Framing: Politdarsteller Lauterbach aus dem Rahmen gefallen und deshalb nicht im Bilde
In der letzten Zeit ist er uns mehrfach aufgestoßen, der Begriff des Framings. Nicht, weil wir etwas gegen den Begriff hätten. Nein. Ganz im Gegenteil, weil der Begriff und das Konzept, das er beschreibt, zunehmend verunstaltet und in die Absurdität getrieben wird.
Beispiele gibt es zuhauf. Wir haben uns für eines entschieden, in dem behauptet wird, wir alle würden ständig framen und deshalb müssten Journalisten ihre Sprache sehr genau auswählen.
Und für eines, in dem eine SPD-Politgröße faschistisches Framing erfunden hat.
Die AfD bringt jetzt in jeder Rede im Bundestag die Trias „Messerattacken, Vergewaltigungen und Migranten“. Primitive Form des faschistischen Framings. Eine solche Entwürdigung des Bundestag wäre vor 2 Jahren noch undenkbar gewesen. Man müsste den Dreck eigentlich ignorieren
— Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) September 12, 2018
Das passiert, wenn man Dilettanten mit wissenschaftlichen Begriffen und Konzepten spielen lässt, ohne ihnen auf den Mund zu hauen. Dass ausgerechnet „Framing“ zu einem neuen Modewort unter denen geworden ist, die jedes Wort missbrauchen, ohne auch nur einen Schimmer seiner Bedeutung zu haben, ist natürlich die Schuld von Cass Sunstein und Richard H. Thaler, die das Framing im Rahmen ihres Nudgings behandeln und auf diese Weise der unwissenden Meute nach wohlklingenden Begriffen suchender Politdarsteller zum Fraß und anschließendem Wieder-Auswürgen vorgeworfen haben.
Und so kommt es, dass Politiker und Journalisten, von sich eingenommen wie sie nun einmal sind, denken, die Art und Weise, in der sie etwas sagen, wie sie etwas framen, hätte einen Einfluss darauf, welche Meinung und Überzeugung sich Bürger bilden.
Wie gewöhnlich ein Irrtum der Beziehungsrichtung, denn wie Tversky und Kahneman, die beiden, die den Begriff des Framings geprägt haben, z.B. 1986 in ihrem Beitrag „Rational Choice and the Framing of Decisions“ schreiben, ist mit Framing das Folgende gemeint:
„Prospect theory distinguishes two phases in the choice process: a phase of framing and editing, followed by a phase of evaluation. The first phase consists of a preliminary analysis of the decision problem, which frames the effective acts, contingencies and outcomes. Framing is controlled by the manner in which the choice problem is presented, as well as by norms, habits and expectancies of the decision maker”.
Zunächst: Framing ist nur im Zusammenhang mit Handlungsentscheidungen, im Zusammenhang mit rationalen Handlungsentscheidungen von Bedeutung. Weil sich Handlungsentscheidungen dadurch auszeichnen, dass man sie jetzt trifft, dann verwirklicht und anschließend mit einem Handlungsergebnis konfrontiert ist, von dem man bei Treffen der Entscheidung nicht sicher sein kann, dass es auch eintritt, deshalb handelt es sich um Entscheidungen unter Unsicherheit und deshalb ist Framing ein Konzept, um Entscheidungen unter Unsicherheit zu erklären.
Nehmen wir zum Beispiel die Entscheidung von Politdarstellern wie Lauterbach, sich eines Konzepts zu bedienen, das sie nicht kennen.
Aus den Forschungen von Tversky und Kahneman wissen wir, dass Framing sich auf Acts, also die Art und Weise, wie ein Entscheidungsproblem präsentiert wird, auf Contingencies, also die Menge an Ungewissheit, die sich mit dem Entscheidungsproblem verbindet und auf Outcomes, die Wahrscheinlichkeit, einen erhofften Outcome zu erreichen, bezieht.
Wie muss man eine Entscheidungssituation gestalten, damit sich Karl Lauterbach dazu entschließt, ein Konzept zu benutzen, das er nicht kennt?
- Im Hinblick auf die Art, in der die Entscheidung präsentiert wird, muss man ihm sagen, dass dann, wenn er das Wort Framing benutzt, weil es schon so viele andere vor ihm benutzt haben, die Wahrscheinlichkeit nicht als Jemand aufzufliegen, der nicht weiß, wovon er spricht, 40% beträgt. Die positive Formulierung und die geringe Wahrscheinlichkeit ist hier wichtig, denn wie von den meisten Akteuren, so kann auch von Lauterbach angenommen werden, dass er risikoavers ist und deshalb lieber mit 40% nicht auffliegt, als mit 60% auffliegt.
