Wutbürger sind verbittert und dumm: Die Soziologie der Gelangweilten und Satten

Heute hat uns der folgende Kommentar erreicht:

Anonymity“Hallo, Fr. Dr. Diefenbach, hallo Herr Klein,
Sie wundern sich doch immer wieder, warum die Soziologie und die Soziologen bei den Laien so verrufen sind.
Hier ist ein Grund dafür: http://www.faz.net/aktuell/politik/denk-ich-an-deutschland-1/wenn-systemkritik-proletariat-und-mittelstand-eint-13797245.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Dieses Geschwurbel ist für jeden denkenden Menschen nahezu unerträglich, und was ist dieser Autor: Prof. für Soziologie in Kassel. Gesichertes Einkommen auf Steuerzahlerkosten, aber sich über die arbeitende Bevölkerung klischeehaft (BMW, Luxusurlaub) das Maul zerreißen. Leider kein Einzelfall….”

Aktivposten, so der Nick unseres Kommentatoren, hält die Betrachtungen, die Heinz Bude unter der Überschrift “Wutbürger: Die Koalition der Angst” anstellt, für Geschwurbel, wir halten sie für das Sinnieren eines Gelangweilten (eines am Versuch wirtschaftlicher Selbständigkeit Gescheiterten), der auch etwas sagen will, seine Betrachtung zur Zeit anstellen will – sind also nicht gänzlich anderer Auffassung.

Heinz BudeHerausgekommen ist bei Budes Betrachtungen eine diffuse Darstellung eklektizistisch zusammengeschusterter Bereich der deutschen Gesellschaft, die keinem erkennbaren Kriterium folgt, die nicht einmal den Versuch macht, Bedingungen anzugeben, unter denen man die Behauptungen des Autoren nachprüfen könnte und deren einziger Appell an die Nachvollziehbarkeit der Appell an diejenigen ist, denen das, was Heinz Bude da zusammenschreibt, gefällt, warum auch immer. Das werden diejenigen sein, die sich nicht als Wutbürger, sondern als Gutmenschen fühlen.

Das, was Heinz Bude in der Frankfurter Allgemeinen absondert, ist keine Soziologie, es hat mit Soziologie nicht einmal entfernt etwas zu tun. Es ist auch sonst kein erkennbarer wissenschaftlicher Beitrag. Es ist die Meinungsäußerung von Heinz Bude, die einem gefallen kann oder auch nicht. Und dass Heinz Bude einen Lehrstuhl für Soziologie besetzt, ist ein formales Merkmal, das jedoch nicht hinreichend für den Schluss ist, dass Heinz Bude Soziologie betreibt, geschweige denn, Soziologe ist: Nicht überall, wo Soziologie draufsteht, ist auch Soziologie drin.

Soziologie, das nur zur Verdeutlichung, sucht nach Erklärungen für gesellschaftliche Phänomene (soziale Fakten, wie Emile Durkheim sagt) und zwar dadurch, dass die sozialen Fakten über die Handlungen von Akteuren und innerhalb der Randbedingungen, die für die Handlungen relevant sind, erklärt werden.

Heinz Bude bietet nichts von diesen soziologischen Essentials. Er erzählt, wie ihm die Welt vorkommt. Er erzählt drauf los, hat keine Fragestellung, kein Erkenntnisinteresse, ja, man weiß nicht einmal, warum er diesen Gastbeitrag überhaupt geschrieben hat, denn er hat keine Message, aber vielleicht hat er ja Wut, Wut auf Wutbürger.

Die Geschichte, die Heinz Bude in der FAZ erzählt, sie beginnt damit, dass es in Deutschland zwei Bevölkerungsgruppen gibt, die prekär leben. Auf beide kann Bude als Beamter (also als auf Lebenszeit unabhängig von seinen Leistungen aus Steuermitteln Finanzierter) von seinem Sessel im Büro herunterschauen, wie er glaubt, und beiden kann er wild assoziierend unterstellen, was er sich so zusammendenkt:

Da gibt es das Dienstleistungsproletariat, dem die gloreichen Ideen eines Karl Marx und eines August Bebel fehlen. Deshalb putzen sie ICE Züge, ohne dass ihnen von Karl Marx ein falschen Bewusstsein attestiert wird. Das Dienstleistungsproletariat, es besteht aus Deppen, die ihr Leben lang in Positionen malochen, die sie nicht weiterbringen (ganz im Gegensatz zu auf Lebenszeit verbeamteten Professoren), so Heinz Bude. Das merken die Dienstleistungsproletarier natürlich nicht, und deshalb schuften sie tagein tagaus in Hotels oder als Paketzusteller für ein paar mikrige Euro, 900 Euro bis 1100 Euro im Monat sind es, das weiß Heinz Bude ganz genau. Dafür würde er wohl nicht einmal einen Gastbeitrag in der FAZ schreiben – oder?

Und weil die Diensleistungsproletarier so starr, unflexibel und mit ihrem Hungerlohn verheiratet sind, deshalb haben sie Angst, Angst vor Heinz Bude, dass er sie diffamieren könnte. Nein, das war natürlich ein Scherz. Niemand hat vor Heinz Bude Angst. Die Dienstleistungsproletarier mit ihrer 25jährigen Erfahrung im Putzen fremder Böden, sie haben Angst vor den Flüchtlingen aus Syrien, die alle nach Deutschland kommen, um ihrerseits fremde Böden zu putzen und den Dienstleistungsproletarieren mit Arbeitserfahrung den Job wegnehmen, meint Bude.

