Totalität von Fähigkeiten: Marxens Träume erleben eine Renaissance
„Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat jeder einen bestimmten, ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der im aufgedrängt wird, aus dem er nicht herauskann; er ist Jäger, Fischer, oder Hirt oder kritischer Kritiker, und muss es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will – während in der kommunistischen Gesellschaft, wo jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heut dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, auch das Essen zu kritisieren, ohne je Jäger, Fischer oder Hirt oder Kritiker zu werden, wie ich gerade Lust habe. Dieses Sichfestsetzen der sozialen Tätigkeit, diese Konsolidation unseres eigenen Produkts zu einer sachlichen Gewalt über uns, die unserer Kontrolle entwächst, unsere Erwartungen durchkreuzt, unsere Berechnungen zunichte macht, ist eines der Hauptmomente in der bisherigen geschichtlichen Entwicklung“ (Karl Marx; Deutsche Ideologie)
Die zitierte Stelle ist dem Teil des Manuskripts der Deutschen Ideologie entnommen, der Karl Marx zurechenbar ist. In ihm entwickelt Marx nicht nur in Fortführung einer Idee Fichtes – sein Konzept der Entfremdung. Er führt sie es auch zu Ende. Von Fichte stammt die Idee, dass dann, wenn Menschen miteinander agieren, sie etwas produzieren, das ein Eigenleben annimmt, das wiederum Herrschaft über die einzelnen erwirkt. Das Erzeugte unterjocht den Menschen, nimmt ihm seine Freiheit. Ein echter Fichte.
Doch zurück zum Zitat von Karl Marx. Das „Sichfestsetzen der sozialen Tätigkeit“, also der Arbeit, zu einer „sachlichen Gewalt“ über uns, wer nicht arbeiten geht, der hat nichts zu beißen, jedenfalls zu Marxens Zeiten war das so, mit einem Wort: die Entfremdung, sie muss durch die kommunistische Gesellschaft überwunden werden, in der keine Spezialisierung mehr stattfindet, keine Arbeitsteilung, in der alle alles tun oder lassen können, wonach ihnen gerade ist. Das nennt Marx die Totalität der Fähigkeiten. Betrachtet man die Materialisierungen dieses kommunistischen Hirngespinsts, dann muss man allerdings feststellen, dass es eher das „lassen können“ ist, das sich durchgesetzt hat: Die Erhöhung der Untätigkeit und Trägheit zur kollektiven Faulheit.
Unter Pfälzern gibt es ein geflügeltes Wort, das Aspiranten wie die, die im Kommunismus gebraucht werden, bezeichnet: Der kann alles, aber nix richtig.
Das Zitat von Marx hat nichts von seiner romantischen Wirkung, die es auf einfältige Gemüter ausübt, verloren. Beispiele dafür, wie Spezialisierung beseitigt, die Entfremdung durch Arbeit aufgehoben und eine glückliche, wenngleich verarmte Gesellschaft herbeigeführt werden soll, gibt es zuhauf: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also die Work-Life-Balance, der Versuch, Teilzeitarbeit zu einem Ersatz für vollen Einsatz zu stilisieren, das bedingungslose Grundeinkommen, der Einzug von pädagogischen Konzepten, die nicht der Bildung oder Erziehung von Kindern dienen, sondern der ideologischen Selbstverwirklichung von Lehrern oder Erziehern, das sind alles Beispiele dafür, wie Marxens idealistische Spinnerei die Jahrhunderte überlebt hat und neue Höhen erklimmt.
„Idealismus,“ so hat Arnold Gehlen (1952: 350) geschrieben, „ist einer der tiefsten und am schwersten aufzudeckenden Irrtümer und er besteht zuletzt in dem Glauben, die Idealität, die allerdings im Menschen liegt, sei in der unmittelbaren Subjektivität lebbar“.
Sie ist es nicht. Und weil sie es nicht ist, scheitern kommunistische Systeme und gehen Gesellschaften zu Grunde, deren Mitglieder glauben, sie könnten Arbeitsteilung und Spezialisierung durch idealistische Spinnereien von Work-Life-Balance oder Teilzeitarbeit ersetzen.
