Es gibt einen Unterschied zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten. Dieser Unterschied ist die Quelle vieler Missverständnisse, vor allem, wenn es sich beim Bezeichnenden um einen abstrakten Begriff, z.B. um Religion, Freiheit, Gerechtigkeit oder Gleichheit handelt. Jeder, der die Begriffe “Religion” oder “Gerechtigkeit” hört, hat seine eigenen Assoziationen davon, was gerade bezeichnet wurde.
Für uns bezeichnet der Begriff Religion ein institutionalisiertes Glaubenssystem, das auf als wahr behaupteten Aussagen über das “Übernatürliche” basiert, die nicht empirische geprüft werden können, also z.B. die Existenz Gottes. Religion ist für uns entsprechend eine soziale Erscheinung, eine Lobbyverband, der der Durchsetzung der eigenen Glaubensinhalte im sozialen Leben gewidmet ist und der sich die organisatorische Verfasstheit einer Kirche gegeben hat.
Viele scheinen unter Religion alle möglichen Formen moralischer Überzeugungen zu verstehen, die sie selbst haben oder denen sie selbst anhängen. Sie scheinen Religion als persönlichen Glauben zu verstehen, der ihnen Anleitung im täglichen Leben gibt. Das ist jedoch nicht Religion, sondern persönliche oder besser: religiöse Überzeugung, ihr persönlicher Glaube, es ist von der institutionalisierten Variante eines Glaubessystems, auf dem Religion basiert, zu unterscheiden. Die fehlende Unterscheidung ist die Grundlage für Ausnutzbarkeit und Unfreiheit, denn man muss nur mit Religion und Glauben kommen, und schon kann man seine Schäfchen für die absurdesten Ideen hinter sich sammeln, ohne dass es Letzteren klar wäre, für welche Sache sie sich gerade einsetzen lassen.
Die empirische Sozialforschung kennt die Unterscheidung zwischen Gläubigkeit und Religiosität. Gläubigkeit bezieht sich auf die Ausgestaltung eines eigenen Glaubens, sofern vorhanden, während Religiösität sich auf die Teilnahme an institutionalisierten Glaubensritualen bezieht, also auf die teilnehmende Legitimation bestimmter Kirchen.
Bertrand Russell, dessen Erklärung dafür, warum er kein Christ ist, wir auszugsweise zum Gegenstand des letzten Posts gemacht haben (und die bei einer Reihe von Lesern für genau das Missverständnis gesorgt hat, das wir oben beschrieben haben), ist Philosoph, er ist ein Philosoph, der sich wie kaum ein anderer mit den sozialen Erscheinungen seiner Zeit beschäftigt hat und dafür von manchen seiner Zeitgenossen verfolgt wurde. Russell, wie viele der großen Philosophen, hat einen soziologischen Blick auf die Gesellschaft, entsprechend sieht er Religion nicht als die Glaubensüberzeugung Einzelner, sondern als das soziale Herrschaftsinstrument, das es nun einmal ist.
Russell hat sehr deutlich beschrieben, was er unter Religion versteht. Wir lassen ihn daher noch einmal zu Wort kommen:
“Meine eigene Ansicht über die Religion deckt sich mit der des Lukretismus. Ich betrachte sie als Krankheit, die aus Angst entstanden ist, und als Quelle unnennbaren Elends für die menschliche Rasse. Ich kann jedoch nicht leugnen, dass sie einige Beiträge zur Zivilisation geleistet hat. In alter Zeit half sie, den Kalender festzulegen, und sie veranlaßte ägyptische Priester, die Sonnenfinsternisse mit solcher Sorgfalt aufzuzeichnen, dass sie mit der Zeit lernten, sie vorauszusagen. Diese beiden Dienste bin ich bereit anzuerkennen, aber andere kenne ich nicht.
