterskala berichtet wird, vor allem die “Reaktionen der Politiker”. Es folgt ein drittes Kapitel, das die missbrauchten Daten zusammenstellt und ein viertes Kapitel, das vornehmlich mit der Regressionsgleichung des “LInear Probability Models” bestritten wird.
Stammleser werden schon kennen, was jetzt kommt: Es gibt kein theoretisches Kapitel, kein Kapitel, das dem Leser nachvollziehbar macht, warum man das mentale Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit mit der Frage, ob man sehr besorgt über den Klimawandel ist oder ob man sehr besorgt um den Schutz der Umwelt ist, in Verbindung bringen sollte. Man muss schon in den Köpfen der Autoren zuhause sein, um hier einen Zusammenhang zwischen dem Reaktorunfall in Fukushima und der mentalen Gesundheit Deutscher zu sehen. Und vor allem muss man in ihrem Kopf sein, um erklären zu können, wie man auf die Idee kommt, das eine habe mit dem anderen etwas zu tun, sei so überragend, dass das Alltägliche in Deutschland, die normalen Lebenszusammenhänge einfach ins Abseits geschoben werden. Nicht mehr Beziehungsprobleme, Arbeitslosigkeit, Kaffeemangel, Rauschgiftentzug oder Geschlechtsteilfixierung wirkt sich negativ auf die mentale Gesundheit aus, nein, die mentale Gesundheit wird gestört, weil in Japan ein Reaktor strahlt.
Mit anderen Worten: Die Autoren sehen Deutsche als einen Haufen hysterischer Spinner, deren mentale Gesundheit unter Ereignissen leidet, deren Auswirkungen sie in keiner Weise zu spüren bekommen. Deutschland eine einzige große Irrenanstalt, Millionen im freien Vollzug sich befindende Neurotiker, nein Psychopaten? Nun, das ist eine starke Annahme, die die Autoren da implizit machen, und vielleicht ist diese Annahme der Grund, dass sie sich nicht trauen, ein Theoriekapitel in ihren Text einzubauen.
Es kommt übrigens heraus, bei der Hysterie-Forschung, dass nach Fukushima Befragte, von denen die Autoren auch nicht zu wissen scheinen, wann genau nach Fukushima sie befragt wurden, einen Tag, eine Woche, einen Monat, sechs Monate, who cares, ist doch auch egal, sie wurden danach befragt und Hysterie hält vor, jedenfalls scheinen die Autoren dies zu denken – Das Bild, das Goebel et al. von Deutschen haben, wird von Seite zu Seite ihrer Arbeit trüber und vernichtender. Ach ja, die irgendwann vor Fukushima Befragten, sind etwas weniger über die Umwelt besorgt als die irgendwann nach Fukushima Befragten, und dieser Unterschied kann natürlich nur vom Reaktorunglück herrühren, der Unterschied von 5%Punkten. Ja. Und Frauen sind hysterischer als Männer, also mehr über die Umwelt besorgt, als Folge von Fukushima, wie die Autoren behaupten und darüber hinaus ergibt sich ein Unterschied im Hinblick auf “Traurigkeit”, der Anteil derer, die nach Fukushima traurig sind, ist höher als der Anteil derer, die vor Fukushima traurig waren und natürlich kann dieser Unterschied keine andere Ursache haben als Fukushima, denn es ist ja jedem aus seinem täglichen Leben bekannt, dass er besonders traurig ist, wenn er an einen Atomreaktor denkt und dass dies viel mehr Effekt hat als z.B. der Tod eines Menschen, dem man nahe war. Again: perish the though, in Deutschland herrscht Hysterie, wenn man den Autoren glauben kann und Fukushima überschattet alles, selbst den Tod des Partners.
Und dann kommt das letzte Kapitel des Werkes, das mich auch ganz ohne die “Discussion” zwischen lautem Lachen und massivem Ärger hat schwanken lassen. Und dann kommt das:
We find particularly strong effects on citizens’ concerns about the environment, but also on affective well‐being measures such as sadness. Mental health is a multidimensional concept that is complex to measure. Strong concerns or worries are integral part of overall mental health. When we correlate our “very concerned about environmental protection” measure with the mental health SF12 summary scale (RAND, 1995), which was surveyed in the SOEP in 2010, we find that people who are very concerned about the environment have a highly significantly 1.8 ppt lower mental health status. Thus it is reasonable to assume that people who are permanently very concerned about the environment lose 1% of a Quality Adjusted Life Year (QALY). This assumption allows us to carry out the following rough back‐of‐the envelope calculation: Fukushima increased the share of “very concerned” Germans by 6ppt. This equals about 4 million German citizens. It took roughly 3 months for the German parliament to implement measures that ameliorated environmental concerns. Thus one would obtain a monetized mental health loss of 0.01*4/4=100,000 QALYs. The health economics literature values one QALY with roughly 100,000€. Thus, this would yield a total monetized Fukushima‐related mental health loss of €1bn or €250 per affected citizen, which equals about €20 per week and affected citizen.