Warum?
Gesellschaften leben von der Arbeitsteilung, wie man leicht feststellen kann, wenn man versucht, einen Tag ohne das Zutun Dritter zu überleben, also ohne den Lkw-Fahrer, der die Waren des Supermarktes ankarrt, ohne die Aushilfskraft, die die Waren einsortiert, ohne den Tankwart, der das Benzin bereitstellt, mit dem man das Auto, das vieler Hände Ergebnis ist, zum Supermarkt bewegt. Arbeitsteilung erhöht nicht nur die Effizienz und den Wohlstand einer Gesellschaft, sie erlaubt auch Spezialisierung. Manche können dies besser, andere jenes. Wer dies besser kann, erreicht durch Verfeinerung seiner Technik eine höhere Stückzahl und bessere Qualität, und vielleicht kann derjenige, der auf viel Erfahrung in der Herstellung von „dies“ zurückblicken kann, es sich irgendwann leisten, nur einen Teil des Tages für den Broterwerb aufzuwenden. Das kann er aber erst, wenn er sich die entsprechende Erfahrung angeeignet, sich erarbeitet hat. So ist das eben, ohne Fleiß kein Preis. So wie es ohne erfolgreichen Kapitalismus keinen Kommunismus geben kann, wie Marx wusste. Denn Träumerei kann man nur (für eine gewisse Zeit) umsetzen, wenn es andere durch ihre Arbeit ermöglicht haben.
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„Spezialisierung ist was für Insekten“ (R.A. Heinlein) – einerseits ein wahres Wort, andererseits, wenn man es in einem Fachgebiet zur Meisterschaft bringen will, unumgänglich.
Der Mensch an sich ist nicht von Geburt an spezialisiert, er kann seine erlernte Profession jederzeit wechseln, wenn nötig. Aber bis er es im neuen Fach zur Meisterschaft, zum Fachmann, zum Spezialisten, geschafft hat, braucht es Zeit, Ambition, Ausdauer und den Willen etwas neues gut zu lernen und zu beherrschen.
Marx hat niemals etwas nützliches (z.B. ein Handwerk oder einen sinnvollen Beruf) gelernt, sonst hätte er nicht so einen Unsinn behauptet. Er war reiner Theoretiker – weit weg von der harten Alltagsrealität. In der Hinsicht erinnert er mich an unsere Politiker, die am Grünen Tisch vor sich hin schwafeln, planen und philosophieren, ohne vom zu regelnden Bereich auch nur einen blassen Schimmer zu haben.
Im Prinzip kann ich der Kritik an der Neigung zum romantischen Marxismus folgen, allerdings möchte ich darauf aufmerksam machen, dass neben den Spezialisten, die die wirtschaftliche Grundlage in der arbeitsteiligen Welt legen, auch Generalisten notwendig sind. Da sie die Erkenntnisse und Erfahrungen in mehreren Fächern oder Arbeitsfeldern haben, sind sie in der Lage, die Impulse daraus kritisch zu verwerten. Allerdings lässt sich damit kein (großer) Blumentopf gewinnen. So werden Geografen sehr unterschätzt, obwohl sie Natur-, Sozial- und historische Wissenschaften verbinden. Und Physiker und Mathematiker in ihrer Bedeutung für die technische Entwicklung überschätzt. Ein Negativbeispiel für ungutes Spezialistentum ist Dr. Merkel, die sicher eine gute Physikerin gewesen sein mochte, aber vom Menschen und der Gesellschaft versteht sie nichts. Ein Geistes- und Sozialwissenschaftler sollten sich auch ein Stück weit in den Technik- und Naturwissenschaften auskennen und umgekehrt.
Beruf und Berufung … die Harmonie dazwischen ist Segen, eine Diskrepanz kann zum Fluch werden. Doch das Konzept des Berufes scheint aus der Nagtur entwachsen wie das Konzept Familie. Eine Ordnung, die sich ergibt, wenn man den Dingen ihren Lauf lässt. Offenbar sind mehr Menschen damit gesegnet und nur unstete Geister, wie der in Ärmlichkeit lebende Marx, bevor er den Auftrag bekam , Weishaupts Gedanken und Ansätze die Welt zu verändern in öffentlich zugängliche Buchform zu fassen, haben Probleme sich zu einer solchen Stetigkeit durchzuringen und ihren Platz zu finden.