Das Wort “Religion” wird heute in einer sehr allgemeinen Bedeutung verwendet. Unter dem Einfluss des extremen Protestantismus verstehen manche darunter alle ernsthaften persönlichen Überzeugungen in bezug auf Moral oder die Beschaffenheit des Universums. Dieser Gebrauch des Wortes ist völlig unhistorisch. Religion ist in erster Linie eine soziale Erscheinung. Die Kirchen mögen ihren Ursprung Lehrern mit starken persönlichen Überzeugungen verdanken, aber nur selten hatten diese Lehrer großen Einfluss auf die Kirchen, die sie gründeten, wogegen die Kirchen einen ungeheuren Einfluss auf die Gemeinden hatten, in denen sie wirkten. Um den Fall herauszugreifen, der für die Angehörigen der westlichen Zivilisation am interessantesten ist: Die Lehre Christi, wie sie in den Evangelien steht, hat mit der Ethik der Christen außerordentlich wenig zu tun. Vom sozialen und historischen Standpunkt aus betrachtet, ist für das Christentum nicht Christus, sondern die Kriche von Größter Wichtigkeit, und daher dürfen wir unser Material nicht in den Evangelien suchen, wenn wir das Christentum als soziale Macht beurteilen wollen. Christus lehrte, man solle seinen Besitz den Armen geben, man solle nicht kämpfen, man solle nicht zur Kirche gehen und man solle den Ehebruch nicht bestrafen. Weder Katholiken noch Protestanten haben ein besonderes Verlangen gezeigt, seiner Lehre in einem dieser Punkte zu folgen. Wohl haben einige Franziskaner versucht, die Doktrin apostolischer Armut zu lehren, aber sie wurden vom Papst verurteilt und ihre Lehre als ketzerisch bezeichnet. Oder betrachen Sie eine Stelle wie: ‘Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet’, und fragen Sie sich, welchen Einfluss ein solcher Text auf die Inquisition und den Ku-Klux-Klan hatte.
[…]
Diese Unstimmungkeit zwischen einer Kirche und ihrem Gründer besteht nicht zufällig. Sobald man annimmt, dass in den Aussprüchen eines bestimmten Menschen absolute Wahrheiten enthalten sind, bildet sich eine Schar von Sachverständigen, die seine Aussprüche auslegen. Unweigerlich erlangen diese Sachverständigen Macht, da sie den Schlüssel zur Wahrheit besitzen. Wie jede andere privilegierte Schicht verwenden sie die Macht zu ihrem eigenen Vorteil. In jeder Hinsicht sind sie jedoch schlimmer als jede andere privilegierte Schicht, da es ihre Aufgabe ist, eine unveränderliche Wahrheit auszulegen, die ein für allemal in höchster Vollkommenheit offenbart wurde, so dass sie zwangsläufig Gegner jedes geistigen und moralischen Fortschritts werden. Die Kirche bekämpfte Galilei und Darwin, heute bekämpft sie Freud. In den Tagen ihrer größten Macht ging sie in ihrer Opposition gegen das geistige Leben noch weiter. Papst Gregor der Große schrieb einem gewissen Bischof einen Brief, der mit den folgenden Worten begann: ‘Uns hat ein Bericht erreicht, den Wir nicht ohne zu erröten erwähnen können, nämlich dass Du einigen Freunden die Grammatik auslegst’. Der Bischof wurde durch päpstlichen Erlass gezwungen, von diesem bösen Tun abzulassen, und der lateinische Stil konnte sich bis zur Renaissance nicht mehr erholen. Aber nicht nur auf geistigem, sondern auch auf moralischem Gebiet richtet die Religion Schaden an. Damit will ich sagen, dass sie sittliche Regeln lehrt, die dem menschlichen Glück nicht förderlich sind.” [Hervorhebungen durch uns]
Man kann also zusammenfassen, dass Religion für Russell ein Machtsystem darstellt, das in einer Kirche organisiert ist und dessen Ziel darin besteht, den Status Quo festzuhalten und denjenigen, die Funktionäre der Kirche sind, einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, und zwar auf Kosten des Glücks und der Lebenschancen all derer, die nicht zu den unmittelbaren Nutznießern der Kirche gehören, weil sie nicht in ihrer Hierarchie eingebunden sind.
