Auch die Nazis hatten Prinzipien: Die EU und der BREXIT

Man stumpft ab.
Aber man darf nicht abstumpfen, denn hört man auf, gegen den täglichen Ansturm von Irrationalität und Faschismus zu kämpfen, dann ist es um die Vernunft geschehen.

Die EU hat Prinzipien. Der BREXIT ist eine Frage der Prinzipien. Die Prinzipien, die unhintergehbar sind, wie Ralph Sina allen Ernstes in der Tagesschau zum Besten geben darf, sind das, was Jean-Claude Juncker selbst mit Rotwein und geklemmtem Ischiasnerv noch von sich geben kann: Freier Verkehr für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen.

Nun hat es Merkel mit der Freizügigkeit im Personenverkehr etwas zu frei genommen und eigenhändig Schenken außer Kraft gesetzt. Aber das war keine Frage der Prinzipien für die EU.

Griechenland hat den freien Zahlungsverkehr über die eigene Kreditaufnahme etwas zu freizügig interpretiert. Abermals keine Frage der Prinzipien für die EU.

Spanien interpretiert die Freizügigkeit von Katalanen dann, wen es sich Träger falscher politischen Einstellungen handelt, sehr restriktiv. Auch das ist keine Frage der Prinzipien für die EU.

Was für die EU eine Frage der Prinzipien ist, scheinen Jean-Claude Juncker und sein Verhandlungsverweigerungsteam festzulegen, ob mit Rotwein und geklemmtem Ischiasnerv oder ohne, ist eine offene Frage.

Nun sind Prinzipien eine prinzipiell gute Sache, obwohl sie, wie wir gerade gezeigt haben, heutzutage immer mit Bigotterie einher zu gehen scheinen. Aber in Verhandlungen sind Prinzipien insofern ein Problem, als man dann, wenn man Prinzipien hat, gar nicht erst in Verhandlungen eintreten muss.

Denn auch das Gegenüber in den Verhandlungen hat mit Sicherheit Prinzipien. Und wenn man nicht der absurden Annahme aufsitzt, dass das Gegenüber seine Prinzipien einfach aufgibt, um die eigenen Prinzipien zu akzeptieren, dann sollte man die eigenen Prinzipien nicht vor sich in Verhandlungen tragen.

Frühere Generationen von Politikern, von Diplomaten, selbst von Journalisten war dieses Problem noch unter dem Begriff „Kompromiss“ bekannt. Heute ereifern sich dieselben Journalisten über angebliche Rechte, die jeden Kompromiss ablehnen und damit zeigen, wie rechtsextrem sie doch sind, um in anderem Zusammenhang dem kompromisslosen Vorgehen der EU das Wort zu reden, wie Ralph Sina das tut.

Nun ist Sine niemand, der sich durch viel Sachkenntnis auszuzeichnen scheint, wie seine Behauptung, die Briten seien zu 80 Millionen auf ihrer Insel zeigt. Tatsächlich sind es 66,7 Millionen, also deutlich weniger, so deutlich weniger, dass man daraus ableiten muss, dass Sina einen Text ohne Kenntnis und Recherche geschrieben hat, in dem es nur darum geht, Werbung für die kompromisslose Position der EU zu machen.

Was diese kompromisslose Position bedeutet, das wissen die meisten Deutschen nicht und auch Sina tut nichts, um seinem Informationsauftrag nachzukommen. Holen wir es also nach.

Stellen Sie sich vor, Deutschland wollte aus der EU austreten und die EU stellt die Bedingung, dass im Falle des Austritts, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen in der EU verbleiben müssten, um eine harte Außengrenze zwischen der EU und Deutschland zu vermeiden.

Das ist die aberwitzige Position, die die EU Großbritannien gegenüber mit Blick auf die Außengrenze in Irland vertritt. Ob Rotwein und Ischiasnerv hier eine Rolle gespielt haben, ist unbekannt.

