Die Wichtigkeit der Politiker: Niggemeier, wir und die Forschungsgruppe Wahlen
Auf unseren letzten Beitrag, in dem wir einige Irrtümer von Stefan Niggemeier aufgeklärt haben, hat sich Stefan Niggemeier bei uns gemeldet und den einzigen Punkt, den wir spekulativ behandeln mussten, auf Grundlage seines Wissens und wie folgt aufgeklärt:
Wir schrieben:
„Tatsächlich gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Frage nach der Wichtigkeit der Politiker überhaupt im Rahmen des Politbarometers gestellt wird. (…) Wenn Fragen mit viel Aufwand verbunden sind, kann man davon ausgehen, dass sie nicht vielen Befragten gestellt werden. Mit Sicherheit werden sie nicht „1.300 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten“ gestellt, wie Niggemeier – ahnungslos wie er nun einmal ist – behauptet. Wir tippen eher auf ein Panel von Befragten, die die FGW regelmäßig kontaktiert, so um die 100 Personen vielleicht… (…) Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Liste der wichtigen Politiker von der FGW, wie Niggemeier annimmt, im Rahmen von Politbarometer-Umfragen erstellt wird. Allein die Tatsache, dass es sich um eine offene Frage handelt, spricht schon dagegen.“
Niggemeier schreibt:
„Sie “tippen” falsch. Nach Auskunft der Forschungsgruppe Wahlen findet auch die offene Frage nach den wichtigen Personen immer im Rahmen des vollen Politbarometer-Samples statt.“
Schon Lenin hat darauf hingewiesen, dass Vertrauen gut, Kontrolle aber besser ist. Entsprechend haben wir bei Matthias Jung, dem Chef der Forschungsgruppe Wahlen nachgefragt, hier der kurze eMail-Wechsel:
Lieber Matthias Jung,
vielen Dank für die Antwort.Aber leider findet es sich nicht alles hier.
Den Absatz kenne ich, habe ich auch zitiert, aber aus dem Absatz gehen die Antworten auf die Fragen gerade nicht hervor.
Fragt Ihr wirklich alle Politbarometer-Befragten zum Zeitpunkt X: „Welche Politiker sind die derzeit wichtigsten“ und bastelt dann eine Liste, die ihr zum Zeitpunkt X+1 oder X+2 anderen Befragten des Politbarometers vorlegt?Das klingt abenteuerlich, denn es bedeutet, dass alle Politbarometer Befragten zum Zeitpunkt X die Beliebtheit von zehn Politikern mit Eurem Thermometer von +5 bis -5 raten müssen und anschließend die wichtigsten Politiker benennen müssen.
Aber wenn dem so sein sollte, warum findet sich die entsprechende Frage nach der Wichtigkeit, die ja wegen regelmäßiger Befragung eine Standardfrage wäre, nicht unter den Standardfragen des Politbarometers?
Hier die Antwort von Matthias Junge:
wir fragen alle zwei Monate alle Befragten des Politbarometers in einer offenen Frage mit bis zu 5 Antwortmöglichkeiten (die die meisten Befragten garnicht brauchen), wer die wichtigsten sind. Diejenigen zehn, die dabei als wichtigste rauskommen, werden dann im nächsten Politbarometer (x+1) allen Befragten zur Bewertung auf der +/-5 Skala vorgelegt, so lange bis nach zwei Monaten wieder eine aktualisiert Liste fertig ist.
Die Ergebnisse auch zur Wichtigkeitsbefragung sind in den Gesamtdatensätzen bei GESIS enthalten.
Auf der Website ist immer nur eine Auswahl von Fragen ausgewiesen.
Uns dient die Wichtigekeitsabfrage ja nur als Verfahren, um die Auswahl der Top Ten zu objektivieren. Früher haben wir – wie andere Institute heute noch – die Politiker, die wir bewertet haben wollten, selbst bestimmt.Beste Grüße
Matthias Jung
Damit ist geklärt, wie die Liste der zehn wichtigsten Politiker im ZDF-Politbarometer zustande kommt.
Davon bleibt unsere Kritik am Beitrag von Niggemeier natürlich vollkommen unberührt, weshalb wir sie an dieser Stelle gerne noch einmal wiederholen.
Der Politbarometer ist keine Längs-, sondern eine Querschnittstudie. Nicht dieselben Befragten werden wiederholt befragt, wie Niggemeier meint, sondern unterschiedlichen Befragten werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten Fragen, zuweilen dieselben Fragen, vorgelegt.
Die Fragen nach Wichtigkeit und Beliebtheit von Politikern werden nicht den selben Befragten in einer Befragung vorgelegt, wie Niggemeier denkt, denn das ist technisch nicht machbar, wie Niggemeier wüsste, wenn er eine Ahnung von empirischer Sozialforschung hätte.
Schließlich ist das Ranking der Politiker kein Ranking, wie Niggemeier schreibt, sondern ein Rating. Die Befragten bringen die Politiker nicht in eine Reihenfolge, wie sie es bei einem Ranking tun müssten, sondern bewerten jeden einzelnen der zehn ihnen vorgegebenen Politiker von -5 bis +5.
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Dass die Forschungsgruppe Wahlen die wichtigsten Politiker/innen von den Befragten bestimmen lässt, diese nicht vorgibt, ehrt sie. Gut, zwei Monate, in denen der Kreis der wichtigsten Personen sich dann nicht verändert, ist eine relativ lange Zeit, man weiß von der Sonntagsfrage („was würden Sie wählen, …“), dass die Meinungen der Leute sich recht kurzfristig ändern können, da reicht ein Ereignis. Und mutmaßlich ist Wichtigkeit auch schlicht zum Teil verknüpft mit Bekanntheit. Sprich: Man hält für wichtig, von dem man häufiger in den Medien hört.(?)
Die Frage „Was halten Sie von …“ kommt mir persönlich allerdings sehr allgemein vor. Sie wird von der Forschungsgruppe Wahlen offenbar, wie hier zu lesen ist, als „Wertschätzung nach Sympathie und Leistung“ definiert/interpretiert. Die entsprechende Grafik im Politbarometer ist „Bewertung“ überschrieben, im Pressetext heißt es auch „Ansehen“. Hier verschmelzen also die Beliebtheit (wie sympathisch finde ich die Person) und deren konkrete Leistung (was hat sie in den vergangenen Wochen getan), und vermutlich fließt am Rande in das „Ansehen“ auch noch die Wichtigkeit/Bekanntheit ein.
Interessant wäre zu wissen, ob Sympathie und Leistung bei allen Betroffenen gleich hoch bewertet werden. Dass Frau Wagenknecht und Frau Nahles auf fast gleiche Ergebnisse kommen, ist schon beeindruckend. Grundsätzlich liegen die Bewertungs-Ergebnisse sowieso überraschend nahe beieinander. Auf einer Skala von +5 bis -5 landen die meisten Personen in der Bilanz zwischen +0,9 und -0,9. Es fragt sich, ob sich hier auch die Neigung von Befragten, sich für „die Mitte“ zu entscheiden, niederschlägt. So oder so ist mir der Text in Übermedien und sind mir einige dortige Kommentare zu aggressiv. Nun ja, man sieht sich ja als „kritischer Begleiter“ der Medien und Journalistenkolleg/innen und natürlich (auch politisch) „unabhängig“.