De Facto wurden COVID-19 Patienten auf Intensivstationen umgebracht [Neue Forschung]

Wenn wir Aussagen wie die folgende lesen, dann werden wir hellwach, selbst dann, wenn wir schlecht geschlafen haben.

“Those who were cured of their secondary pneumonia were likely to live, while those whose pneumonia did not resolve were more likely to die,” Singer said. “Our data suggested that the mortality related to the virus itself is relatively low, but other things that happen during the ICU stay, like secondary bacterial pneumonia, offset that.”

Der im Zitat aus dem Medical Express genannte “Singer”, heißt mit vollem Namen Benjamin D. Singer und ist einer der Autoren, die für die folgende Studie verantwortlich sind:

Catherine A. Gao, Nikolay S. Markov, Thomas Stoeger, Anna E. Pawlowski, Mengjia Kang, Prasanth Nannapaneni, Rogan A. Grant, Chiagozie Pickens, James M. Walter, Jacqueline M. Kruser, Luke V. Rasmussen, Daniel Schneider, Justin Starren, Helen K. Donnelly, Alvaro Donayre, Yuan Luo, G.R. Scott Budinger, Richard G. Wunderink, Alexander V. Misharin, and Benjamin D. Singer (2023). Machine learning links unresolving secondary pneumonia to mortality in patients with severe pneumonia, including COVID-19. The Journal of Clinical Investigation.

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Die Aussage, die wir oben zitiert haben, bezieht sich auf COVID-19 Patienten, die auf die Intensivstation verlegt wurden und dort eine sehr geringe Überlebenswahrscheinlichkeit hatten. Singer sagt, dass die Sterblichkeit AN COVID-19 unter COVID-19 Patienten auf Intensivstationen recht gering ist, die meisten also nicht an COVID-19, sondern an etwas anderem verstorben sind, an VAP – Ventilator Associated Pneumonia – an Pneumonie, die sich als Ergebnis künstlicher Beatmung einstellt.

Ein echter Kracher, obschon es bereits die ein oder andere Studie gibt, die zeigt, dass zu Beginn der Pandemie auf Intensivstationen COVID-19 Patienten regelrecht aus der Welt künstlich hinaus beatmet wurden, denn die Überlebenswahrscheinlichkeit bei denen, die mit COVID-19 an ein Beatmungsgerät gehängt wurden, sie war so gering, dass die künstliche Beatmung einem Todesurteil gleich gekommen ist. Nun sagt Singer, das Sterben war nicht Ergebnis von COVID-19, sondern Ergebnis der künstlichen Beatmung.

Das bedarf einer genaueren Darstellung.

Singer und seine Mitautoren haben Daten von Patienten auf der Intensivstation des Northwestern Memorial Hospital ausgewertet. 585 Patienten bilden ihre Grundgesamtheit. Alle bis auf 93 haben Pneumonie, 190 als Folge von COVID-19, 252 aufgrund eines bakteriellen Infekts, 50 aufgrund einer viralen Infektion, die nicht SARS-CoV-2 ist. Aus dieser Gruppe ragen die COVID-19 Patienten heraus. Sie verweilen länger als die anderen Patienten auf einer Intensivstation und haben, weil die Sterbewahrscheinlichkeit mit der Verweildauer assoziiert ist, ein höheres Sterberisiko. Darüber hinaus gehen sie durch mehrere Stadien der Erkrankung im Verlauf ihres Aufenthalts, d.h. ihr Zustand verbessert und verschlechter sich häufiger als dies bei anderen Patienten der Fall ist.

Um herauszufinden, was der treibende Grund hinter der hohen Sterblichkeit von COVID-19 Patienten an Beatmungsgeräten ist, haben die Autoren ein Computerprogramm [und nennen es Carpe Diem – nutze den Tag] entwickelt, das in der Lage ist, die Krankheitsgeschichte der Patienten auf der Intensivstation anhand der täglichen Berichte quasi auf Basis stündlicher Veränderung nachzuvollziehen, ein Ansatz, der es ihnen zudem erlaubt, den Effekt von VAP – Ventilator associated Pneumonia – Pneumonie, die sich als Ergebnis künstlicher Beatmung einstellt, zu isolieren.

“To disentangle the effect of VAP on outcomes over the course of the ICU stay, we developed a machine learning approach, CarpeDiem, which clustered individual patient-days in the ICU using clinical parameters extracted from the electronic health record (EHR). Because key clinical data fed the CarpeDiem algorithm, these clusters represented clinical states that were differentially associated with hospital mortality. The CarpeDiem framework allowed us to examine transitions between clinical states associated with favorable (lower mortality) or unfavorable (higher mortality) outcomes. Indeed, CarpeDiem revealed that the long ICU LOS [Length of Stay] among patients with COVID-19 relative to patients with pneumonia secondary to other pathogens resulted from excess days in clinical states characterized  by severe hypoxemic respiratory failure with significantly fewer transitions between states when normalized for their longer LOS. Unresolving episodes of VAP were associated with transitions to clinical states associated with greater mortality. These data suggest mortality associated with severe SARS-CoV-2 pneumonia is more often associated with respiratory failure that increases the risk of unresolving VAP, and is less frequently associated with multiple-organ dysfunction.”