Der zweite Streitpunkt, den es zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich gibt, ist die Frage, ob das Vereinigte Königreich auch nach dem BREXIT Teil eines gemeinsamen Marktes, der über den Acquis Communautaire der EU geregelt ist, bleiben soll. Eine entsprechende Mitgliedschaft bedeutet faktisch, dass das Vereinigte Königreich die Regeln der EU akzeptiert, die Entscheidungen aus Brüssel auch weiterhin umsetzt, aber keine Mitsprache mehr hat. Welcher Mensch, der noch ganz bei Trost ist, würde sich solchen Regeln unterwerfen?

Um Entgegenkommen zu demonstrieren, hat Theresa May mit ihren Chequer‘s Plan einen Bruch mit der eigenen Partei riskiert und einen Verbleib im gemeinsamen Warenmarkt angeboten, bei gleichzeitiger Beendigung der Freizügigkeit für Dienstleistungen (80% der britischen Wirtschaft) für Kapital und Arbeitnehmer. Als Konsequenz würde sich das Vereinigte Königreich auch nach dem BREXIT dem Rulebook, wie es hier bekannt ist, der EU im Hinblick auf den freien Warenverkehr unterwerfen und Entscheidungen aus Brüssel umsetzen.

Das ist ein Entgegenkommen, das vielen in Britannien zu weit geht (unter anderem uns), aber es ist ein Entgegenkommen, das der EU, den Eurokraten, die mit keinerlei demokratischer Legitimation versehen der Ansicht sind, sie könnten ihre „Prinzipien“ gegen den erklärten Willen der Mehrheit der britischen Bevölkerung durchsetzen, nicht weit genug geht. Sie wollen alles oder nichts.

Liam Fox, Secretary of State for International Trade, hat diese Haltung der EU zum Anlass genommen, um die EU mit der Sowjetunion zu vergleichen:

„I laid a wreath at the Latvian Freedom Monument.
I realised that 30 years ago that country was under Soviet occupation.
Now, in a remarkable transformation, Latvia is a modern democracy, part of both NATO and the EU.
And no European country did more to bring about that transformation than Britain.
That wasn’t us being un-European or anti-communitaire.
And nor will Brexit be either.
Our friends in Europe need to understand that 52 per cent of the country aren’t rabid populists trying to build Fortress Britain.
We fought for peace on our continent so none of us will ever turn our back on history.
But nor, and I want to address our European friends directly now, should you.
At the moment you seem to think the way to keep the club together is to punish a member who leaves.
Not just with economic disruption. But even by breaking up the United Kingdom with a border down the Irish Sea.
What happened to the confidence and ideals of the European dream? The EU was set up to protect freedom. It was the Soviet Union that stopped people leaving.
The lesson from history is clear: if you turn the EU club into a prison, the desire to get out won’t diminish it will grow…and we won’t be the only prisoner that will want to escape…
If you reject the hand of friendship offered by our Prime Minister…you turn your back on the partnership that has given Europe more security, more freedom and more opportunities than ever in history. …and a setback for the EU will become a wholly avoidable tragedy for Europe.” 

Ob diese Worte in Brüssel auf irgendein Echo fallen, ist eine Frage, die in den nächsten Wochen beantwortet werden wird. Dann wird auch die Frage beantwortet werden, ob die EU zu einem faschistischen supranationalen Gebilde geworden ist, in dem Autokraten ohne demokratische Legitimation „ihre Prinzipien“ durchsetzen wollen, also die Prinzipien, die sie heute gerade für „ihre Prinzipien“ halten oder ob sich Vernunft und Mäßigung durchgesetzt haben.

Wenn man die Wahl hat zwischen einer recht guten und einer schlechten Alternative und die Wahrscheinlichkeit sich in einem Hühnchenspiel mit seinem Gegenüber eine blutige Nase zu holen, sehr hoch ist, dann wählt man als vernünftiger Akteur die recht gute Alternative.

Gibt es noch einen vernünftigen Akteur in der EU?

Nun, es gibt Rotwein, geklemmte Ischiasnerve, es gibt Abgeordnete, die mit verzerrtem Gesicht gegen das Vereinigte Königreich wettern, es gibt Lobbyismus und politische Korruption … was es sonst noch gibt: We’ll see.

Übrigens hatten auch die Nazis Prinzipien, die sie ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzen wollten. Das Ergebnis ist bekannt. Aber vielleicht ist ja ein wenig Erinnerung an das notwendig, was man als british determination kennt:

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