- Im Hinblick auf die Contingencies muss man Lauterbach erklären, dass mit jeder Benutzung des Begriffs „Framing“ eine 40% Nicht-Auffliegen-Sicherheit einhergeht und dass sich diese Sicherheit um 1% mit jeder Verwendung des Begriffs verringert. Man darf ihm nicht sagen, dass seine Benutzung des Begriffs eine 60% Auffliegens-Sicherheit hat und mit jeder Benutzung des Begriffs die Wahrscheinlichkeit aufzufliegen, um ein Prozent steigt.
- Schließlich muss man mit Blick auf das Ergebnis formulieren, dass aufgrund vergangener Aussagen, mit denen er sich als jemand geoutet hat, der nicht weiß, wovon er spricht, das neuerliche Verwenden von ihm unbekannten wissenschaftlichen Konzepten der Wette dessen gleicht, der bei einer Gewinnchance von 15:1 zehn Euro einsetzt, die Möglichkeit hat, seine vergangenen Verluste von 140 Euro zu kompensieren und nicht etwa, dem, der mit dem Einsatz von weiteren 10 Euro das Risiko eingeht, 150 Euro Verlust anzusammeln.
Und ganz nebenbei haben wir damit die drei Pfeiler des Framings erklärt. Wer selbst nachlesen will, der kann das am komprimiertesten in:
Tversky, Amos & Kahneman, Daniel (1981). The Framing of Decisions and the Psychology of Choice. Science 211(4481): 453-458
oder am Verständlichsten in
Kahneman, Daniel & Tversky, Amos (1986). Rational Choice and the Framing of Decisions. Arlington: Office of Naval Research.
beides unter den jeweiligen Links abzurufen, tun.
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hä?
Da fühl ich mich jetzt wie Lauterbach: nix verstan.
Da haben wir sie aber ganz schön geframt…
Bislang hielt ich Lauterbach für einen ehrenwerten Schauspieler in Film und TV. Daß er nun auch noch ein schlechtes Doubel im Parlament haben soll – Kruzifix…
Ansonsten – ein Beitrag, wie man ihn von Sciencefiles mittlerweile gewöhnt ist: die Grundannahme stimmt, die logischen Schlüsse können logischer nicht sein, und dann eben auch die Schlußfolgerung. Punkt!
Rudi (wie immer) Ratlos
Das/der Tweet von Lauterbach war klar verständlich: ein Idiot redet dummes Zeug.
Die Analyse hier: dämlichdenglishes Soziologengeblubber.
Mag ja alles stimmen, aber ich als Propagandazielperson von Lauterbach kann damit nichts anfangen.
Ich bin es langsam leid, diesen Blödsinn vom “dämlichenglischen Soziologengeblubber” zu hören. Da Kahneman und Tversky Sozialpsychologen sind, kann ich es nur auch mich und ScienceFiles beziehen. Deshalb zwei Dinge von meiner Seite: (1) Da Sie nicht verstehen, was ich eigentlich für mit ein wenig Mühe als recht einfach verständlich einordne, haben Sie nun ein Maß für die Übersetzungsleistung, die wir auf ScienceFiles regelmäßig erbringen, damit auch Leser wie Sie vom “dämlichen Soziologengeblubber” etwas “anfangen” können. (2) Normalerweise, wenn man etwas nicht versteht, sucht man den Fehler bei sich. Das ist so eine Art “reverser Goodwill” (= dämlichdenglisches Soziologengeblubber), heißt: damit Sie es auch verstehen: Wenn man etwas nicht versteht, dann versucht man, zu verstehen, z.B. in dem man noch einmal oder genauer liest oder die verlinkten Texte, die zugegebenermaßen in Englisch sind, aber so ist das nun einmal in der modernen Welt, 95% dessen, was wissenschaftlich relevant ist, ist in englischer Sprache verfasst, studiert. Versteht man immer noch nicht, was geschrieben wurde, dann gebietet es er Anstand, die eigene Unfähigkeit, eine Fachsprache zu verstehen, zur Kenntnis zu nehmen und einmal mehr dafür dankbar zu sein, dass wir hier (mit dieser Ausnahme, die ihre Gründe hat) versuchen, Fachsprache zu vermeiden und allgemeinverständlich zu formulieren. In keinem Fall ist es angezeigt, den Ärger über das eigene Unverständnis in Expletive zu packen und dem anderen als Fehler anzulasten. Es ist kein Wunder, dass Sie nicht verstehen, was wir mehrere Jahre studiert und anschließend mehrere Jahrzehnte praktiziert haben. Wenn jeder alles verstehen könnte, dann benötigten wir keine Schulen und keine Universitäten.
Geht es nicht letzten Endes um Edward Bernays´s “Propaganda”?
Der Herr Lauterbach schließt von sich auf andere.