Als solches ist Religion also das Fundament eines organisierten Lobbytums, eine soziale Erscheinung, deren Ziel darin besteht, Ressourcen zu sichern und unter den Mitgliedern aufzuteilen und die sich nur im Inhalt von anderen Glaubenssystemen unterscheidet, die das selbe Ziel verfolgen. Daher qualifizieren sich alle Glaubenssysteme, die von sich behaupten, sie seien wahr oder der einzige Weg zum Heil, alle Glaubenssysteme, die keine Kritik an ihren Inhalten zulassen und die gegen Kritiker vorgehen, als Kirche im Sinne von Russell. Das schließt explizit Feminismus oder angeblich säkularisierte Formen des Glaubens mit ein.
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Nun ja, häufig, vielleicht meistens funktioniert Religion als Institution so, wie hier beschrieben. Aber der bloße Zustand erklärt m.E. noch nicht, warum er so ist, wie er ist.
Religio heißt auch “Bindung” und damit sind wir, glaube ich am Kern des Problems: Religion beruht darauf, dass
1. viele Menschen mit ihrer Überzeugung nicht allein sein wollen, sondern Gleichgesinnte suchen. (Wenn einer an Ufos glaubt, ist er geistig gefährdet, wenn hunderte den Glauben teilen, können sie überall Spuren finden von außerirdischen und dies einander als Bestätigung mitteilen – übrigens wäre zu untersuchen, wie groß da der Unterschied zu empirischen Methoden in der Wissenschaft ist).
2. viele Menschen offen sind dafür, wenn ihnen jemand Wahrheiten vermittelt, Überzeugungen, Gefühle. Man bildet eine Gemeinschaft, die sich um Anführer gruppiert. Macht ergibt sich aus der Bereitschaft zum Gehorsam. Tyrannisch kann nur werden, wer genug Gefolgsleute hat, die dem Einzelnen genug Kraft geben, über viele zu herrschen. Der Unterschied zwischen religiöser und politischer Macht ist dabei ein fließender, aber schematisch arbeitet politische eher mit physischer Gewalt, religiöse mit Überzeugung und Suggestion (deshalb sucht politische Macht sich so häufig einen religiösen Anstrich zu geben: Suggestion ist wirkungsvoller als Schläge).
3. es Menschen gibt, die Macht wollen. Sobald irgendwo ein Charismatiker Anhänger hat kommen die Institutionalisierer, gründen Staat und Kirche und versehen sich selbst mit einem mächtigen Amt darin. Mit der Überzeugung, mit den inhalten hat das nur noch bedingt zu tun.
Damit aber steht institutionalisierRe religion in Spannung zu ihren Inhalten. Alle Religionsgründer, Jesus, Mohammed etc. rebellierten im Namen der Inhalte gegen die Institutionen – und schufen die Grundlage für dann in ihrem Namen gegründete neue Institutionen.
Diese Spannung belebt viele Religionen, immer wieder gibt es Ausbruchsversuche, gelegentlich entstehen sogar Übergangsformen oder kleinere Gruppen, die sich für eine bestimmte Zeit halbwegs demokratisch erhalten können. Selten länger als ein, zwei Generationen.
Religion auf die Insstitution zu verkürzen reicht mir deshalb nicht – damit ist nicht mehr erklärbar, warum überhaupt noch Menschen hingehen und gerade die heftigsten Kritiker nicht einfach weggehen, sondern in den Religionen um eine neue Gestalt derselben kämpfen.
Religionen konstituieren sich aus dieser Spannung zwischen Institution und Form.Es braucht beides. Ohne den Inhalt keine Bindung, ohne Bindung keine Macht über die Gebundenen.
“übrigens wäre zu untersuchen, wie groß da der Unterschied zu empirischen Methoden in der Wissenschaft ist”
Nö. Hatte ich hier schon mal gefragt und sinngemäß von Herrn Klein die Antwort bekommen, dass der Unterschied zwischen Religion und echter Wissenschaft der ist: Ein Wissenschaftler macht sich Gedanken darum, woran er erkennen kann ob er sich irrt. Ein Wissenschaftler geht sogar davon aus, dass er sich irrt und sucht daher den Dialog mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen.