Es ist natürlich, daß das Konzept Beruf-Berufung auf eine kleine Menge Menschen nicht passt, würde es auf eine große Menge nicht passen, gäbe es die Welt und den technischen Fortschritt nicht, wie wir sie kennen. Von seiner Disposition auf die ganze Welt zu schliessen ist fast immer ein Trugschluss, was nicht nur Antje Hornscheidt beweist, indem sie aus einer persönlichen mentalen Störung ein menschliches Problem zu zimmern sucht. Genau dies wirkt hier.
Ich denke Marx beschreibt hier eher die Lebensweise einer Jäger-und-Sammler-Gesellschaft. Funktioniert ja auch. Hat es zumindest über Jahrtausende. Aber nicht mit 7,5 Milliarden Menschen. Das bedeutet im Endeffekt, wenn die AfD zurück in die 50er will und der Islam ins frühe Mittelalter, wollte Marx letztendlich (zumindest unbewusst) zurück in die Zeit vor der neolithischen Revolution.
Schöner Essay,kluge Leserkommentare,
bitte aber noch zu bedenken das Marx in diesem Lande kaum gelesen wird,am wenigsten von den (pseudo)Linken.
Das romantische Paradies das er beschreibt war sein Zukunftsszenario nachdem ein entfesselter
Kapitalismus alles Widerständige(verkrustete Traditionen,Religionen usw.)platt gemacht hat und
automatisierte Fabriken alles lebensnotwendige ohne menschliche Arbeit ausspucken.
Die totale Befreiung des Individuums von allen Zwängen.
Spätestens in diesem Stadium überwindet sich dann der Kapitalismus(der für Marx kein Feind sondern Voraussetzung seiner Utopie war)selbst, und der Staat von dem er wie die Anarchisten kein Freund war,stirbt ab.Man vergleiche das mit der Ideologie die uns hier+heute als links
verkauft wird.Über weite Strecken war Marx ein radikal-libertärer Utopist gegen den sich viel
sagen lässt,aber die Lektüre kann lohnen.Am besten man lässt sich dabei von dem besten
MARX Buch seit vielen Jahren an die Hand nehmen.
MIT MARX GEGEN MARX von STEFAN BLANKERTZ
„Über weite Strecken radikal-libertär“ bedeutet gar nichts. Denn das ist jeder. Aber dann gibt es noch ein paar Präferenzen, die man um jeden Preis ausleben will und die deshalb dem Rest der Gesellschaft aufgezwungen werden sollen – und schon hat man den Staat legitimiert und als Werkzeug für die eigenen Ziele ausgemacht. Die Linken haben das sehr gut verstanden, und sich folglich auf politisches Handeln konzentriert, um die Produktionsmittel enteignen zu können. Sie haben nicht versucht diesen logisch nicht einmal denkbaren Zustand der Post-Knappheit durch mehr Arbeit zu schaffen, in dem die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln sinnlos wäre, denn die könnten genauso wie alles andere ohne Aufwand repliziert werden…
Als Feldherr hatte Tiberius festgestellt, daß den Germanen auch deshalb so schwer beizukommen war, weil bei ihnen – bis auf das Metallhandwerk – jeder alles konnte. Wenn man also Menschen eines Stammes erschlug, konnten Andere deren Aufgaben übernehmen, sodaß diesbezüglich keine Beeinträchtigung entstand.
Daß das bei Spezialisten ganz anders aussieht, zeigt, daß die Vinland-Expedition offensichtlich daran scheiterte, daß die Sklälinger (Indianer) ausgerechnet den Schmied der Gruppe töteten. Der war alleine und hatte noch keinen Schüler ausreichend angelernt.
Es gibt also immer Arbeiten, die so anspruchsvoll sind, daß man sie über einen langen Zeitraum erlernen muß und bestimmte (interlektuelle und / oder körperliche) Voraussetzungen an einen jeden stellen, der sie ausübt, sodaß sie nicht jeder erlernen kann.