Die Folge eines solchen Vorgehens ist eine große Menge von Daten, insgesamt sind es 12.495 Patiententage, die den Autoren zur Analyse zur Verfügung stehen, eine Analyse, deren Ergebnis man am besten in Abbildungen darstellt:

Die Abbldung zeigt für COVID-19 Patienten eine höhere Anzahl Pneumonien, die sich als Ergebnis der künstlichen Beatmung einstellen, nicht nur einmal, nein mehrmals, wie die rechte der beiden Abbildungen zeigt als für andere Patienten auf der Intensivstation. Die Ursache für VAP ist bakteriell, was, da VAP-Patienten unter den COVID-19 Patienten, einen längeren Aufenthalt auf der Intensivstation, der häufiger mit dem Tod des Patienten endet, als bei Patienten, die es ohne VAP über die Runden schaffen, die Frage aufwirft, in welchem Zusammenhang die Frage, ob eine bakterielle Pneumonie überwunden wird oder nicht zum Tod des entsprechenden Patienten steht.

Der Zusammenhang ist eindeutig: Wird die bakterielle Infektion, die Ergebnis künstlicher Beatmung ist, überwunden, dann ist die Wahrscheinlichkeit, zu überleben, erhöht, wird sie nicht überwunden, ist die Wahrscheinlichkeit zu sterben, erhöht. Und in der Tat können die Autoren mit ihrem Programm, CarpeDiem, zeigen, dass COVID-19 Patienten, die auf einer Intensivstation künstlich beatmet werden, die wohl sehr schnell an künstliche Beatmungsgeräte angeschlossen wurden, nicht nur eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, als Folge der künstlichen Beatmung eine bakterielle Pneumonie zu entwickeln, sie haben auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, ihren im Vergleich zu den anderen Intensivpatienten längeren Aufenthalt auf der Intensivstation nicht lebend zu beenden.

Nun stellt sich zunächst die Frage: Wenn die bakterielle Infektion, die sich als Ergebnis der künstlichen Beatmung einstellt, eine, wenn nicht die Todesursache ist, warum die entsprechende Infektion nicht zu intensiven Gegenmaßnahmen der Ärzte geführt hat? Die Antwort auf diese Frage ist so lappidar, dass man betet, nie einem Intensivarzt in die Hände zu fallen. Die bakterielle Pneumonie wurde schlicht und ergreifend nicht gewürdigt und oft nicht behandelt, COVID-19 wurde als wichtigeres Problem eingeschätzt:

“The importance of bacterial superinfection of the lung as a contributor to death in patients with COVID-19 has been underappreciated because most centers have not looked for it or only look at outcomes in terms of presence or absence of bacterial superinfection, not whether treatment is successful or not,” said study co-author Dr. Richard Wunderink, who leads the Successful Clinical Response in Pneumonia Therapy Systems Biology Center at Northwestern.

Tod durch Vernachlässigung.

Das Ergebnis von Gao et al. (2023) wirft aber noch eine weitere Frage auf: Wenn viele COVID-19 Patienten nicht an COVID-19, sondern als Folge ihrer Beatmung an einer bakteriellen Pneumonie gestorben sind, was ist dann mit dem Zytokinesturm, der bislang als Hauptursache für das Versterben von COVID-19 Patienten angesehen wurde?

In einem Wort: Essig.

“The term ‘cytokine storm’ means an overwhelming inflammation that drives organ failure in your lungs, your kidneys, your brain and other organs,” Singer said. “If that were true, if cytokine storm were underlying the long length of stay we see in patients with COVID-19, we would expect to see frequent transitions to states that are characterized by multi-organ failure. That’s not what we saw.”

Wenn COVID-19 Patienten auf Intensivstationen nicht in großer Zahl von einem Zytokinesturm dahingerafft wurden, wenn ihnen vielmehr in großer Zahl durch eine bakterielle Pneumonie, die von Ärzten durch künstliche Beatmung herbeigeführt und nach auftauchen in ihrer Bedeutung unterschätzt, wenn sie überhaupt erkannt wurde, dahingerafft wurden, dann muss man wohl die Geschichte von COVID-19 auch in diesem Punkt neu schreiben und die Schuld für den Tod vieler Patienten denen übertragen, die sie tatsächlich tragen: den Ärzten, die eine bakterielle Pneumonie, für deren Entstehen ihre Behandlung in erster Linie verantwortlich war, als vernachlässigbare Nebengröße betrachteten, weil sie COVID-19 so viele Furchtbarkeiten angedichtet haben, dass sie den tatsächlichen Killer im Raum nicht mehr erkennen konnten. Erklären kann man das nur mit Psychologie, denn normalerweise merkt man, wenn man den Abzug einer Pistole betätigt.

“Diese Ergebnisse, so schreiben die Autoren, legen den Schluss nahe, dass verbesserte Strategien, durch künstliche Beatmung herbeigeführt bakterielle Pneumonie nicht nur zu diagnostizieren, sondern auch erfolgreich zu behandeln, das Überleben von Patienten auf Intensivstationen positiv beeinflussen kann.

Das nennt man dann wohl einen Euphemismus.


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