Zweites Nö:: “es Menschen gibt, die Macht wollen.”
Macht (=Kontrolle) ist eine Gemeinsamkeit aller Menschen. Der Unterschied ist jedoch, dass es Menschen gibt die freiwillig Macht/Kontrolle über sich selbst aufgeben. In der Serie “Spartakus” gab es eine Szene, in der sich zwei Gladiatoren unterhalten. Einer “Was denkst du über die Zukunft” und der andere “warum sollte ich darüber nachdenken, ich bin Sklave und mein Herr entscheidet…”.
Es gibt in manchen/vielen Menschen eine Sklavenmentalität. Eine Mentalität die dazu führt, dass diese Menschen freiwillig die Verantwortung für ihr Handeln aufgeben. Können Sie bei jeder Bundestagswahl beobachten. Die Diskussionen gehen nur darüber welchen Herrn die Sklaven wählen. Aber kaum jemand wählt die Option, seines eigenen Glückes Schmied zu werden.
PS: Habe trotz ‘Nö’ auf ‘Daumen hoch gedrückt’. Mir reicht die Reduktion auf Institution auch nicht.
Was Klein beschreibt ist lediglich ein Aspekt von Religion, den man “Ekklesiologie” nennt – daneben gibt es andere wie “Christologie”, Kirchengeschichte, Diakonie, Praktische Theologie, Systematische Theologie, Religionspädagogik etc. etc. –
Im übrigen kennt zumindest die christliche Religion nun gerade KEINE absoluten Wahrheiten, denn Gott seit den 10 Geboten unerkennbar, es gibt in der Religion nur Annäherungen.
Das Wort “Religion” kommt übrigens ganz unprosaisch von “re-legere” – noch einmal lesen, ist also einfach ein Synonym für “Tradition” und ihre Weiterentwicklung.
Das schöne an der Religion ist, dass man ja im laizistischen Staat sie ignorieren kann … “Wissenschaft” in Form eines feministischen Schulunterrichts oder einer gepushten Frauenprofessur eben nur sehr begrenzt … aus der Kirche kann ich austreten und ihrem Machtanspruch ausweichen, aus dem Staat und seinen Institutionen eben nicht. Insofern ist diese Fokussierung auf den Machtaspekt sehr fraglich.
Es heißt relIgion, nicht relEgion. “ligere”, nicht “legere”.
Der Zusammenhang besteht also nicht zu “noch einmal lesen” sondern zu “rück-binden”.
Vom Wort her bedeutet Religion daher Bindung an etwas Ursprüngliches, vorher Dagewesenes.
Was ist Religion? Der französische Philosoph Louis Cattiaux (1904-1953) in “Die Wiedergefunde Botschaft” (Verlag Herder, Basel, 2010, S.361): «Die Religion ist wie die Hülle des Geheimnisses Gottes. In ihr das Licht des Lebens. Ausserhalb von ihr die Finsternis des Todes. Die Religion ist wie die Brücke, die uns wiederverbindet mit dem Heil Gottes. Schläft man auf einer Brücke ein oder etabliert man sich dort?»
In den Glaubenslehren ist viel von einem “Gott” die Rede, an den man unbedingt “glauben” muß.
Aber keiner sagt einem, was dieses Ding denn eigentlich darstellen soll, Gott, an den man glauben soll. Das müßte man doch wenigstens gesagt kriegen, nicht wahr.
Eine Ausnahme macht da das Christentum, das hat eine Begriffsbestimmung zur Hand:
“GOTT” das ist “GEIST” (Jh. 4,24).
Das höchste Prinzip der christlichen Ethik ist also der Geist. Zwar kann keiner so recht sagen, was das ist und woher er kommt, aber daß Geist in der Welt ist, zeigt jedes geistvolle Gespräch.