Jetzt ist Zeit für einen Superlativ: Ich habe noch selten einen größeren Unsinn gelesen und will diesen hier nur mit zwei Fragen abschließen, warum sollte man die Sorge um die Umwelt 2011 mit einem summativen Maß mentaler Gesundheit korrelieren? Warum korreliert man nicht die methodologischen Kenntnisse der Autoren, und zwar vor der Durchführung ihrer Hysterie-Forschung mit ihrer “Sorge um die Umwelt” und kontrastiert das Ergebnis dann mit der Traurigkeit (sadness) all derer, die methodologische Kenntnisse besitzen, und zwar nach dem Lesen dieses Beitrags von Goebel, Krekel, Tiefenbach und Ziebarth.
Goebel, Jan, Krekel, Christian, Tiefenbach, Tim & ZIebarth, Nicolas R. (2013). Natural Disaster, Policy Action, and Mental Well-Being: The Case of Fukushima. Berlin: DIW, SOEPpapers #599.
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Für alle Atomkraftbefürworter empfehle ich den Film “www.friedlich-in-die-katastrophe.de”, nach
gleichnamigen Buch. Das Buch ist mit 1300 Seiten aber etwas mächtig zum lesen, deshalb
ist alles kompakt auf dem Film.
Eine Hysterie in Deutschland ist tatsächlich ausgebrochen, nur völlig unsinnig. Europaweite, nein besser weltweite Hysterie hätte ausbrechen müssen. Was will Deutschland alleine erreichen? Denken die in Frankreich stehen keine AKH’s? Weltweit gibt es etwa 500 AKW`s.
Wer gaubt dass es nicht weitere Unfälle geben wird, der glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Das Sterben findet auch nicht gleich statt, es kann auch ein paar Jahrzehnte dauern…..Film kaufen, anschauen und klüger werden.
Saubere Energie gäbe es schon, sie werden aber durch Lobbyverbände unterdrückt.
Wind und Solar alleine ist nur ein Witz.
Aus Wikipedia: “Die Hysterie ist eine Bezeichnung für eine neurotische Störung, bei der Geltungsbedürfnis, Egozentrismus und ein Bedürfnis nach Anerkennung zwar im Vordergrund stehen,…”
Ja, Atomkraft war von Anfang an eine dumme Idee. Aber in einer emotionalen Panikreaktion über Nacht alle Atommeiler auszuschalten löst keine Probleme. Der saubere, weil erwachsene, Weg ist es erstmal nachzudenken und dann zu handeln.
Einerseits haben Sie natürlich vollkommen recht damit, dass Sie eine theoretische Herleitung des Zusammenhangs zwischen dem Meltdown in Fukushima und der durchschnittlichen seelischen Befindlichkeit in Deutschland anmahnen.
Andererseits kann ich die Haltung der kritisierten Autoren durchaus nachvollziehen: Dieser Zusammenhang ist offensichtlich.
Ich erinnere mich, dass am Tag nach Fukushima Jod-Tabletten bundesweit ausverkauft waren und meine Nachbarinnen wortreich und empathisch die “völlig unzureichende” Versorgung der Bevölkerung mit (jedenfalls wegen Fukushima völlig) überflüssigen Medikamenten beklagten. Je jünger das Kind, desto heftiger der Entzug-by-Münchhausen. Ein einziges Mal habe ich gewagt einzuwenden, dass für ein Kind im Krabbelalter die Dosis einer Jod-Tablette durchaus ungesund sein wird: z.B. Herzrasen und Schlafstörungen. Die Antwort war: “Aber die Strahlen sind viel schlimmer.”.
Fukushima wird im Deutschen inzwischen fließend in einer Reihe mit Hiroshima und Nagasaki genannt und Merkels “Energiewende” hat, in aller ihrer Stümperhaftigkeit, Gesetzwidrigkeit und Vertragsbrüchigkeit, perfekt die Stimmung im Lande getroffen.
Die gute Nachricht ist: Nein, Deutschland ist nicht eine einzige große Irrenanstalt.
Die schlechte Nachricht ist: Die Inseln der Vernunft sind zu einem erheblichen Teil die medizinischen oder physikalischen Universitätsinstitute.