Auf der anderen Seite sind die gewöhnlichen Überlebensstrategieen für -fast- jeden erlernbar! Wenn eine Staatsführung daran „arbeitet“ den Menschen auch diese „abzugewöhnen“, muß man davon ausgehen, daß diese damit in Wirklichkeit bezweckt, die Menschen im Alltag hilflos und damit abhängig zu machen!
Oder anders ausgedrückt: Wenn keiner mehr dazu in der Lage ist, sich selber die Schrippe zu schmieren, dafür den professionellen Koch braucht, ist derjenige hilflos und dem Hungertod ausgeliefert, wenn er aus dem Versorgungssystem ausschert oder entfernt wird – und damit ERPREßBAR!
Bezüglich der (nicht mehr) überlieferten Hausmittel und der Schulmedizin sind wir schon so weit!
Der „Beruf“ mit der breitesten und interessantesten Tätigkeit war und ist der der Hausfrau. Deckt sie doch Ernährung, Sauberkeit, Heimgestaltung, Beratung, Kindererziehung, Altenversorgung – um nur die wichtigsten Sparten zu nennen ab. Noch vor wenigen Generationen gehörte auch die Vorratshaltung, Nahrungserzeugung (Garten, Kleinviehhaltung), Textilproduktion, Traditionsüberlieferung sowie besagte traditionelle medizinische Versorgung und die Schulung des Nachwuchses in diesen Fähigkeiten hinzu.
Die alle Zeiten durchlaufende Ungerechtigkeit dabei war stets, daß Frauen nicht wegen ihrer Fähigkeiten geheiratet wurden, sondern oft genug wegen ihres Aussehens! (Da haut die Altsteinzeit durch, als das Aussehen den Gesundheitsstatus verriet und die Fähigkeit gesunden Nachwuchs zu bekommen.) So ist es auch nachzuvollziehen, daß es stets weniger attraktive Frauen waren, die sich für die Gleichberechtigung in Männerberufen einsetzten – blieb ihnen doch lange Zeit nur das Kloster.
Andererseits ist die Epoche, in der Frauen die Aufgaben der Männer ubernahmen auch stets sie Untergangsphase eines Volkes / einer Zivilisation gewesen. (siehe Sparta, Rom)
Jedes Extrem ist nicht durchführbar und Blödsinn! Das gilt sowohl für Utopieen wie für eine Welt, die so aussieht wie sich die Zeugen Jehovas den Himmel vorstellen, als auch „bedingungsloses Grundeinkommen“ und die Praxis in der DDR, daß im Konsum die Verkäuferinnen jede Woche in einer anderen Abteilung eingesetzt wurden. (Die Spielwarenverkäuferin war besonders ungeschickt an der Fleischtheke.) Aber auch das andere Extrem, daß die „Arbeitsteilung“ sich über Nationen und Kontinente erstreckt und so ausartet, daß die Menschen hilflos und damit abhängig werden.
Man muß sich stets fragen: Cue bono? und kommt damit zwangsläufig auf internationale Konzerne, die sich so die Menschen gefügig machen und den Gewinn für sich selber, d.h. weltweit einige wenige Personen/Familien einstreichen.
Die Donau- und Induskulturen der Frühzeit kamen ohne Eliten, Hirarchieen und Waffen aus! Kleine Staatsgebilde ohne den Ehrgeiz andere zu erobern, bevormunden, bekehren oder zu berauben. Da sollten wir wieder hin!
…und statt (Schnaps-) Ideen(-ologieen) braucht es eigendlich nur den gesunden Menschenverstand!
Induskulturen ohne Waffen? Da sagt die Archäologie aber was ganz anderes. Natürlich hatten die Messer, Bögen und Schwerter. Diese Kulturen hatten nämlich Nachbarn, die so was auch hatten und die gelegentlich mal vorbeischauten um Vieh oder Frauen zu rauben.
Und Bekehrung war in den Zeiten vor dem Monotheismus nicht nötig, weil sich die Götter der vielen Stämme alle ähnelten und oft nur unterschiedliche Namen hatten.