Das Christentum ist also im Grunde ein ethisches System, das auf derselben essentiellen Eigenschaft (der Kulturfähigkeit des Menschen) aufbaut, wie jene ethschen Systeme, die auf den Humanismus gründen.
Ein ethisches System, eine Geistphilosophie, Transzendenzphilosophie, ins Religiöse gewendet.
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Nun ja, häufig, vielleicht meistens funktioniert Religion als Institution so, wie hier beschrieben. Aber der bloße Zustand erklärt m.E. noch nicht, warum er so ist, wie er ist.
Religio heißt auch “Bindung” und damit sind wir, glaube ich am Kern des Problems: Religion beruht darauf, dass
1. viele Menschen mit ihrer Überzeugung nicht allein sein wollen, sondern Gleichgesinnte suchen. (Wenn einer an Ufos glaubt, ist er geistig gefährdet, wenn hunderte den Glauben teilen, können sie überall Spuren finden von außerirdischen und dies einander als Bestätigung mitteilen – übrigens wäre zu untersuchen, wie groß da der Unterschied zu empirischen Methoden in der Wissenschaft ist).
2. viele Menschen offen sind dafür, wenn ihnen jemand Wahrheiten vermittelt, Überzeugungen, Gefühle. Man bildet eine Gemeinschaft, die sich um Anführer gruppiert. Macht ergibt sich aus der Bereitschaft zum Gehorsam. Tyrannisch kann nur werden, wer genug Gefolgsleute hat, die dem Einzelnen genug Kraft geben, über viele zu herrschen. Der Unterschied zwischen religiöser und politischer Macht ist dabei ein fließender, aber schematisch arbeitet politische eher mit physischer Gewalt, religiöse mit Überzeugung und Suggestion (deshalb sucht politische Macht sich so häufig einen religiösen Anstrich zu geben: Suggestion ist wirkungsvoller als Schläge).
3. es Menschen gibt, die Macht wollen. Sobald irgendwo ein Charismatiker Anhänger hat kommen die Institutionalisierer, gründen Staat und Kirche und versehen sich selbst mit einem mächtigen Amt darin. Mit der Überzeugung, mit den inhalten hat das nur noch bedingt zu tun.
Damit aber steht institutionalisierRe religion in Spannung zu ihren Inhalten. Alle Religionsgründer, Jesus, Mohammed etc. rebellierten im Namen der Inhalte gegen die Institutionen – und schufen die Grundlage für dann in ihrem Namen gegründete neue Institutionen.
Diese Spannung belebt viele Religionen, immer wieder gibt es Ausbruchsversuche, gelegentlich entstehen sogar Übergangsformen oder kleinere Gruppen, die sich für eine bestimmte Zeit halbwegs demokratisch erhalten können. Selten länger als ein, zwei Generationen.
Religion auf die Insstitution zu verkürzen reicht mir deshalb nicht – damit ist nicht mehr erklärbar, warum überhaupt noch Menschen hingehen und gerade die heftigsten Kritiker nicht einfach weggehen, sondern in den Religionen um eine neue Gestalt derselben kämpfen.
Religionen konstituieren sich aus dieser Spannung zwischen Institution und Form.Es braucht beides. Ohne den Inhalt keine Bindung, ohne Bindung keine Macht über die Gebundenen.
“übrigens wäre zu untersuchen, wie groß da der Unterschied zu empirischen Methoden in der Wissenschaft ist”
Nö. Hatte ich hier schon mal gefragt und sinngemäß von Herrn Klein die Antwort bekommen, dass der Unterschied zwischen Religion und echter Wissenschaft der ist: Ein Wissenschaftler macht sich Gedanken darum, woran er erkennen kann ob er sich irrt. Ein Wissenschaftler geht sogar davon aus, dass er sich irrt und sucht daher den Dialog mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen.
Zweites Nö:: “es Menschen gibt, die Macht wollen.”
