Prostata-Krebs: Früherkennung per PSA-Test: Mehr Schaden als Nutzen

Er fehlt mittlerweile in kaum einer Arztpraxis, wenn es um die vermeintliche Früherkennung von Prostata-Krebs geht: Der PSA-Test, wobei PSA für prostataspezifisches Antigen steht, ein Protein – prostataspezifisches Antigen -, das in der Prostata produziert wird, im Blut nachgewiesen werden kann und dort in besonders großer Menge nachgewiesen werden können soll, wenn Krebszellen in der Prostata präsent sind, denn Krebszellen produzieren besonders viel prostataspezifisches Antigen, weden immer häufiger angewendet.

Schon diese Beschreibung der Wirkungsweise eines PSA-Tests, eines Bluttests, macht deutlich, dass der Test eine Korrelation feststellen kann, keine Kausalität, er kann Auffälligkeiten, aber nicht deren Ursache aufzeigen und als Einzeltest ist er weitgehend nutzlos, weshalb die Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) in der S3-Leitlinie zur Behandlung von Prostatakarzinomen vorsieht, einem PSA-Wert, der mindestens 4 Nanogramm prostataspezifisches Antigen pro Milliliter Blut nachgewiesen hat, um eine Biopsie zu ergänzen.

Quelle: AWMF, S3-Leitlinie Prostatakarzinom

Eine interessante Verfahrensweise, wenn man bedenkt, dass PSA-Tests von Krankenkassen nicht bezahlt werden. Indes, die Werbung und der Vertrieb von PSA-Tests läuft auch ohne Krankenkassen problemlos. Man kann sie online an jeder Webseiten-Ecke erwerben:

Quelle

Ärzte führen PSA-Tests offenkundig in ihrem Standardrepertoire der Früherkennung von Prostatakrebs, die ab 45 Jahren empfohlen wird. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. empfiehlt zudem ab einem Wert von 4 ng/ml, der im Rahmen eines PSA-Tests angefallen ist, eine Biopsie folgen zu lassen, ein nicht ganz ungefährlicher Eingriff, der eine Reihe von Risiken, von der Prostataentzündung bis zur Sepsis, mit sich bringt.

3 Nanogramm pro einem Milliliter Blut ist der Grenzwert, den britische Forscher im bislang größten klinischen Trial, das die Wirksamkeit von PSA-Tests untersuchen sollte, gesetzt haben. Die Studie wurde gestern im Journal of the American Medical Association, JAMA, veröffentlicht:

Martin, Richard M., Emma L. Turner, Grace J. Young, Chris Metcalfe, Eleanor I. Walsh, J. Athene Lane, Jonathan A. C. Sterne, Sian Noble, Peter Holding, Yoav Ben-Shlomo, Naomi J. Williams, Nora Pashayan, Mai Ngoc Bui, Peter C. Albertsen, Tyler M. Seibert, Anthony L. Zietman, Jon Oxley, Jan Adolfsson, Malcolm D. Mason, George Davey Smith, David E. Neal, Freddie C. Hamdy, Jenny L. Donovan, for the CAP Trial Group (2024). Prostate-Specific Antigen Screening and 15-Year Prostate Cancer Mortality. A Secondary Analysis of the CAP Randomized Clinical Trial Journal of the American Medical Association.

Die Autoren haben 3 Nanogramm prostataspezifisches Antigen pro Milliliter Blut zu finden in genau einem PSA-Test als Grenzwert bestimmt, um die Wahrscheinlichkeit einer Überdiagnose, also der Entdeckung eines “Tumors”, der dann behandelt wird, obschon er keinerlei Gefahr für den, bei dem er entdeckt wurde, darstellt, zu minimieren. Der Überdiagnose folgt die Überbehandlung, die wiederum mit erheblichen gesundheitlichen Konsequenzen für diejenigen, die sie erleiden, verbunden sein kann und in der Regel auch ist.

Die Grundgesamtheit, auf die die Autoren zurückgreifen können, ist beträchtlich. Letztlich präsentieren sie Ergebnisse für 408.721 Männer im Alter von 50 bis 69 Jahren, die zwischen dem 1. Januar 2002 und Ende Januar 2009 rekrutiert und über einen Zeitraum von im Median 15,4 Jahren nachverfolgt wurden. Bei 189.326 dieser Männer wurde ein PSA-Test durchgeführt. Sofern der PSA-Test einen Wert über 3 ng/ml aufgewiesen hat, wurden die Männer einer Biopsie unterzogen, sofern sie dazu bereit waren. War der Wert jenseits von 19,9 ng/ml wurden sie an den NHS zur Standard-Krebsbehandlung überstellt. 219.445 Männer im Alter von 50 bis 69 Jahren bilden die Kontrollgruppe, in der keinerlei PSA-Test zum Einsatz gekommen ist.