Neben den Dienstleistungsproletarieren gibt es noch die “Verbitterten aus der Mittelschicht”. Die Verbitterten sind verbittert, weil sie geglaubt haben, mit Bildung ginge in Deutschland Einkommen einher. “Sie halten sich selbst für leistungsfähig, kompetenzstark und gut informmiert, führen allerdings Beschwerde über eine respektlose Personalpolitik in den Unternehmen und zeigen sich empört über den deregulierten Pumpkapitalismus”. Hein Bude weiß das, vermutlich aus eigener Anschauung und seinem Versuch, die Sinus-Milieus anzuwenden.

Wie auch immer, der “deregulierte Pumpkapitalismus”, der für die pünktlichen, monatlichen Überweisungen an Heinz Bude verantwortlich ist, er verweigert den Verbitterten aus der Mittelschicht nach Kenntnis von Heinz Bude das Einkommen, das notwendig wäre, um “eine Fotosafari in Namibia” zu unternehmen und sich einen BMW zu leisten. Heinz Bude lebt tatsächlich in der geistigen Welt, in der Begriffe wie Pumpkapitalismus geboren werden, von Kleinkredit, Mietkauf und Leasing hat er dennoch nichts gehört.

Wie dem auch sei, die der Fotosafari Deprivierten, die vor allem Studienfächer studiert haben, die sie nach Kenntnis von Bude in Coachingberufe geführt haben, also Fächer wie Gender Studies, Kultur- oder Medienwissenschaften, sie haben auch Angst, Angst vor Statusverlust. Wir erinnern uns: Angst hatten auch die Dienstleistungsproletarier, und zwar vor den Syrischen Gebäudereinigern, die in großer Menge nach Deutschland kommen, um fremde Böden zu putzen.

Esser_SoziologieUnd wenn man als Heinz Bude zwei gesellschaftlichen Gruppen umfassend und ausnahmslos Angst attestiert hat, dann “können sich ganz schnell Koalitionen der Angst bilden, die quer durch die Gesellschaft laufen. Man attackiert zuerst Politiker, von denen angenommen wird, dass sie sich den Staat als Beute genommen haben … [Wir können hier nicht gemeint sein. Wir stammen aus der Arbeiterschicht und haben ein höheres Einkommen als Heinz Bude!] dann spießt man Journalisten auf, denen unterstellt wird, dass sie heimlich auf der Gehaltsrolle von Lobbyisten und Werbern stehen … Brenzlig wird die Situation dann werden, wenn es zu einem Kurzschluss zwischen den beiden Brennpunkten des sozialen Bruchs kommt: wenn die Ignorierten aus dem Dienstleistungsproletariat sich mit den Verbitterten aus der gesellschaftlichen Mitte im Blick auf einen Sündenbock verbünden, den man dafür verantwortlich machen kann, dass alles so schief läuft” [Sie sehen: Politiker sind allesamt an unser aller Wohl orientiert und Journalisten sind immer unabhängig, Bruder Heinz hat es gesagt. Er muss es wissen. Woher? Das bleibt sein Geheimnis. Vielleicht wurde es ihm offenbart.].

Das operative Wort hier ist: Kurzschluss, denn die Betrachtungen von Heinz Bude, sie sind ein Kurzschluss, der nicht nachvollziehbar ist. Deshalb ist hier die operative Frage vonnötten: Warum sollten sich die Dienstleistungsproletarier und die Verbitterten zusammentun, um gegen die vielen Syrer, die fremder Leute Böden putzen wollen, wie Bude weiß, vorzugehen (vor allem wo die Verbitterten doch verhindern wollen auf den Status von Dienstleistungsproletarieren herabzurutschen)? Eine Antwort auf diese Frage ist im Beitrag von Bude weit und breit nicht zu finden.

Sie kann auch nicht zu finden sein, denn Bude geht es nicht darum, etwas zu erklären. Er gehört zu den Weltbetrachtern, zu denen, die keinerlei Erklärung zur Welt beizutragen haben, aber jede Menge unverdautes al-Gusto-Gerede, das keinerlei Fundament in der Realität oder in irgend welchen Fakten, geschweige denn in einer soziologischen (Handlungs-)Theorie hat.

Und so erschließt sich der Zweck der Betrachtungen von Bude erst zum Ende seines Beitrags, wenn er den Teufel an die Wand malt: “Wenn dann eine Figur kommt, die sagt, ich lasse mich nicht belügen, ich lasse mir den Mund nicht verbieten, und ich weiß, was ich weiß, dann ist eine Politik gefordert, die keine Angst vor den Ängsten der Leute hat”.

Ziemlich vielsagend, diese Betrachtungen über “eine Figur” oder? Und ist eine Politik, die “keine Angst vor den Ängsten der Leute hat”, eine Politik, die über Leichen geht, Widerstand im Keim erstickt oder Menschen abholt und kaserniert, weil sie eine andere,eine falsche Meinung haben? Bude scheint das nahezulegen, mit seinem pathetischen Schlusswort, das nicht das einzige an seinem Text ist, das unüberlegt und aus einer Laune heraus geschrieben ist.

Aber man soll Beiträge, wie den von Heinz Bude ja mit dem notwendigen Maß an Humor nehmen und so geben wir unseren Lesern Folgendes auf den Weg: Wenn das nächste Mal jemand kommt und behauptet, die Rechten seien anfällig für einfache Wahrheiten, dann verweisen sie ihn auf den Beitrag von Heinz Bude, der sich vermutlich nicht als Rechter versteht. Dieser Beitrag ist so voller einfacher Wahrheiten, dass man befürchten muss, dass wenn eine Figur wie Bude ihren Lehrstuhl in der selben kognitiven Armseligkeit füllt, wie dies im vorliegenden Gastbeitrag für die FAZ geschehen ist, man es wirklich und begründet mit der Angst bekommen muss, denn wie hat René König einmal gesagt: “Jungens, das ist keine Soziologie!”.

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