Macht (=Kontrolle) ist eine Gemeinsamkeit aller Menschen. Der Unterschied ist jedoch, dass es Menschen gibt die freiwillig Macht/Kontrolle über sich selbst aufgeben. In der Serie “Spartakus” gab es eine Szene, in der sich zwei Gladiatoren unterhalten. Einer “Was denkst du über die Zukunft” und der andere “warum sollte ich darüber nachdenken, ich bin Sklave und mein Herr entscheidet…”.
Es gibt in manchen/vielen Menschen eine Sklavenmentalität. Eine Mentalität die dazu führt, dass diese Menschen freiwillig die Verantwortung für ihr Handeln aufgeben. Können Sie bei jeder Bundestagswahl beobachten. Die Diskussionen gehen nur darüber welchen Herrn die Sklaven wählen. Aber kaum jemand wählt die Option, seines eigenen Glückes Schmied zu werden.
PS: Habe trotz ‘Nö’ auf ‘Daumen hoch gedrückt’. Mir reicht die Reduktion auf Institution auch nicht.
Was Klein beschreibt ist lediglich ein Aspekt von Religion, den man “Ekklesiologie” nennt – daneben gibt es andere wie “Christologie”, Kirchengeschichte, Diakonie, Praktische Theologie, Systematische Theologie, Religionspädagogik etc. etc. –
Im übrigen kennt zumindest die christliche Religion nun gerade KEINE absoluten Wahrheiten, denn Gott seit den 10 Geboten unerkennbar, es gibt in der Religion nur Annäherungen.
Das Wort “Religion” kommt übrigens ganz unprosaisch von “re-legere” – noch einmal lesen, ist also einfach ein Synonym für “Tradition” und ihre Weiterentwicklung.
Das schöne an der Religion ist, dass man ja im laizistischen Staat sie ignorieren kann … “Wissenschaft” in Form eines feministischen Schulunterrichts oder einer gepushten Frauenprofessur eben nur sehr begrenzt … aus der Kirche kann ich austreten und ihrem Machtanspruch ausweichen, aus dem Staat und seinen Institutionen eben nicht. Insofern ist diese Fokussierung auf den Machtaspekt sehr fraglich.
Und die Unerkennbarkeit ist keine letzte Wahrheit?
Es heißt relIgion, nicht relEgion. “ligere”, nicht “legere”.
Der Zusammenhang besteht also nicht zu “noch einmal lesen” sondern zu “rück-binden”.
Vom Wort her bedeutet Religion daher Bindung an etwas Ursprüngliches, vorher Dagewesenes.
Was ist Religion? Der französische Philosoph Louis Cattiaux (1904-1953) in “Die Wiedergefunde Botschaft” (Verlag Herder, Basel, 2010, S.361): «Die Religion ist wie die Hülle des Geheimnisses Gottes. In ihr das Licht des Lebens. Ausserhalb von ihr die Finsternis des Todes. Die Religion ist wie die Brücke, die uns wiederverbindet mit dem Heil Gottes. Schläft man auf einer Brücke ein oder etabliert man sich dort?»
In den Glaubenslehren ist viel von einem “Gott” die Rede, an den man unbedingt “glauben” muß.
Aber keiner sagt einem, was dieses Ding denn eigentlich darstellen soll, Gott, an den man glauben soll. Das müßte man doch wenigstens gesagt kriegen, nicht wahr.
Eine Ausnahme macht da das Christentum, das hat eine Begriffsbestimmung zur Hand:
“GOTT” das ist “GEIST” (Jh. 4,24).
Das höchste Prinzip der christlichen Ethik ist also der Geist. Zwar kann keiner so recht sagen, was das ist und woher er kommt, aber daß Geist in der Welt ist, zeigt jedes geistvolle Gespräch.
Das Christentum ist also im Grunde ein ethisches System, das auf derselben essentiellen Eigenschaft (der Kulturfähigkeit des Menschen) aufbaut, wie jene ethschen Systeme, die auf den Humanismus gründen.
Ein ethisches System, eine Geistphilosophie, Transzendenzphilosophie, ins Religiöse gewendet.