Versuch über die Freiheit an der Universität Siegen

Das Szenario ist bekannt.

Ein Dozent, der vielleicht noch glaubt, Studenten kämen an eine Uni, gar in sein Seminar, um etwas zu lernen, macht ein Angebot.

Dieter Schönecker, Professor für Praktische Philosophie an der Universität Siegen, ist ein solcher Dozent, der ein Seminar, spitzbübisch mit „Denken und Denken lassen“ betitelt, durchführt, in dem er die „Praxis der Meinungsfreiheit“ vornehmlich auf Grundlage von John Stuart Mills „On Liberty“ diskutieren lassen will.

Zurück nach Siegen. Schönecker beschreibt seine Veranstaltung „Denken und Denken lassen“ wie folgt:

„In diesem Seminar geht es um die Philosophie und Praxis der Redefreiheit. Genauer gesagt geht es um die Frage, wie groß die Redefreiheit bei Veranstaltungen sein sollte, die an Universitäten stattfinden. (Es geht nicht um Islamismus, die Flüchtlingskrise usw.) Sollte es Grenzen geben, und wenn, wo liegen diese? Darf man Personen wie Thilo Sarrazin einladen oder wie Marc Jongen (MdB, AfD)? Nach einem Vorgespräch treffen wir uns zu einem ganztägigen Blockseminar, bei dem wir uns mit Auszügen aus Mills „Über die Freiheit“ beschäftigen werden. Ein wesentlicher Teil des Seminars ist eine Vorlesungsreihe, in der auch dezidiert konservative oder rechte Denker teilnehmen werden (u.a. Sarrazin und Jongen). Alle Vorträge finden von 16-18 Uhr statt. Jeweils vorher (14-16 Uhr) treffen wir uns zu einem Gespräch, bei dem wir den jeweiligen Vortragstext diskutieren werden.”

Wir haben viel an dieser Beschreibung auszusetzen, schon weil sie eine Diskriminierung par excellence darstellt. Darf man „Personen wie Angela Merkel oder Ralf Stegner einladen?“ Diese Frage hat Schönecker nicht gestellt. Gilt ihm Merkel als besserer Eingeladener als Jongen, Stegner seinem Parteigenossen Sarrazin als Vorzuziehender? Diese Ideologie der Ungleichwertigkeit, die bei den Linken doch stets als Indiz der Diskriminierung, ja des Rassismus gilt, wir wollen sie an dieser Stelle und angesichts des sozialen Drucks, dem man sich als auch nur etwas Abweichender an Hochschulen heute ausgesetzt sieht, und wir wollen sie schon wegen des Titels der Veranstaltung übersehen (darauf kommen wir noch).

Die Veranstaltung, die als Format sehr interessant ist und insofern viel Zuspruch verdient hat, sie hat die folgenden Redner im Angebot:

Bei der Universität Siegen sieht man Kritik nicht so gerne…

Vortragreihe:
15. Nov. 2018, 14-18 Uhr: Prof. Dr. Norbert Bolz: Einsamkeit und Freiheit (Neuer Senatssaal)
22. Nov. 2018, 14-18 Uhr: Prof. em. Dr. Egon Flaig: Ohne Öffentlichkeit keine Demokratie – ohne Demokratie keine Öffentlichkeit. Überlegungen zur Umprägung zentraler politischer Begriffe und zur Einschränkung des freien Denkens (Neuer Senatssaal)
6. Dez. 2018, 14-18 Uhr: Prof. Dr. Stefan Kutzner: Zum Umgang mit “heißen Gegenständen”: Bemerkungen zu Werturteilen, Identitätsfragen und Diskurspraktiken in wissenschaftlichen Arenen (Neuer Senatssaal)
13. Dez. 2018, 14-18 Uhr: Prof. Dr. Michael Bongardt: “Was wird man denn wohl noch sagen dürfen?” Philosophisches zu Grund und Grenzen  der Redefreiheit (Neuer Senatssaal)
20. Dez. 2018, 14-18 Uhr: Dr. Marc Jongen: Vom Free Speech zum Hate Speech – auch eine Dialektik der Aufklärung (Arthur-Woll-Haus)
10. Jan. 2019, 14-18 Uhr: Dr. Thilo Sarrazin: Der neue Tugendterror. Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland (Arthur-Woll-Haus)
17. Jan. 2019, 14-18 Uhr: Prof. Dr. Dieter Schönecker: Der Schutz der Freiheit (Neuer Senatssaal)

Nun haben sich an Hochschulen über die letzten Jahre linke Kommissare eingenistet, die alles, nur nicht lernen wollen. Denn: Sie wissen schon alles. Ihr Wissen ist umfassend, ihr Feindbild ist geschlossen, Milton Rokeach hätte seine Freude an ihnen und Stanley Milgram hätte seine Experimente voller Entsetzen eingestellt, wären sie seine Probanden gewesen. Die Kommissare sitzen beim ASta, werden von den Studenten, die studieren wollen, finanziert und haben nichts Besseres zu tun, als Letzteren die Möglichkeiten zum Lernen vorzuenthalten. Und so will der AStA in Siegen verhindern, dass Thilo Sarrazin und Marc Jongen in Siegen sprechen: „„Wir lehnen es ab, dass Rechtspopulisten an die Uni Siegen eingeladen werden“, so Vera Fengler vom AStA“.

Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen denen, die heute Gesinnungswärter spielen und denen, die das früher getan haben. Früher waren diejenigen, die von ihrer Gesinnung überzeugt waren, streitbar, voller Lust, den Gegner in seinen vermeintlichen Denkfehlern zu entlarven und oftmals überraschend versiert in öffentlicher Rede. Heute sind die Gesinnungswärter kleinlaute Spießer, die das Licht scheuen, den öffentlichen Streit um Argumente vermeiden wollen und lediglich darauf aus sind, zu verhindern. Was ausgerechnet sie an Universitäten wollen, verloren haben, ist uns nach wie vor ein Rätsel, sie wären in einer Sekte oder einer Kaderschmiede, in der sie nicht selbst denken müssen, sondern ihnen vorgegeben wird, was sie denken und mit (verbaler) Gewalt verteidigen sollen, viel besser aufgehoben.

„Denken und Denken lassen“ nennt Schönecker sein Seminar. Doppeldeutig ist das. Ist es ein Lassen im Sinne eines „Gewährenlassens“ eines „Zulassens“ oder ist es ein Lassen im Sinne des „andere für sich denken lassen“? Welcher Gegensatz schwebt Schönecker vor? Der zwischen Liberalen und Autoritären oder der zwischen Freien und Abhängigen. Wir tendieren zu Letzterem und falls es so sein sollte, hat Schönecker schon eine Antwort, im ASta sind nicht die zu finden, die selbst denken, sondern die, die Denken lassen“, von ideologischen Vorbetern.

Für alle, die des Englischen mächtig sind, wie gesagt, Mill ist umsonst im Internet zu haben, in englischer Sprache, hier noch eine der zwei Stellen aus dem Essay On Liberty, auf die Schönecker mit seinen Studenten mit Sicherheit eingehen wird:

“First: the opinion which it is attempted to suppress by authority may possibly be true. Those who desire to suppress it, of course deny its truth; but they are not infallible. They have no authority to decide the question for all mankind, and exclude every other person from the means of judging. To refuse a hearing to an opinion, because they are sure that it is false, is to assume that their certainty is the same thing as absolute certainty. All silencing of discussion is an assumption of infallibility. Its condemnation may be allowed to rest on this common argument, not the worse for being common.”

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