Gesinnungstümler
Wenn der französische König Ludwig der XVI Geld spendet, um Blindenschulen einzurichten, weil er die Anzahl der Bettler vor dem Versailler Schloss reduzieren will, dann gilt das nicht wirklich als gut, jedenfalls in Deutschland nicht. Besser wäre es, Ludwig der XVI hätte aus tief empfundenem Mitleid für die Bettelnden gegeben. Das brächte ihm die Hochachtung einer bestimmten Spezies Deutsche, die wir als Gesinnungstümler bezeichnen.
Gesinnungstümler wollen den ganzen Menschen. Wo einem normalen Menschen die Handlung reicht, um sich ein Urteil über einen anderen zu bilden, da wollen Gesinnungstümler das Gehirn dazu, den Blick in den Schädel und die Erkenntnis, hier geht noble Handlung mit nobler Gesinnung einher, hier handelt ein Heiliger.
Denn Gesinnungstümler, sie suchen nach Heiligen, nach solchen, deren Handlungen ihre edlen Motive widerspiegeln. Der Politiker, der alternative Energieformen fördern will, der tut dies natürlich nur, weil er der nächsten Generation einen intakten Planeten übergeben will, nicht weil er im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzt, das mit alternativen Energien Geld verdient.
Nein, wahre Heilige, die von Gesinnungstümlern angebetet und ausgelobt werden, sie sind rein in Handlung und Geist. Sie verpflichten sich zur eigenen Armut, um den Armen zu helfen, sie infizieren sich mit AIDS, um mitzuleiden und sie tränken das dürstende Kind und verdursten selbst. Schon vor mehr als 100 Jahren hat Jerome K. Jerome über die Deutschen festgestellt: They are good people, und damit hat er zweifelsohne recht.
Good people in der Weise, in der es Jerome K. Jerome benutzt hat, hat einen Anklang an das Naive, das in die Dummheit reicht, und außer Dummheit kann man sich eigentlich keinen Geisteszustand vorstellen, in dem jemand tatsächlich denkt, es gäbe Menschen die Handlungen ausschließlich aus reinen Motiven ausführen.
Wie sagt der Well Manicured Man in den X-Files: Motives are rarely unselfish. Weltweit weiß man das. Nur in Deutschland gibt es welche, die meinen, es komme auf die Reinheit der Motive und nicht die Handlung als solche an. Weltweit ist man der Ansicht, wenn jemand sich korrekt verhält, dann spielt es keine Rolle, warum er sich korrekt verhält.
Nur in Deutschland ist das anders, hier sind Gesinnungstümler am Werk, die eine gute Handlung, eine korrekte Handlung nur dann als solche anerkennen, wenn sie auch aus reinen Motiven heraus erfolgt ist.
So meint Jürgen Dörschner er müsse in der ARD einen Kommentar scheiben, in dem er darauf hinweist, dass die Flucht von Investoren aus Kohleinvestitionen nicht darauf zurückzuführen sei, dass die entsprechenden Investoren den Planeten retten wollten:
“Aber die Motive dieser besonderen Art von ‘Klimaflüchtlingen’ sind weit weniger edel, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Letztlich geht es um Rendite. Wer sich den Aktienkurs von RWE und E.ON zum Beispiel anschaut, braucht nicht einmal einen Taschenrechner, um zu erkennen, dass man mit deren Geschäftsmodell nicht mehr viel verdienen kann. Also steigen Allianz, AXA und Co. lieber aus, bevor die Verluste noch größer werden.”
(Fast) nur in Deutschland ist es wichtig, aus welchen Motiven jemand eine Handlung, die offensichtlich vom Kommentator als positiv eingeschätzt wird, ausführt. Hier wird Gesinnungs-getümelt. Die richtige, die reine und gute Gesinnung, sie sieht vor, Investitionen in alternative Energie vorzunehmen, weil man von alternativen Energien überzeugt ist, nicht weil man Geld verdienen will. Geld verdienen! Pfui Teufel. Wo kommen wir hin, wenn Unternehmen Geld verdienen und Steuern bezahlen aus denen öffentlich-rechtliche Kommentatoren wie Jürgen Döschner bezahlt werden? Nicht auszudenken.
Kommentatoren, die sich Energieexperte nennen und dennoch zu keinem Zeitpunkt auf die Idee kommen, die Tatsache, dass die Bundesregierung das unternehmerische Risiko, das normalerweise mit Investitionen in Technologien verbunden ist, für Technologien zur Produktion von alternativer Energie beseitigt hat, haben etwas mit dem Boom in alternativen Energien zu tun.
Wer alternative Energie produziert, kann zu einem garantierten Preis verkaufen, muss nicht mit anderen Anbietern konkurrieren und kann darauf vertrauen, dass seine Gewinnspanne fix ist. Paradiesische Zustände für Unternehmer. Aber natürlich sind all diejenigen, die alternative Energie produzieren von reiner Gesinnung, denken keinen Moment daran, dass man mit alternativer Energie gut und sicher Geld verdienen kann. Perish the thought. Sie sind nur daran interessiert, die Erde für die nächste, die über- und die überübernächste Generation bewohnbar zu halten. Sie sind Heilige, wie sie Energieexperten wie Jürgen Döschner, die gesinnungstümelnd und gesinnungstaumelnd durch ihre Traumwelt torkeln, sich wünschen.
They are good people, the Germans.
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Ich bin immer wieder begeistert über die neuen Begriffe, die Sie in letzter Zeit hier auf diesem Blog vorgestellt haben. Recht so! Das grausige, muffige BRD-Sprech braucht dringend erfrischende, ausgleichende Energie.
So leicht kann man Kant, der den guten Willen allein als ohne Einschränkung gut genannt hat, nicht widerlegen – und das, ohne ihn zu nennen und sich mit seiner Argumentation auseinanderzusetzen. Die Polemik ist und bleibt vordergründig.
Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht folgen. Wo hat Kant gesagt, dass es auf die richtige Gesinnung und nicht auf die richtige Handlung ankommt?
Ihr polemischer Kommentar ist nicht rational auflösbar.
Wenn die Kohle nicht mehr gut ist, verbrennen wir doch was anderes. Ich hätte da eine ganze Liste an Vorschlägen.
Das hört sich nach dem deutschen Idealismus an, vor dem uns Nietzsche immer gewarnt hat, die Handschuhe anzuziehen. Glaubt man ihm, so hat es u.a. physiologische Gründe, die im Sitzfleisch und den trüb gewordenen Eingeweiden liegt.