Im Rest des Landes singt der Chor der Dilettanten zur Melodie von La Montanara: “Keine Ahnung doch ‘ne Meinung.” (Text: “Keine Ahnung doch ‘ne Meinung. Fest im Glauben an das Vollkorn mit dem Flieger nach Neuseeland …”)
Zu den Millionen Neurotikern im freien Vollzug sage ich mal lieber nur, dass mir das Bild nicht ganz so absurd erscheint, wie Sie es wohl gemeint hatten.
Das Land um Fukushima ist für ewig nicht mehr zu gebrauchen.Angenomen: Alle 20 Jahre ein GAU und trotzdem weiter auf Kernkraft gesetz,dann haben wir irgendwann kein Land mehr das uns ernährt.
und angenommen alle 2000 Jahre ein Gau, dann ist es anders.
Man hat die Uran-abgereichertem Waffen vergessen. Damit ballern USA, NATO, Israel freudig herum, seit der 90er Jahren. Angefangen haben die Amerikaner in Afghanistan. Um Bin Laden zu töten wurden sage und schreibe 7000 Tonnen Uran. Munition abgeworfen (Bora Tora)….Irak: Falludscha, Basra und Basra sind verseucht, Gaza +30% Krebsfälle, Bosnien…Krebstoten, inklusive italienische Soldaten, 300 Tote, über 3000 sterbekrank, Libyen: kennt man die Zahlen nicht weil zu früh ist….Man kann sich gut informieren, wenn man in Internet unter: Dr. Chris Busby, Universität Ulster schaut…er hat die Untersuchungen über Falludscha, Irak durchgeführt und die Werte der Missgeburten, Krebs Erkrankungen mit Hiroshima und Nagasaki gleichgestellt.
Ich habe diese Kommentar nicht um mich zu erleichtern gesendet, sondern weil mich Dummheit und nicht einsehen wollen was die Atom-Müll-Reste-Deponien für Folge haben, mich wütend macht.
http: mundderwahrheit.wordpress.com
In einer geistig-seelisch-spirituell gesunden Gesellschaft, in der die Erwachsenen auch wahrhaft erwachsen, also wahrhaft weise, sind, hätte es niemals eine Entscheidung zur Nutzung der Atomkraft gegeben.
A. Behrens sagt es: Es war von Anfang an eine “dumme Idee”.
Die Idee einer seit über 10.000 Jahren pathologisch unreifen = unweisen = dummen zivilisierten Gesellschaft.
Bellator eruditus erwähnt freundlicherweise die “Millionen Neurotiker im freien Vollzug”.
Vielen Dank für diesen mir neuen Terminus!
Daß “wir alle ein bißchen neurotisch” sind wie u.a. ein Uni-Klinik-leitender Psychiatrieprofessor / Ordinarius, einer der “führenden” Psychiater Deutschlands, einräumt, ist kein Geheimnis. Ich arbeite an diesem Thema seit über 20 Jahren. Das Problem ist, daß die große Mehrheit der darüber Informierten die Schwere / Tragweite der “Kollektiven ZIVILISATIONS-Neurose” (KZN) – wie ich sie nenne – um ein Vielfaches unterschätzt!
Denn diese neurotische Beeinträchtigung ist nicht nur
– die tiefere Ursache der allermeisten individuellen “Krankheiten” (Symptome der KZN);
– der mit- / zwischenmenschlichen / sozialen Probleme (z.B. Beziehungen, Erziehung)
sondern auch der in Abständen von grob durchschnittlich 50 Jahren immer wieder ausbrechenden “Kollektiven Psychose(n)”.
Was das ist?
Die Zeit 1933-1945 war eine solche.
Die nächste ist nach der Statistik also schon “fällig”.
Und DAS sollten wir alle erkennen:
Die “Kollektive Psychose” hat ein ähnlich tödliches Potenzial wie ein GAU oder Super-Gau oder mehrere davon.
Das Positive ist:
Die “Kollektive Zivilisations-Neurose” (“Krankheit der Gesellschaft”, “Gesellschaftsneurose”, “Dysgnosie” – lt. Heinz von Förster – oder “Wahnsinn / Pathologie der Normalität lt. Arno Gruen / Erich Fromm) ist grundlegend und auf (die) völlig natürliche Weise nachhaltig heilbar: durch das Aufheben der “Entfremdung”, das Nachholen der unterlassenen INITIATION; durch die ASCENSION, den Aufstieg zum wahren Erwachsenen-Bewußtsein des Menschen, dem “Christus-Bewußtsein”, wie es auch genannt wird.
Was so viele / die meisten davon abhält, sich dem anzunähern, ist die typische neurotische – meist latente – Angst.
Siehe Rainer Taéni: “Latente Angst – das Tabu der Abwehrgesellschaft”.
Uns allen:
Gute Besserung!
Hallo heureka47,
wenn Latentes nicht konfus betrieben wird, dann muss man sich nicht fürchten. 😉