Chemnitzer Spracherkennung: Falsche Behauptungen – Emotionalität und Persuasion

Menschenjagd.
Rassismus.
Rechtsextremismus.
Hetzjagd.
Übergriff.
Ausschreitung.
Zusammenrottung.
Mob.
Rechter Mob.
Nazis.

Die Worte, die im Zusammenhang mit Chemnitz gebraucht werden, zeichnen sich in erster Linie durch ihre Emotionalität aus – jedenfalls dann, wenn sie benutzt werden, um diejenigen zu beschreiben, die nach dem Tot von Daniel Hillig auf die Straße gegangen sind. Geht es um den Auslöser, den Mord an Daniel Hillig, dann findet sich keine Emotionalität, dann wird nüchtern von „einem Tötungsdelikt“ (Gensing) berichtet oder von einem Vorfall, bei dem ein Mann getötet wurde. Niemand in den Mainstreammedien kommt hier auf die Idee, die Täter als Mörder zu bezeichnen. Sie sind durchweg Tatverdächtige. Niemand in den Mainstreammedien spricht von einem Asylbewerbermob, von Messermördern oder islamistischen Mordbrüdern.

Wie erklärt sich die einerseits so nüchterne Sprache, wenn es um das Mordopfer und die Umstände der Tat geht und die anderseits so emotionale Sprache, wenn es darum geht, die Folgen der Tat zu thematisieren?

Wir haben heute einen Artikel aufgetan, der die Erklärung dafür enthalten könnte, warum emotionalisiert wird, warum die Bundeskanzlerin meint, von Zusammenrottung und Hetzjagden sprechen zu müssen. Die Erklärung, in aller Kürze: Mit den emotionalen Begriffen sollen die Bürger, die in Chemnitz nicht dabei waren, davon überzeugen werden, dass Rechte, Rechtsradikale, Rechtsextreme (über die korrekte Benennung ist man sich nicht einig), eine große Gefahr sind, dass sie eine so große Gefahr sind, dass man das Mordopfer und die beiden Verletzten (niemand spricht von den beiden Verletzten) im Nebensatz begraben und ansonsten in die Bedeutungslosigkeit abschieben kann.

Dies zeigt die Untersuchung, die Matthew D. Rocklage, Derek D. Rucker und Loran F. Nordgren gerade in „Psychology Science“ veröffentlicht haben. Sie trägt den Titel, Persuasion, Emotion, and Language: The Intent to Persuade Transforms Language via Emotionality”.

Fünf Experimente haben die drei Forscher mit insgesamt 3.172 Probanden durchgeführt, eine für Experimente ungewöhnlich hohe Fallzahl. Dabei ging es den Forschern vor allem darum, die Bedeutung emotionaler Sprache beim Versuch, andere zu überzeugen, zu untersuchen. Die sehr ausgeklügelten Versuchsdesigns sahen z.B. die zufällige Verteilung von 1.618 Probanden auf unterschiedliche Situationen vor, in denen sie Produkte besprechen sollten, einmal mit der Absicht, andere vom Kauf des jeweils besprochenen Produkts zu überzeugen, einmal, ohne diese Absicht, beide Male mit der Absicht, fünf Sterne zu vergeben.

Richtig, die Autoren haben sich das Produktbewertungssystem von Amazon zunutze gemacht und von Amazon zudem 849 5-Sterne-Besprechungen erhalten, die die Kontrollgruppe im Experiment darstellen.

Im ersten Experiment konnten die Autoren herausarbeiten, dass Probanden, die andere vom Kauf des von ihnen besprochenen Produkts überzeugen wollten, viel häufiger auf hochemotionale Begriffe zurückgriffen als Probanden, die dies nicht wollten bzw. als es für die 849 tatsächlichen Besprechungen auf Amazon der Fall war. Die Absicht, andere vom Kauf eines Produkts überzeugen zu wollen, so schreiben die Autoren, veranlasste Probanden dazu, Begriffe, mit denen eine höhere Emotionalität verbunden war, in ihren Besprechungen zu wählen als dies z.B. Probanden taten, die mit ihren Besprechungen niemanden vom Kauf überzeugen wollten.