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Quelle. Martin et al. (2024).

Im Verlauf der rund 15 Jahre sind in der Interventionsgruppe 45.084 Männer verstorben, 1.199 davon an Prostatakrebs. In der Kontrollgruppe sind 50.336 Männer verstorben, darunter 1.451 an Prostatakrebs. Damit liegt die Mortalität in der Kontrollgruppe bei 0,7%, in der Interventionsgruppe bei 0,6% und damit deutlich unter den 3%, die von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) als Mortalität für Prostatakrebs angebeben werden. In runden Zahlen besteht für knapp 40% der Männer ein Risiko, im Verlauf ihres Lebens ein Prostatakarzinom zu entwickeln. Bei 10% wird das Karzinom symptomatisch, d.h. sie bemerken es, und es muss behandelt werden.

Das zur Einordnung.

Bereits diese Zahlen zeigen, dass ein PSA-Test relativ wenig Nutzen mit sich bringt, wenn es darum geht, ein Karzinom frühzeitig zu entdecken und ein Versterben an Prostatakrebs zu vermeiden. Tatsächlich stellen Martin et al. (2024) zwar fest, dass ein PSA-Test zu einer leicht erhöhten Wahrscheinlichkeit führt, gering entwickelte und lokale Karzinome zu entdecken, aber keinerlei Vorteil im Hinblick auf weiter entwickelte Prostatakarzinome für sich reklamieren kann. Tatsächlich hat ein PSA-Test, wie die Abbildungen links zeigen, keinerlei Effekt auf die allgemeine Sterblichkeit in beiden Trial-Gruppen und nur eine sehr geringen auf die Wahrscheinlichkeit, an Prostatakrebs zu versterben. Ein PSA-Test reduziert diese Wahrscheinlichkeit um knapp 8% (erste Zeile, vorletzte Spalte), rein statistisch betrachtet ein Witz.

Quelle. Martin et al. (2024).

Mit anderen Worten: Ob ein PSA-Test vorgenommen wird oder nicht, hat auf die Überlebenswahrscheinlichkeit nur einen minimalen, wenn überhaupt einen Effekt. Indes, der PSA-Test kommt mit einem Risiko [das mit einer Biopsie assoziierte, wurde bereits angesprochen]: der Entdeckung eines harmlosen Tumors, der langsam und unerheblich gewachsen wäre und von dem, der ihn beherbergt, nie bemerkt worden wäre, wenn er nicht per PSA-Test festgestellt worden wäre und ab Entdeckung in eine nutzlose und gefährliche Überbehandlung gemündet wäre. Das Risiko einer solchen Überdiagnose ist – wie die Ergebnisse von Martin et al. (2024) zeigen, nicht gerade gering, obschon die Autoren im Design ihrer Studie darauf hingewirkt haben, die Wahrscheinlichkeit von Überdiagnosen zu reduzieren:

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    9,2% der 50 bis 64jährigen unter den Probanden in der Interventionsgruppe von Martin et al. (2024) wurden überdiagnostiziert und in der Folge überbehandelt;

  • Bei den 65 bis 69jährigen waren es gar 20,8%.

Ein solches Ergebnis ist normalerweise das Ende eines medizinischen Produkts, denn wenn man eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, Schaden anzurichten als einen Nutzen zu erbringen, dann sollte die entsprechende Behandlung bereits am Grundsatz “Richte vor allem keinen Schaden an” scheitern. Ergo schreiben Martin et al. (2024) in der Zusammenfassung ihrer Ergebnisse:

“Policy makers considering screening for prostate cancer should consider this small reduction in deaths against the potential adverse effects associated with overdiagnosis and overtreatment of prostate cancer”.

Ein frommer Wunsch, angesichts von Polit-Darstellern, die experimentelle medizinische Interventionen, die einen erheblichen Schaden für “Patienten” mit keinem Nutzen für diese aber satten Gewinnen für die Pharmafia kombinieren, zum Zwang erheben wollten. Es gibt keinen Grund, Polit-Darstellern Vertrauen, dass sie das Wohl von Patienten berücksichtigen,  entgegen zu bringen, aber allen Grund, ihnen alles zuzutrauen.


 

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