Übertragen auf Chemnitz kann man folgern, dass diejenigen, die Bürger davon überzeugen wollen, dass in Chemnitz die rechte Gefahr, an der Deutschland zugrunde gehen muss, wenn nicht alle Rechte auf den – wie Martin Schulz es heute formuliert hat: Misthaufen der Geschichte geworfen werden und die von dem Mord an Daniel Hillig ablenken wollen, auf hoch emotionale Begriffe wie Hetzjagd und Zusammenrottung zurückgreifen, nicht weil es eine Hetzjagd oder eine Zusammenrottung gegeben hätte, sondern weil sie Bürger durch die Emotionalität, die sich mit den Begriffen verbindet, davon überzeugen wollen, dass die Gefahr von Rechts käme, auch wenn der Tote in Chemnitz auf das Konto Zugewanderter geht.

In einem weiteren Experiment haben Rocklage, Rucker und Nordgren 781 Probanden aufgefordert, an das Restaurant zu denken, in dem sie zuletzt gegessen haben und dieses Restaurant mit drei bis fünf positiven Begriffen, die ihnen zur Bewertung geeignet erscheinen, zu beschreiben. Zudem wurden die Probanden auf vier experimentelle Situationen verteilt. In drei Situationen wurden ihnen gesagt, dass sie für jeden Kunden, der durch ihre Besprechung gewonnen werden kann, monetär entgolten werden, eine diente als Kontrollgruppe. Zudem wurde den Probanden in zwei der drei Gruppen, denen eine finanzielle Belohnung für jeden überzeugten Neugast des jeweiligen Restaurants versprochen wurde, gesagt, für wen sie ihre Besprechung schreiben, nämlich einmal für die Gruppe der „Emotionalen“, die sich aus Künstlern, Tänzern und Musikern zusammensetzt und einmal für die Gruppe der Rationalen, die sich aus Wissenschaftlern, Mathematikern und Ökonomen zusammensetzt.

Obwohl die Mitglieder der letzten Gruppe, die ihre Bewertung für die Gruppe der Rationalen abgeben sollte, wusste, dass die Adressaten eher auf rationale, denn auf emotionale Argumente reagieren werden, dass die monetäre Belohnung also höher ausfällt, wenn eine emotionale Ansprache vermieden wird, unterschieden sich die Probanden dieser Gruppe nicht von den Probanden der anderen beiden Gruppen, deren Ziel in der Überzeugung Dritter zum Aufsuchen des jeweiligen Restaurants bestand.

Mit anderen Worten: Wenn jemand überzeugen will, dann kommt die Emotionalität quasi automatisch mit ins Spiel, und zwar ohne Rücksicht auf das Publikum.

Übertragen auf die Vorgänge in und die Rede über Chemnitz kann man daraus folgern, dass die Bundeskanzlerin ohne Rücksicht auf Verluste und ohne in Rechnung zu stellen, dass ihre Bevölkerung nicht nur aus emotional Dopes besteht, die jede Form der emotionalen Ladung fressen, solange sie nur mit der richtigen Ideologie verbunden ist, ihr Publikum davon überzeugen wollte, dass ein Ermordeter und zwei Verletzte weniger wichtig sind als Rechte, die skandieren, den Hitlergruß zeigen und kurz hinter Personen herrennen, die ausländisch aussehen. Dass keinerlei Rücksicht auf die Bedürfnisse des Publikums genommen wurde, ist, nimmt man die Ergebnisse von Rocklage, Rucker und Nordgren zur Grundlage, ein Maß für die Not, mit der die Bevölkerung davon überzeugt werden soll, dass Rechte ein Riesenproblem in Deutschland seien, ein viel größeres Problem als die Toten und Verletzten, die seit der unkontrollierten Massenzuwanderung zu beklagen sind.

In gewisser Hinsicht hat sich damit unser Aufruf erledigt, denn die Motivation und die Not, die hinter der Benutzung hochemotional geladener Begriffe wie Zusammenrottung und Hetzjagden steht, ist durch die Forschung von Rocklage, Rucker und Nordgren offengelegt.

Allerdings wären wir keine Wissenschaftler, wenn wir nicht die Ergebnisse von Rocklage, Rucker und Nordgren dem Test aussetzen würden und das erfordert es, dass die Bundeskanzlerin, die die mehr als 38.000 Bürger, die eine Antwort von ihr Verlangen, nach wie vor ignoriert, sich zu einer solchen bequemt und die Verantwortung für ihre Wortwahl übernimmt.

Rocklage, Matthew D., Rucker, Derek D. & Nordgren, Loran F. (2018). Persuasion, Emotion, and Language: The Intent to Persuade Transforms Language via Emotionality. Psychological Science 29(5): 749-760.

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